Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 70 (22.03.2004)
Petkumer Deichvorland: Freigabe ein "Akzeptanzproblem"
Ein Planungsbüro schönt die Fakten. Die Bezirksregierung Weser-Ems genehmigt Schmuddel-Berichterstattung der Emder Zeitung: Eine konzertierte Aktion zur Umgehung des Naturschutzrechtes
Es ist vollbracht: Die Koalition des FDP-Fraktionsvorsitzenden Bolinius, des FDP-MdL Riese, des niedersächsischen Umweltministers Sander (FDP) zusammen mit der Stadt Emden und dem "Bürgerverein" und der Emder Zeitung haben es möglich gemacht: Das ohnehin sehr schmale Naturschutzgebiet und "Besondere Schutzgebiet" nach EU-Vogelschutzrichtline darf jetzt zeitlich und räumlich begrenzt betreten werden, ganz offiziell. Betreten und befahren wird das Gebiet illegal seit Monaten, zu Lasten der dort rastenden und brütenden Vögel auf ihren eigentlich geschützten Flächen. Eine Aufsicht findet und fand nie statt.
Das Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland", Kartenausschnitt:
Quelle: Auszug aus Topografischen Karten des LGN ©
Genehmigung erteilt
Mit Schreiben vom 17.03.2004 erteilte die Bezirksregierung Weser-Ems als Obere Naturschutzbehörde der Stadt Emden als Antragstellerin die Genehmigung, das Gebiet ganzjährig vom Borßumer Siel bis zum Kirchweg und für die Zeit vom 15. Juli bis Ende September vom Krichweg bis zum Emssperrwerk als "Naturlehrpfad" zu nutzen. Die Genehmigung ist bis zum 30.09.2006 als "Pilotphase" befristet. Am 26.09.2003 hatte die Stadt Emden eine Befreiung von den Vorgaben des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes beantrag, nachdem in der Öffentlichkeit mit Hilfe der Politiker Bolinius und Riese und der Emder Zeitung Druck auf die Genehmigungsbehörden gemacht wurde. Genutzt wurde der abgesperrte Weg trotzdem, störende Zäune oder Absperrungen wurden von Unbekannten beschädigt oder zerstört, Schilder entfernt.
Betonweg im Naturschutzgebiet illegal gebaut
Der Betonweg im EU-Vogelschutzgebiet wurde aus "Küstenschutzgründen" zur leichteren Entfernung von Treibsel aus der Ems gebaut, ohne Beteiligung der Bezirksregierung Weser-Ems und der Naturschutzverbände. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz hätte VOR dem Bau des Betonweges eine Verträglichkeitprüfung stattfinden müssen, da dieses Gebiet gemeldetes EU-Vogelschutzgebiet ist und Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Gebietes hat. Hier rasten bis zu 16.000 Nonnengänse und andere Gänse- oder Limikolenarten.
Die Verträglichkeitsprüfung wurde im Auftrag des Bau- und Entsorgungsbetriebes Emden (BEE) vom Planungsbüro Schmal und Ratzbor in Lehrte nachgeliefert (Verträglichkeitsstudie gemäß § 34 BNaSchG für ein Verfahren zur Befreiung von Verboten der Verordnung über das Naturschutzgeiet "Petkumer Deichvorland" zur Widmung eines Teek-Abfuhrweges als öffentlicher Fuß- und Radweg, September 2003). Das Ergebnis, wie nicht anders zu erwarten, war: "Aus gutachterlicher Sicht wird festgestellt, dass die geplante Maßnahme nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebietes V10 in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann und damit die Verträglichkeit mit dem Schutzziel des Gebietes gegeben ist."
Nachfolgend schränkt das "Gutachten" diese Aussage aber wieder ein (S.42): Teil 2 der Maßnahme [gemeint ist die zeitlich befristete Freigabe vom Kirchweg zum Emssperrwerk] hat dagegen erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensraumfunktion in Hinsicht auf eine Gastvogelart von insgesamt 19 vorkommenden gefährdeten Vogelarten zur Folge und stellt insofern eine solche "Beschädigung" dar.
