Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 191 (Oktober 2006)

Fachaufsichtsbeschwerden gegen OB Brinkmann, Stadt Emden

Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" an der Ems: Nun soll der Weg im Schutzgebiet ganzjährig geöffnet bleiben Fachaufsichtsbeschwerden gegen den Emder Hauptverwaltungsbeamten, Oberbürgermeister Brinkmann (SPD)
Untere Naturschutzbehörde der Stadt Emden weiß nichts vom Vogelzug im September

NATURA 2000 Schild

Es geht zu wie im Tollhaus im niedersächsischen Naturschutz: Ein illegal gebauter Betonweg in einem Naturschutzgebiet und Teilgebiet eines "besonderen Schutzgebietes" nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie (siehe auch: Petkumer Deichvorland: Freigabe ein "Akzeptanzproblem") weckte die Begehrlichkeiten der Stadt Emden, man will ihn touristisch nutzen. Dagegen spricht die Wertigkeit des Gebietes als Rast-, Nahrungs- und Brutgebiet für Wat- und Wasservögel. Beamte der Stadt, der FDP-Ratsherr Bolinius und der Umweltminister Sander erkungelten einen "Kompromiss" für eine "versuchsweise" Öffnung des Weges vom 15. Juli bis 30. September, befristet bis zum 30. September 2006. Die Frist lief ab, nun demonstrierten Anwohner für eine ganzjährige Öffnung des Weges (siehe "Petkumer Deichvorland": Fackelzug gegen den Naturschutz), der verbotswidrig ohnehin ganzjährig ohne Kontrollen belaufen und befahren wurde.

Hinweisschild mit Erläuterungen zum Schutzgebiet Wirkungsloses Verbotsschild

Der "Kompromiss" war also gar keiner, bestimmt nicht für die Brut- und Rastvögel, die häufig in ihrem Schutzgebiet gestört und verscheucht werden. Die Tiere nutzen gerade bei hoch auflaufenden Fluten die wegenahen Beiche als Hochwasserrastplätze und werden dann bei Annäherung nur einer Person sofort vertrieben.

Schmales Schutzgebiet Nonnengänse im Petkumer Vorland

Der Emder Oberbürgermeister Alwin Brinkmann (SPD) verkündete in der Zeitung, man werde die Absperrungen am Weg nicht mehr schließen und Umweltminister Sander kündigte den Kompromiss auf. Ihm sei es "ein Herzenswunsch", was der Oberbürgermeister fordere, und Radwanderer und Spaziergänger bräuchten dort auch nicht zu befürchten, wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden. Es herrscht also Anarchie im Lande, zumindest im Naturschutz. Und die "anerkannten" Naturschutzverbände in Niedersachsen, 14 an der Zahl, sind stumm.

Der Wattenrat meint immer noch, dass wir in einem Rechtsstaat leben und legte zwei Fachaufsichtsbeschwerden gegen den Oberbürgermeister Brinkmann ein. Der steht einer ganz besonderen Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Emden vor: Ein Mitarbeiter behauptete in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage eines Ratsherren der Fraktion der Bündnisgrünen zur Fackeldemo im Naturschutzgebiet am 30. September 2006: "Die Stadt Emden geht davon aus, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, da die Brutzeit vorüber und der Vogelzug noch nicht begonnen hat." Damit wird deutlich, dass die Beamten der Stadt nichts von dem wissen, was draußen vor ihrer Haustür vorgeht: Der Vogelzug mit Enten, Gänsen und Watvögeln ist in vollem Gange. Peinlicher kann man seine Inkompetenz nicht ausdrücken. Aber wie wir den Umweltminister kennen, sind an ihn gerichtete Beschwerden trotz aller fachlichen Begründungen form-, frist, und vor allem fruchtlos einzulegen.

An den
Herrn niedersächsischen Umweltminister      03. Okt. 2006
Hans-Heinrich Sander
Archiv Straße

Hannover      Fax -drei - Seiten

Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden

Ablauf der Testphase der begrenzten Wegeöffnung für den Besucherverkehr am 30. September 2006, Schließung für den Besucherverkehr Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Emder Oberbürgermeister Brinkmann (SPD)

Sehr geehrter Herr Sander,
ausweislich verschiedener Presseveröffentlichungen (Emder Zeitung, Ostfriesen Zeitung) will der Oberbürgermeister von Emden nach der abgeschlossenen Testphase der begrenzten Wegeöffnung im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland", Teilgebiet V10 des "besonderen Schutzgebietes" Emsmarschen Leer-Emden nach europäischer Vogelschutzrichtlinie, die Zugänge "bis auf weiteres geöffnet" und damit den Besucherverkehr verbotswidrig weiter in das Naturschutzgebiet hineinlassen.

Wir mir Gewährsleute berichteten, unterliegen die Rastvögel des Gebietes durch die nicht verschlossenen Absperrungen und den Besucherverkehr erheblichen Störungen.

