Im Naturschutzgebiet „Emsauen zwischen Ledamündung und Oldersum“ im Landkreis Leer muss es einen ganz besonderen Feinschmecker und „Waidmann“ geben, den man wohl als Gänse-Ripper bezeichnen muss: Drei frischtote Graugänse lagen am 29. Dezember in einem deichnahen Graben im Vogelschutzgebiet, nur das Brustgefieder war gerupft und nur die Gänsebrust war mit bei allen drei Tieren augenscheinlich mit einem scharfen Messer säuberlich herausgetrennt worden. Geräucherte Gänsebrust ist eine Spezialität in Gänsejägerkreisen. Die Gänse waren eindeutig nicht von der Ems angetrieben worden, sie lagen weit unterhalb des Spülsaums.
Natürliche Feinde, die die Gänse gerissen haben könnten, sind auszuschließen: Die Brust- und Gabelbeine der Vögel wiesen zur Fundzeit keine Bissspuren auf, die Hälse waren intakt, die ausgerupften Federkiele zeigten keine Bissspuren. Die deutlich sichtbare Öffnung der Brust, bei beiden Tieren identisch, zeigte frisches Blut, kaum oxidiert. Die Hautlappen der geöffneten Brust waren deutlich „aufgerollt“. Das geschieht, wenn ein menschlicher Finger in den Brustraum greift und versucht, das Fleisch vom Brustbein zu lösen. Ein Fuchs oder Seeadler erbeutet nicht mehrere Gänse auf engem Raum zur selben Zeit. Im Schlick des Grabens lagen noch weitere Knochenreste eines älteren Gänsekadavers.
Die Fundumstände deuten auf einen schon öfter besuchten „Schlachtplatz“ hin. Bei genauer Betrachtung fielen Fußspuren auf, die aus dem Vorland direkt zu Gänsen führten. Die Jagd auf Graugänse in diesem EU-Vogelschutzgebiet ist legal, die Art und Weise der Verwertung der Jagdbeute mit der anschließenden Entsorgung der Kadaver an oder in Gewässern nicht. Diese Entdeckung wirft wieder einmal ein bezeichnendes Licht auf die Jäger, die sich in der Jagdpresse und in den einschlägigen Internetforen als edle Waidgenossen darstellen, in Wirklichkeit aber ganz üble Vogelkiller sind.
Wer bisher immer noch an die Jagd aus „Tier- und Naturschutzgründen“ glaubt oder zumindest hofft, dass die Jäger einem Hege- und Pflegeauftrag gerecht werden, den sie sich immer gern auf die Fahnen schreiben, wird spätestens beim Anblick dieser Grauganskadaver eines Besseren belehrt. Ob es sich hierbei um einen Einzelfall oder aber um gängige „Jagdpraxis“ handelt, ist nicht bekannt.
Am 30. Dezember stellten zwei Polizeibeamte die Tiere sicher. Sie werden zu einem Veterinär gebracht. Inzwischen waren die Vögel aber von Bussarden und Krähen angefressen.