Völlig widersprüchlich wird die Verträglichkeitsstudie auf Seite 19:
Insgesamt kann also eingeschätzt werden, dass die im Petkumer Deichvorland vorkommenden Gastvögel eine erhebliche Empfindlichkeit gegenüber einem begangenen bzw. befahrenen Weg aufweisen, die zwischen den einzelnen Vogelarten aber auch innerhalb einer Rastperiode unterschiedlich stark ist und auch von der Intensität der Benutzung des Weges abhängt. Durch eine Wegenutzung würde sich also eine Verringerung der durch die Vögel nutzbaren Fläche des Naturschutzgebietes ergeben, die voraussichtlich 200m weit reicht. Bei einer Länge des Weges von 4,5 km würden also ca. 900.000 m²(90ha) Fläche entwertet.
Das gesamte Naturschutzgebiet ist 200 Hektar groß! Es wird also fast um die Hälfte durch die Freigabe des Betonweges entwertet. Das bewertet Schmal und Ratzbor in der Zusammenfassung als eine "nicht erhebliche Beeinträchtigung" des EU-Vogelschutzgebietes. Diese Widersprüche sind rational nicht nachzuvollziehen und lassen ein bezahltes Gefälligkeitsgutachten vermuten.
[Ergänzung Sept. 2006: Es ist zudem fachlich unzulässig, von der Nichtbeeinträchtigung eines Gesamtgebiets auf die Unbedenklichkeit einer Maßnahme in einem Teilgebiet auszugehen:
"Zehn Grundsätze [...]2. Die Beeinträchtigungen sind erheblich, wenn die für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck eines Natura 2000 Gebietes maßgebliche Bestandteile so verändert oder gestört werden, dass sie ihre Funktion in Bezug auf die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck nur noch in deutlich eingeschränktem Umfang erfüllen können. [...] 3. [...] Jede einzelne mögliche erhebliche Beeinträchtigung einer Art oder eines natürlichen Lebensraumes von gemeinschaftlichem Interesse führt zur Unverträglichkeit des Planes oder Projektes 8. Ein Plan oder Projekt kann auch dann zu erheblichen Beeinträchtigungen führen, wenn der Erhaltungszustand der maßgeblichen Lebensräume und Arten im betreffenden Gebiet günstig bleibt, aber nach der Zulassung oder Durchführung des Planes oder Projektes deutlich ungünstiger wäre als zuvor." Quelle: Baumann et al. 1999, Naturschutzfachliche Anforderungen an die Prüfung von Projekten nach § 19 c und § 19 d [im aktuellen Gesetz § 34] BNatSchG, Verträglichkeit, Unzulässigkeit und Ausnahmen. Natur und Landschaft, 74.Jg, Heft 11: 463-472).
Und: "Zu Irrtümern und Fehlbewertungen vor allem Verharmlosungen, merkwürdigerweise kaum jemals zu Dramatisierungen, kommt es in den Verträglichkeitsstudien bisweilen weniger objektiver Prognosesicherheiten wegen, sondern weil manche Sachverständige sich zu diesem Zweck engagieren lassen anstatt engagiert zu sein. Für diese Erwägungen sind nicht zuletzt wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend." Quelle: Breuer: FFH-Verträglichkeitsprüfung, Erfahrungen-Probleme-Perspektiven, Beitrag zur Fachtagung FFH-Verträglichkeitsprüfung in der Praxis am 11.-12.07.2006 an der NNA, Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz]
Verstoß gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie
Die Europäische Vogelschutzrichtlinie ist da eindeutiger: In Artikel 4 wird den Mitgliedsstataten vorgeschrieben, dass die Verschlechterung der Lebensräume und Habitate von Arten sowie Störungen von Arten, die auf die Gebiete angewiesen sind, zu vermeiden sind. Das Gebiet als solches darf nicht beeinträchtigt werden. Nur aus ZWINGENDEN GRÜNDEN DES ÖFFENTLICHEN INTERESSES darf ein Projekt in einem EU-Vogelschutzgebiet durchgeführt werden, wenn Alternativen nicht möglich sind. Das alles trifft für die Beweggründe des Bürgervereins und der FDP-Politiker nicht zu. Gutachterbiologen berufsmäßige Vogelscheuchen?