Mitarbeiter der inzwischen aufgelösten Bezirksregierung Weser-Ems, Obere Naturschutzbehörde, hatten zunächst die Öffnung des Weges für den Besucherverkehr aus allein naturschutzfachlichen Gründen abgelehnt, erst auf Druck Ihre Parteifreundes Bolinius wurde der Weg nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Gründen für die Öffentlichkeit im Rahmen einer begrenzten Versuchsphase vom 15. Juli bis 30. Sept. mit Freibier und Ihrer Anwesenheit geöffnet. Nun, nach Ablauf der Versuchsphase, müsste die Öffentlichkeit wirksam am Betreten des Weges im NSG durch Schließung der Tore gehindert werden. Das Schließen vorhandener Absperrungen gebietet das Niedersächsische Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung in § 42.

Gegen den Boykott des Vollzuges der Maßnahme durch den Hauptverwaltungsbeamten der Stadt Emden lege ich auf diesem Wege Fachaufsichtsbeschwerden gegen Herrn Brinkmann ein. Es ist ein Novum, dass ein Hauptverwaltungsbeamter geltendes Naturschutzrecht öffentlich ignoriert und durch Unterlassung die Voraussetzungen für weitere gravierende Störungen in diesem Schutzgebiet schafft. Unverständlicher Weise hat ihr Pressesprecher Buhlert bereits öffentliches Wohlwollen für diese Maßnahme geäußert, dies ist auch ein Novum in der sachgerechten Beurteilung von Schutzanforderungen durch ein der Umwelt verpflichtetes Ministerium, in einem Naturschutzgebiet, das auch Teilgebiet eines europäischen Schutzgebietes ist. Ich rufe in diesem Zusammenhang den § 42 des Bundesnaturschutzgesetzes in Erinnerung, der das Aufsuchen und Stören von streng geschützten Arten an ihren Zufluchtstätten verbietet.

Die zeitliche begrenzte Öffnung des Weges wurde von Ihrem Haus mit Schreiben vom 18.08.2003 als "für alle Beteiligten tragbarer Kompromiss" bezeichnet, wobei die betroffenen Tierarten in diesem Schutzgebiet allerdings nicht gemeint sein können, da diese kompromisslos auf Grund des Fluchtverhaltnes und der Fluchtdistanzen Menschen weiträumig bei Annäherung meiden. Die Tiere halten sich nicht an vereinbarte Zeiten. Der "Kompromiss" wurde dann auch nicht eingehalten, das Gebiet trotz der Auflagen ganzjährig belaufen, Absperrungen wurden u.a. mit Bolzenschneidern zerstört und Schilder unkenntlich gemacht, Details finden Sie auf unserer Web-Seite http://www.wattenrat.de/aktuell/aktuell70.htm

Als sich das Ende der Testphase abzeichnete und die erneute Sperrung des Weges im Schutzgebietes bevorstand, wurde wiederum mit politischem Druck, der u.a. durch Ihren Parteifreund Bolinius inszeniert wurde, nun die ganzjährig Öffnung des Schutzgebietes gefordert und dieser Forderung mit einem Fackelzug der örtlichen Anwohner Nachdruck verliehen, obwohl alle vorliegenden Gutachten die Sperrung des Gebietes in der Rastzeit fordern. Dieses durchsichtige und schändliche Spiel könnte man theoretisch fortführen bis zur Löschung des Schutzgebiets, auf naturschutzfachliche Fakten kommt es in diesem Lande offensichtlich nicht mehr an.

Umso erschreckender ist es, dass nun nach der Auflösung der Bezirksregierungen fachlich völlig überforderte Provinzfürsten in ihren kommunalen Beziehungsklüngeln jenseits von Recht und Gesetz agieren, Gutachten ignorieren und wie weiland Feudalherren mit Rechtsvorschriften verfahren. Eine Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen den Oberbürgermeister behält sich der Wattenrat vor.

Abschließend erinnere ich an die Aussagen des vorgeschriebenen Fachgutachtens gem. §34 Bundesnaturschutzgesetz zur begrenzten Wegeöffnung. Allein dieses Gutachten ist maßgeblich und verbindlich, weil aus den Anforderungen des §34 BNatSchG erwachsen:

Schmal und Ratzbor, Lehrte: Verträglichkeitsstudie gemäß § 34 BNaSchG für ein Verfahren zur Befreiung von Verboten der Verordnung über das Naturschutzgeiet "Petkumer Deichvorland" zur Widmung eines Teek-Abfuhrweges als öffentlicher Fuß- und Radweg, September 2003, Auszug:

Insgesamt kann also eingeschätzt werden, dass die im Petkumer Deichvorland vorkommenden Gastvögel eine erhebliche Empfindlichkeit gegenüber einem begangenen bzw. befahrenen Weg aufweisen, die zwischen den einzelnen Vogelarten aber auch innerhalb einer Rastperiode unterschiedlich stark ist und auch von der Intensität der Benutzung des Weges abhängt. Durch eine Wegenutzung würde sich also eine Verringerung der durch die Vögel nutzbaren Fläche des Naturschutzgebietes ergeben, die voraussichtlich 200m weit reicht. Bei einer Länge des Weges von 4,5 km würden also ca. 900.000 m²(90ha) Fläche entwertet.