Man nehme also ein Planungsbüro und lasse eine illegal durchgeführte Baumaßnahme auftragsgemäß "schön"gutachten. Was nicht passt, wird einfach verbal passend gemacht; nur der Form muss genüge getan werden, Inhalte sind nebensächlich. Schon einmal hat Schmal und Ratzbor es fertig gebracht, einen erheblichen Eingriff in ein faktisches EU-Vogelschutzgebiet auftragsgemäß schönzureden: Im Wybelsumer Polder, der Fläche für einen inzwischen fertiggestellten riesigen Wind"park" drehen sich heute mehr als einhundert Meter hohe Windmonster. Die EU-Kommission hat deswegen aufgrund der Beschwerde des Wattenrates ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Ob sich die Biologen bei Schmal und Ratzbor eigentlich bewusst sind, dass sie mit ihrer "Gutachtertätigkeit" ihre Seele verkaufen und im wahrsten Sinne des Wortes als bezahlte "Vogelscheuchen" ihr Geld verdienen?
"Umweltbildung" in Theorie und Praxis
In einem Brief vom 17.03.2004 an den Wattenrat begründet die Bezirksregierung ihre Genehmigung:
Vielmehr bestätigen die Kontakte zu dem Bürgerverein Petkum und die Forderung aus diesem Kreis deutlich, dass es gravierende Akzeptanzprobleme und mangelnde Unterstützung der Schutzziele und -inhalte gibt. Insofern sehe ich die Notwendigkeit einer Umweltbildung und gelenkten Besucherführung für unverzichtbar an.
Wie diese "Umweltbildung" in der Realität aussieht, hat unser Mitglied Eilert Voß in akribischer Kleinarbeit zusammengetragen: Er fertigte sehr detaillierte Störprotokolle an, er erfasst seit Jahrzehnten die Vögel im "Petkumer Deichvorland" und er machte Fotos von den illegalen Betretungen und Zerstörungen im Gebiet, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen, als die von Schmal und Ratzbor abgeschriebenen und nicht selbst erhobenen Erfassungsdaten.
Gänse und Watvögel nutzen bei hochauflaufenden Tiden die deichnahen Bereiche und reagieren gerade hier sehr empfindlich auf Störungen. Der Watvogelzug beginnt schon im Juli. Der Betonweg verläuft in unmittelbarer Nähe der Rastflächen.
Kein Zutritt, Foto: Wattenrat
Was ist zu tun?
Gegen "Umweltbildung" hat niemand etwas, aber nicht gerade mitten in Schutzgebieten. Dieses Schutzgebiet wird von einem Deich begrenzt, der frei begehbar ist und ausgezeichnete Einblicke in das Gebiet gibt. Wer radeln will, kann diese auch binnendeichs tun, auch dort ist ein Weg, dessen Nutzung die Vögel im Außendeichsbereich nicht stört. Alternativen sind also sehr wohl vorhanden.
Die Staatsanwaltschaft Aurich
Eine Strafanzeige des Wattenrates vom 05. Dezember 2003 bei der Staatsanwaltschaft Aurich wegen nachteiliger Veränderung in einem Schutzgebiet nach § 329 (3) StGB wurde mit Schreiben vom 07. April 2004 negativ beschieden. Das Verfahren wurde, wie erwartet, eingestellt.
Begründung: "Entgegen Ihrer Rechtsauffassung wird von Seiten der zuständigen Verwaltungsbehörde der Teekabfuhrweg als unter Freistellung der Naturschutzverordnung fallen eingeschätzt. Ein Unterlassen der Säuberung der Deichböschung führe zur Zerstörung der Grasnarbe und gefährde den gesetzlich normierten Deichschutz. Extensiv genutzte Deichvorlandflächen, wie Naturschutzgebiete an Ems und Dollart, führten zwangsläufig zu einem verstärkten Teekanfall , so dass die Anlegung von Teekabfuhrwegen zwingend erforderlich seien."
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Deichunterhaltung überhaupt nicht in Frage gestellt wird, hier also wieder einmal das Totschlagargument "Küstenschutz" von den Behörden gegen den Naturschutz angeführt wird. Gleichwohl dienen die Küstenschutzmaßnahmen als Vehikel für die weitere Erschließung von Schutzgebieten. Dass nach § 34 Bundesnaturschutzgesetz VOR dem Bau des Betonweges eine Verträglichkeitsprüfung mit der Untersuchung der Auswirkung auf den Erhaltungszustand des EU-Vogelschutzgebietes hätte durchgeführt werden müssen, wird nicht ansatzweise gewürdigt. Der Weg hätte dann auch so gebaut werden können, dass er für Radfahrer und Fußgänger unattraktiv gewesen wäre. Der "gesetzlich normierte Deichschutz" sieht im Niedersächsischen Deichgesetz Teekabfuhrwege gar nicht vor, auch nicht im §5 der Deicherhaltung. Allerdings dürfen "Bauwerke innerhalb der Grenzen des Deiches, die der Ent- und Bewässerung des Deiches oder dem Verkehr dienen" nur mit Erlaubnis der Oberen Deichbhörde angelegt werden. Zur Deicherhaltung gehört nicht der genehmigungsfreie Neubau eines Betonweges. Jetzt wurde also den behördlichen Seilschaften ein Persilschein der Staatsanwaltschaft ausgestellt. Der Wattenrat wird sich erneut an die Staatsanwalt wenden und den Bescheid anfechten.
Die Naturschutzverbände
Die anerkannten Naturschutzverbände, die am Befreiungsverfahren beteiligt waren und Stellungnahmen abgegeben haben (nur der BUND und der LBU, also zwei von dreizehn anerkannten Verbänden!) können einen kostenpflichtigen Widerspruch einlegen, die Frist läuft Mitte April ab. Der LBU wird aus Kostengründen keinen Widerspruch einlegen, der BUND hat das angeblich vor. Erst nach dem Widerspruch wäre eine Verbandsklage möglich.
Die Bündnisgrünen im Niedersächsischen Landtag wollen immerhin eine "Kleine Anfrage" zu diesem Verfahren stellen. Mehr dann auf dieser Seite.
Es bleibt nur noch die Beschwerde bei der EU-Kommission wegen Verletzung der EU-Vogelschutzrichtlinie. Das Verfahren ist dann hoffentlich bis zum Ende der Pilotphase 2006 im Sinne des Naturschutzes abgeschlossen sein.
Biedermann und Brandstifter
Der beharrliche FDP-Mann Bolinius indessen tönt völlig faktenresistent, getragen auf der Woge der Zustimmung der Beton-Umweltbewegten, dass er an der Forderung der ganzjährigen Wegefreigabe festhalten werde. (Zu den naturschutzfachlichen "Qualitäten" des liberalen FDP-Mannes Bolinius aus Emden hier seine FDP-Website)
Bezirksregierung Weser-Ems: "Naturschutzgebiet 'Petkumer Deichvorland"
Das Deichvorland der Unterems von Jarßum bis Gandersum in der Stadt Emden und der Gemeinde Moormerland ist mit Verordnung vom 20.07.1994 als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden.
Zweck der Unterschutzstellung ist die langfristige Sicherung und Entwicklung der hier vorhandenen Salzwiesen, weitgehend unverbauter tidebeeinflusster Priele und ausgedehnter, bis 250 Meter breiter Flußwattbereiche. Sie sind Lebensraum gefährdeter Pflanzen- und Tierarten sowie deren Lebensgemeinschaften.
Dieses Schutzgebiet steht mit seiner Lebensraumfunktion für wandernde Tierarten in funktionalen Zusammenhang mit den Außendeichsflächen der unteren Ems, der Flumm-Fehntjer-Tief-Niederung und insbesondere dem Dollart; es nimmt an dessen internationaler Bedeutung für rastende und überwinternde Vogelarten teil. Der Brutvogelbestand insbesondere des Säbelschnäblers begründet die Einstufung als national bedeutsames Vogelbrutgebiet.
Durch Ankauf und Nutzungsextensivierung konnte sich die Salzwiesenvegetation wieder voll entfalten.
Zu den Brutvogelarten zählen Brandgans, Säbelschnäbler, Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel,Wiesenpieper, Austerfischer und Lachmöwe sowie Blaukehlchen, Teich- und Schilfrohrsänger.
Wichtiges Schutzziel ist es deswegen, die extensive Bewirtschaftung weiterzuführen, um den Charakter des Gebietes zu erhalten. Von den Landwirten sind daher Vorgaben zum Viehbesatz und zum Wasserhaushalt zu beachten.
Das Naturschutzgebiet ist etwa 200 Hektar groß.
Abschließend dazu eine Kolumne des Herrn Fackert in der Emder Zeitung (EZ), die auf eine fachlich durchrecherchierte und sachliche Darstellung der rechtlichen Zusammenhänge (Bundesnaturschutzgesetz, EU-Vogelschutzrichtlinie), die das Öffnen des Betonweges im Naturschutzgebiet eindeutig als rechtswidrig erkennbar machen würde, bisher verzichtet hat:
Kolumne - Emder Zeitung, 20. März 2004
Klaus Fackert: Anarchie am Deich
Der Mensch steht im Mittelpunkt, sagen die Politiker. Naturschützer hören das gar nicht gern. Für sie steht die Kreatur ganz allgemein im Mittelpunkt. Der Mensch ist zwar auch eine Kreatur, aber was für eine! Meistens stört er nur. Wie zurzeit am Deich in Petkum. Dort tobt ein Krieg der Worte. Es geht um die Frage: Steht der Mensch im Mittelpunkt oder die Graugans?