Vor diesem Hintergrund der großflächigen Entwertung des Schutzgebietes verbietet sich eigentlich jedweder "Kompromiss".

Unterstützung für diese Bewertung finde ich in der Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutz und einzelnen Landesämtern für Naturschutz in einer bereits 1999 veröffentlichten Darstellung von "Zehn Grundsätzen":

Ich hoffe, dass diese fachlichen Bewertungen auch in Niedersachsen Eingang bei der Betrachtung von Beeinträchtigungen von Vogelschutzgebieten finden und die "Argumente" eines trüblichtigen Fackelzuges oder eines Oberbürgermeisters entkräften können.

Ich bitte um Ihre Rückäußerung.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

An den
Herrn niedersächsischen Umweltminister      04. Okt. 2006
Hans-Heinrich Sander
Archiv Straße

Hannover      Fax drei Seiten

Ergänzung zur Fachaufsichtsbeschwerde vom gestrigen Tage: Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden

Ablauf der Testphase der begrenzten Wegeöffnung für den Besucherverkehr am 30. September 2006, Schließung für den Besucherverkehr Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Emder Oberbürgermeister Brinkmann (SPD)

Sehr geehrter Herr Sander,
als Ergänzung zu meiner gestrigen dreiseitigen Fachaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Brinkmann lege ich heute die Antwort (Anlage) der Stadt Emden in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde (!) zu einer Anfrage eines Ratsherrn zur Fackeldemonstration am 30. Sept. 2006 im Naturschutzgebiet vor.

Ich bitte um Ihre genauere Kenntnisnahme des Punktes 5. der Anlage:

Die Stadt Emden geht davon aus, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, da die Brutzeit vorüber und der Vogelzug noch nicht begonnen hat.

(Hervorhebung von mir)

Die Antwort beweist, dass die fachliche Bewertung der Stadt Emden, der der Oberbürgermeister Brinkmann als Hauptverwaltungsbeamter vorsteht, völlig unzureichend ist.

Selbstverständlich hat der Vogelzug schon seit Wochen begonnen, wie sich jedermann vor Ort und an der übrigen Küste ansehen kann. Im Gebiet befinden oder befanden sich Graugänse, Nonnengänse, Pfeifenten, Regenbrachvögel, Große Brachvögel, Goldregenpfeifer oder Alpenstrandläufer, um nur einige Arten zu nennen.

Die offensichtliche Unkenntnis über das Zuggeschehen im NSG "Petkumer Deichvorland" legt den Schluss nahe, dass die Stadt Emden bei die Bewertung von störenden Auswirkungen auf bestimmte Arten durch die Duldung von Demonstrationen oder die evtl. Inaussichtstellung der ganzjährigen Wegeöffnung überfordert ist und daher fachliche keine brauchbaren Bewertungen zu erwarten sind.

Offensichtlich werden die naturschutzfachlichen Fakten unzulässiger Weise an die Interessen der Stadt Emden hinsichtlich der touristischen Erschließung des Schutzgebietes, das ja auch Teilgebiet eines "besonderen Schutzgebietes" nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie ist, angepasst, und nicht umgekehrt, wie es die Abwägung erfordert.

Eine ganzjährige Öffnung, und eigentlich auch die Öffnung in den Monaten August oder September, verbietet sich daher eigentlich und ist mit dem Zuggeschehen und den damit verbundenen Störungen der Rastvögel nicht zu vereinbaren.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

Anlage 2 Seiten

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung 07.10.2006:

Minister begrüßt Öffnung des Teekweges

Emden - Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) begrüßt es, dass die Stadt Emden den Teekabfuhrweg im Petkumer Deichvorland auch nach Ende der dreijährigen Testphase für die Öffentlichkeit geöffnet hält. "Der Brief, den ich dazu von der Stadt Emden erhalten habe, entspricht meinem Herzenswunsch", sagte er gestern am Rande der Feier zum Abschluss der Deichbauarbeiten in Campen. Wie berichtet, hatte Oberbürgermeister Alwin Brinkmann dem Minister die Öffnung mitgeteilt. "Ich habe ganz groß ,Zustimmung´ auf den Brief geschrieben", sagte Sander gegenüber der OZ. Bedenken wegen des Naturschutzes habe er nicht. Es sei ja nicht so, dass Wege nicht begangen werden dürfen, nur weil sie in Naturschutzgebieten lägen. Deshalb bräuchten Radwanderer und Spaziergänger dort auch nicht zu befürchten, wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden.

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, 05. Okt. 2006

Manfred Knake (Esens) vom Wattenrat Ostfriesland hat seine Ankündigung wahrgemacht und beim niedersächsischen Umweltministerium eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen den Emder Oberbürgermeister Alwin Brinkmann eingereicht. Dieser habe geltendes Naturschutzrecht öffentlich ignoriert, indem er sich nach der am 30. September abgeschlossenen Testphase für eine weitere Öffnung des Teekabfuhrwegs im Petkumer Deichvorland ausgesprochen habe (die OZ berichtete). Einen solchen "Boykott" der geltenden Regelung werde man nicht hinnehmen, so Knake.

 
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