Wägt man im konkreten Fall beides gegeneinander ab, dann neigt sich die Waagschale momentan zugunsten des Menschen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Erich Bolinius hat nämlich bei seinem Parteifreund, dem Landesumweltmin ister Sander, das Recht auf Radelfreiheit durchgesetzt. Der Mensch als solcher und der Petkumer im Besonderen dürfen künftig von Juli bis September am Gänseparadies entlang radeln. Der Minister findet, dass die Vögel das abkönnen, handelt es sich doch keineswegs um dumme Gänse, die beim Anblick eines Zweibeiners flugs davonflattern. Es sind recht schlaue Tiere, die sehr wohl wissen, dass kein Sonntagsradler in die Salzwiesen stapfen wird, um sich dort die guten Schuhe zu versauen.
Das sehen die Naturschützer naturgemäß anders. Das liegt vielleicht auch an ihrem derben Schuhwerk, dem man den Dauereinsatz im Wattenschlick deutlich ansieht, Die Naturschützer sind - nach ihrer Lesart - im Grunde die einzigen, die dort was zu suchen haben. Für sie ist das Petkumer Deich Vorland so etwas wie das heimische Wohnzimmer. Da lässt man auch keine wildfremden Leute rein. Gemäß dieser bildhaften Logik ist das, wozu sich der Umweltminister nun erdreistet hat, geradezu ein Akt des Hausfriedensbruchs. Und darauf steht Zuchthaus!
Kurz und gut: Nun fliegen die Fetzen. Petkumer Bürger und Naturschützer hauen sich Argumente und Verwünschungen was um die Ohren. "Anarchisten" seien die einen, "Ökofundamentalisten" die anderen. Erich Bolinius bemüht inzwischen schon einen Anwalt wegen übler Nachrede. Der FDP-Mann sieht sich in die Nähe "krimineller Machenschaften" gerückt. Die Wortwahl stammt von einem gewissen Manfred Knake, der als "Koordinator des Wattenrates" firmiert, wobei manche den Eindruck haben, dass der Wattenrat und Knake ein und dasselbe sind. Stets haut Knake auf die Kacke, wenn er Verstöße gegen den Naturschutz wittert Seine Kampfschriften sind einerseits gefürchtet, werden andererseits aufgrund mancher Überzogenheit auch nicht mehr richtig ernst genommen. Knake winkt gerne mit der ganz großen Keule: "Brüssel" soll die Naturfrevler zur Räson bringen!
Warten wir's ab, ob die EU sich tatsächlich in den Petkumer Gänsekrieg einmischt. Wenn ja, dann würde das Thema wohl in den Europawahlkampf hineingezogen. Und da steht dann wieder der Mensch im Mittelpunkt - sprich: der radfahrende Wähler. Gänse gehen eher selten zur Wahl.
Brief an die EZ von Manfred Knake
An die Emder Zeitung -Redaktion-
Kommentar des Redakteurs Fackert: Anarchie am Deich, 20. März 2004 hier: Richtigstellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Kommentar der Emder Zeitung vom 20. März 2004 "Anarchie am Deich" zur Freigabe eines Weges durch das Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" erwähnt der Redakteur Klaus Fackert mich als den Koordinator des Wattenrates und erweckt durch die Formulierung "Die Wortwahl stammt von einem gewissen Manfred Knake, der als 'Koordinator des Wattenrates' firmiert, wobei manche den Eindruck haben, dass der Wattenrat und Knake ein und dasselbe sind", dass es den Wattenrat als Gruppierung eigentlich gar nicht gäbe und ich den Wattenrat vortäusche.
Der Redakteur Fackert stellt eine Vermutung in den Raum, die die Glaubwürdigkeit meiner Person, die Tätigkeit des Wattenrates in Zweifel ziehen und mich isolieren soll.
Laut "Publizistischer Grundsätze" (Pressekodex) des Deutschen Presserates ist er jedoch verpflichtet, Informationen nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Das hat er unterlassen.
Ein Blick auf die Web-Seite des Wattenrates unter www.Wattenrat.de hätte Herrn Fackert im Impressum (das der Emder Zeitung offensichtlich fehlt) auf einen Blick gleich drei Namen von Mitgliedern gezeigt, die allein nur für die Webseite des Wattenrat tätig sind. Auf der Startseite ist zudem die Entstehungsgeschichte des Wattenrates nachzulesen. Fackerts geäußerte Vermutung ist also falsch und zielt also allein darauf ab, die Tätigkeit des Wattenrates unglaubwürdig zu machen und den Koordinator in ein unglaubwürdiges Licht zu rücken.
Zudem verkürzt Herr Fackert die Diskussion um die Freigabe des Teekabfuhrweges im Naturschutzgebiet und "Besonderem Schutzgebiet" nach EU-Vogelschutzrichtlinie "Petkumer Deichvorland" entweder in völliger Unkenntnis oder wegen seiner gezielten Klientel-Berichterstattung, Zitat "Es geht um die Frage: Steht der Mensch im Mittelpunkt oder die Graugans?" Zitatende. Diese Frage stellt sich in der Tat nicht, sie ist längst durch die Ausweisung als Naturschutzgebiet und "Besonderes Schutzgebiet" für verschiedene, z.T. hochgradig bedrohte Vogelarten (nicht nur für die Graugans!) beantwortet: Zweifellos stehen hier die Tiere im Mittelpunkt. Ein Blick in die EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 (!) und die NSG-Verordnung hätte ihm die Frage beantwortet.
In der Vergangenheit wurden Pressemitteilung des Watterates zum Sachverhalt von der Emder Zeitung stets verkürzt wiedergegeben; in einem Falle (Nr. 6 vom 14. März 2004) wurde sie so wiedergegeben, dass der örtliche FDP-Politiker und politische Initiator der Wegfreigabe durch das Schutzgebiet, Erich Bolinius, den Eindruck haben musste, er werde von mir für die in der Tat dort vorgekommmenen Sachbeschädigungen an Absperrungen im Schutzgebiet direkt verantwortlich gemacht. Das ist nie so gesagt worden. Herr Fackert stützt sich in seinem Kommentar erneut auf seine eigene verkürzende Darstellung. Zweifellos hat die einseitige Berichterstattung in der EZ dazu geführt, dass sich viele Menschen über die Schutzbestimmungen im Schutzgebiet einfach hinweggesetzt haben. Der Weg der Beschwerde an die Europäische Kommission als Kontrollorgan der verabschiedeten Richtlinien der Vertragsstaaten ist also der folgerichtige und dafür vorgesehene Schritt, und keinesfalls ein "Keule" wie Herr Fackert wiederum in völliger Verkennung der Tatsachen schreibt.
Aufgrund der irreführenden Berichterstattung von Herrn Fackert, die ich persönlich als journalistische Ferkelei betrachte, erwarte ich entweder die nachfolgende redaktionelle Richtigstellung mit folgendem Wortlaut abzudrucken, oder das oben Geschriebene als Leserbrief zu veröffentlichen:
"Die vom Redakteur Klaus Fackert in der Emder Zeitung am 20. März 2004 geäußerte Vermutung, dass der Wattenrat Ost-Friesland und dessen Koordinator Manfred Knake "ein und dasselbe sind" ("Anarchie am Deich") ist falsch. Richtig ist, dass der Wattenrat Ost-Friesland am 02. November 2001 in Dornumersiel als Interessensgruppe von zunächst sieben Mitgliedern gegründet wurde, zu denen im Laufe der letzten Jahre noch mehrere hinzukamen. Der Wattenrat verfügt über eine eigene Web-Seite unter www.Wattenrat.de, auf der die Gründungsgeschichte und die Tätigkeitsschwerpunkte nachzulesen sind. Allein der Aufruf dieser Web-Seite, die auf allen Pressemitteilungen des Wattenrates nachzulesen ist, hätte Klarheit über die Tätigkeit des Wattenrates gebracht".
Mit Gruß
Manfred Knake
Veröffentlichter Leserbrief:
Emder Zeitung Mittwoch, 24. März 2004
Uns gibt es wirklich
Zur Kolumne von Klaus Fackert "Anarchie am Deich", EZ vom 20. März. 2004
Ein Beitrag von Onno K. Gent, Cankebeerstraße 58, 26553 Dornum
Auweia, die eigenständige Recherche ist wohl nicht die Stärke des Journalisten Klaus Fackert. Da sinniert er so ganz hintenrum, daß Manfred Knake und der Wattenrat Ost-Friesland wohl "dasselbe" sind. Irrtum, Herr Fackert, wir vom Wattenrat machen noch richtigen Naturschutz, ohne Abhängigkeiten von irgendwelchen staatlichen Zuschüssen. Uns gibt es wirklich, auch wenn das einige nicht wahrhaben wollen. Ein Anruf im Koordinationsbüro oder ein Blick auf unsere Web-Seite www.wattenrat.de hätte Klarheit verschafft. Nein, Herr Fackert macht es anders.
Isolieren, diffamieren, unglaubwürdig machen, so ganz gegen alle journalistischen Grundsätze. Hat die Emder Zeitung sich jemals die Mühe gemacht, die mutwilligen Zerstörungen an den Zugängen zum Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" zu dokumentieren: abgerissene Zäune, mit Bolzenschneidern durchgezwackte Absperrgitter, abgesägte Absperrbretter? Nein, hat sie nicht. Kriminelle Machenschaften passen nicht in das Bild vom angeblich "mündigen Bürger", der seinen Spaß auf einem Betonweg in einem Naturschutzgebiet haben will, gegen jegliche Vernunft. Der passionierte Radwanderer Fackert ist sich hier nicht zu schade, Zynismus mit schlecht recherchierten Fakten fröhlich zu vermischen und das Ganze dann (den Blick fest auf die Claqueure gerichtet) als Weisheit letzter Schluß anzupreisen. Um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Den Fackerts muß in aller Deutlichkeit klar gemacht werden, was sie da anrichten: Sie lösen keinen Konflikt, sie schüren ihn!
Veröffentlichter Leserbrief:
Den Unterschied zwischen Bericht und Kolumne nicht erkannt
Eine Reaktion auf die Kolumne "Die Woche ist um" von Klaus Fackert und den Leserbrief von Onno K. Gent (EZ, 20. und 24. März).
Ein Beitrag von EZ-Leser Harald M. Baumann, Westersteder Straße 142, 26 655 Westerstede
Der Leserbrief von Herrn Onno K. Gent mit der Überschrift "Uns gibt es wirklich" in der EZ vom 24. März 2004 ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Der Inhalt ist an Polemik mit üblen Angriffen unterhalb der Gürtellinie gegen Klaus Fackert und gegen die Emder Zeitung kaum zu überbieten.
Wenn Herr Gent offenbar keinen Unterschied erkennt oder erkennen will zwischen einem Zeitungsbericht und einer Kolumne, so entsteht bei mir so etwas wie Mitleid mit ihm. Es gibt in dieser ernsten Zeit vermutlich immer mehr bedauernswerte Menschen, die jeglichen Sinn für Humor verlieren oder schon verloren haben und man kann ihnen nur den Rat geben, im Laufe des Tages möglichst mindestens 15 Minuten zu lachen. Das soll nämlich nicht nur das Leben verschönern, sondern auch um einige Jahre verlängern helfen. - Gerade auf die Kolumne von Klaus Fackert freue ich mich in jeder Sonnabend-Ausgabe, weil sie mich immer wieder zum Schmunzeln bringt. Zu den diffamierenden Angriffen von Herrn Gent fällt mir noch eine alte Weisheit ein, die nicht nur in Ostfriesland, sondern auch hier im Ammerland bekannt ist: "Wenn ick een Hund smieten will, fin' ick immer'n Stäen".
Veröffentlichter Leserbrief:
Der Humor in Natur- und Umweltschutz
Eine Reaktion auf die Kolumne "Die Woche ist um" von Klaus Fackert und den Leserbrief von Harald M. Baumann.
Ein Beitrag von EZ-Leser Michael Skoruppa, Groß-Midlumer-Ring 11, 26759 Hinte
Zu den gewichtigen Äußerungen des Humor- und Literatur-Kritikers Harald M. Baumann aus Westerstede, zu dem Leserbrief von Herrn Gent und den Kolumnen von Herrn Fackert möchte nun auch ich nun ganz bescheiden Stellung nehmen. Denn schon wieder ist eine Woche um.
Ein Kennzeichen deutschen Humors ist es, daß z.B. jeder für den Umwelt- und Naturschutz und die große Mehrheit gleichzeitig gegen die Naturschützer eintritt und jede einzelne Maßnahme zu Natur- und Umweltschutz strikt ablehnt.
Lächelnd unterschreibt die Regierung das Kyoto-Protokoll und gewitzt gehen die Konzerne Selbstverpflichtungen ein. Nur wenn der Umweltminister dann auch noch völlig humorlos an die Umsetzungen der Verinbarungen gehen will, hört der Spaß auf. Wirtschaftsminister Clement, die bekannte Frohnatur, tritt sofort auf den Plan (buchstäblich).
Hier in Ostfriesland scheint wohl auch Herrn Gent inzwischen das Lachen vergangen zu sein, obwohl doch die Auseinandersetzung um den Petkumer Deichweg mit herangekarrtem Umweltminister und diversen Sachbeschädigungen eine so schöne Posse ist. Das gibt Herrn Baumann die Möglichkeit, Herrn Gent Humorlosigkeit vorzuwerfen. Schlimmer noch, er nimmt sogar an, daß Herr Gent die aus Gesundheitsgründen vorgeschriebene tägliche Viertelstunde Lachen nicht ableistet! Fügt man noch sein Eintreten für den Naturschutz hinzu, so muß Herr Gent wohl bald sehr krank werden.
Herr Baumann schreibt etwas von der Gürtellinie von Herrn Fackert. Verwechselt er da nicht was? Meint er nicht den Schlips, auf den Herr Gent getreten ist?
Die Kolumnen von Herrn Fackert zeichnen sich dadurch aus, daß sie nie die Mehrheit oder eine einflußreiche Minderheit aufs Korn nehmen. So kann er sicher sein, immer die meisten Lacher auf seiner Seite zu haben. Über den Humorgehalt möchte ich mich deshalb auch nicht äußern, da ich selten die Meinung von Herrn Fackert teile und so vielleicht verleitet wäre, ein ungerechtes Urteil zu fällen.
Was allerdings Herrn Baumann anbelangt: Ich vermisse in seinem Leserbrief vollständig den Humor, den er von anderen fordert.
Unveröffentlichter Leserbrief:
Leserbrief zum Kommentar "Anarchie in Petkum" Fackert 20.3.2003
Thomas Schumacher Friedhofstr.25, 26789 Leer, Tel:0491 - 9711188
Das war ein schöner Kommentar über die Freigabe des Teekweges als Radspur im Naturschutzgebiet Petkumer Vordeich. Aber warum erst jetzt so harsch, Kollege Fackert? Jetzt ist das Problem (zunächst) entschieden. Statt vorher als Rächer aller verhinderten Radfahrer aufzutreten bedienen sie jetzt nur alle gängigen Klischees. Sowas nennt man im Fußball Nachtreten. Und das ist ein Foul, Herr Fackert! Denn halten wir fest, alle Zeitungen der Region ob Emder Zeitung, Anzeiger Harlingerland und OZ haben sich des Wattenrates bedient. Fairerweise muss ich anfügen, auch meine Zeitung, taz -die tagszeitung- hat die Meldungen des Wattenrates gerne zum Anlass von zusätzlichen Recherchen genommen. Herr Fackert kennt als Chef vom Dienst aus vielen EZ-Artikeln sowohl den Wattenrat, als auch seinen Koordinator Manfred Knake. Den Wattenrat zu diskreditieren weil er, laut Fackert, nur "aus einem gewissen Manfred Knake" besteht, ist Unfug. Genauso könnte man behaupten, "offensichtlich ist eine Partei, wie war doch gleich der Name, in Emden identisch mit einem gewissen Erich Bolinius". Beide, Bolinius wie Knake sind engagiert, zum Glück! Denn sie tun es für ihre Klientel und für die Sache, die ihnen wichtig ist.
Halten wir weiter fest, ein Naturschutzgebiet ist, unabhängig von der Intelligenz der Graugänse, ein solches, weil Behörden es für schutzwürdig halten. Behörden können auch, wie jetzt geschehen, sagen, das Gebiet ist nicht mehr schützwürdig oder nicht so, wie es gedacht haben. Bislang war das Petkumer Vordeichland ein Naturschutzgebiet, seine systematische Zerstörung bis jetzt ungesetzlich. Was in Emden passiert ist war von breiter Öffentlichkeit getragener Rechtsbruch und (leider, leider) keine Anarchie. Warum das Petkumer Deichvorland jetzt weniger schützenswert als vorher, das hätte ich gerne mal gewusst - auch als leidenschaftlicher Radfahrer.