Tourismus und Vogelschutzgebiete vertragen sich in der Regel schlecht. Schon ein einziger Mensch kann bei Annäherung zu erheblicher Unruhe in Brutgebieten sorgen; geschieht dies öfter, werden Bruten auch verlassen. Auf der niederländischen Insel Ameland kann man erleben, dass es auch anders geht. Hier waren Profis am Werk, um eine Lachmöwen- und Brandseeschwalbenkolonie wirkungsvoll vor Mensch und Fuchs zu schützen und die ungestörte Brut dieser Arten zu gewährleisten.
Vogelpolle, Naturschutz mit einfachsten baulichen Maßnahmen
Im Südwesten der Insel liegt die „Vogelpolle“, eine weitläufige, mit Wasserläufen durchzogene eingepolderte Wiesenlandschaft. Unmittelbar vor dem Deich der Vogelpolle, also im Watt, liegt eine Sandbank, auf der Lachmöwen, Brandseeschwalben und vereinzelt auch Küstenseeschwalben brüten, in direkter Nähe des Touristenstromes, der hier ab Mai auf dem Deich, meistens auf dem Fahrrad, vorbeifließt. Östlich der Sandbank treffen sich regelmäßig Wattwanderer in großen Gruppen.
Mit einfachsten baulichen Maßnahmen wurde die Sandbank vom Deich unzugänglich gemacht: Ein breiter wassergefüllter Graben trennt das Brutgebiet vom Deich, das Wasser bleibt durch eingebaute Schotts auch bei Niedrigwasser im Graben stehen. Dazu wurde in der Tourismussaison ein „Schrikdraht“, also ein Elektrozaun, parallel zum Schutzgebiet gezogen. Menschen, Hunde, Füchse oder Schafe werden so effektiv vom Betreten der vorgelagerten Sandbank abgehalten, die Vögel haben sich an die Nähe der Menschen „gewöhnt“, fliegen bei Annäherung nicht einmal mehr auf.
Auch Fotografen, die länger verweilen, um aus nur 15 m Entfernung fütternde Brandseeschwalben zu fotografieren, werden nicht attackiert.
Um voreiligen Schlüssen und Träumen vom „verträglichen“ Miteinander von Vögeln und Menschen vorzubeugen: Das funktioniert nur in Brutgebieten mit fester Nestbindung der Vögel, in oder an Vogelrastgebieten werden die durchziehenden Wat- oder Schwimmvögel Vögel die Menschen meiden und fliehen, auf hunderten von Metern bei Annäherung durch eine einzige Person.
Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: mehr Worte als Taten, ein Vergleich
Da fragt man sich, warum es nach 24 Jahren „Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer“ nicht gelungen ist, ähnlich ungestörte Verhältnisse für Brutvögel zu schaffen. Immerhin vereint die Küstenschutzbehörde (Niedersächsischer Landesbetrieb für Küsten- und Naturschutz, NLWKN), die wasserbauliche Maßnahmen durchführt, den Küsten- und Naturschutz unter einem Dach. Es wäre also ein Leichtes, hier Wasserbau- mit Naturschutzmaßnahmen zu koordinieren.
In der Krummhörn/LK Aurich liegt ein vergleichbares Gebiet wie auf Ameland: die Muschelschillbank von Campen bei Upleward. Dieses Gebiet im Nationalpark Wattenmeer wird nur von Schildern und (defekten) Zäunen vom Deich abgeriegelt, der Zugang ist problemlos möglich. Die Nationalparkverwaltung genehmigte zu allem Überfluss noch in unmittelbarer Nähe der Bank eine Fläche für Kitesurfer in der geschützten Zwischenzone des Nationalparks, in der eigentlich die Verwendung von Drachen verboten ist.
Die Brutvögel der Schillbank unterliegen daher ständigen Störungen und sind im Dauerstress: Spaziergänger, die sich nicht an das Betretensverbot halten, Hunde oder Kitesurfer. Die sich ständig abrupt bewegenden Segel der Kiter wirken wie riesige Vogelscheuchen.
Als 1996 die Erdgasleitung „Europipe“ vom norwegischen Staatskonzern „Statoil“ durch das Watt zwischen Langeoog und Dornumersiel gebaut wurde, sollte als Kompensationsmaßnahme der „Münstersommerpolder“ westlich von Dornumersiel durch Öffnen des Sommerdeiches wieder geflutet werden. Diese bereits planfestgestelle und mit damals ca. 7 Millionen D-Mark veranschlagte Naturschutzmaßnahme im Nationalpark scheitere am ideologischen Widerstand von Deichbehörden, dem immer noch amtierenden Landrat Theuerkauf (Vorsitzender des Nationalparkbeirates!) mit seiner Kreis-SPD, die die Deichsicherheit durch die Öffnung eines kleinen Sommerdeiches gefährdet sahen und Funktionären der Naturschutzverbände BUND, NABU und der Stiftung WWF, die wasserstandsregelnde Betonbauwerke im Sommerdeich ablehnten. Eine einvernehmliche Lösung wurde nicht erreicht, die Kompensationsmaßnahme unterblieb. Heute ist der Münstersommerpolder das traurige Beispiel eines trockenen, überweideten Stück Nationalparks. Im direkt angrenzenden Küstenbadeort Dornumersiel toben jetzt die Lenkdrachenflieger auf ehemaligen Nationalparkflächen, die 2001 bei der Nationalpark-Gesetzesnovellierung der touristischen Nutzung zugeführt wurden. Für Kitesurfer wurde eine Fläche in der geschützten Zwischenzone des Nationalparks im Watt beantragt, die hier seit Jahren illegal surfen.
Das Brutvorkommen im Münstersommerpolder, ebenfalls Zwischenzone im Nationalpark, ist so gut wie erloschen. Die Mittel für die Kompensationsmaßnahme flossen nun in ein verkapptes Küstenschutzprojekt: Auf Langeoog wurde 2002 ein breiter „Damm“ (das Wort Deich wurde aus widmungstechnischen Gründen vermieden) zur Inselsicherung gebaut, auf dem die Touristen nun noch komfortabler in den Osten der Insel gelangen. Im Osten wurde ein ohnehin abgängiger Sommerdeich teilweise geschleift und ein Stückchen Polder wiedervernässt.
Fazit
In Niedersachsen ist es unendlich schwer, tatsächlichen Naturschutz gegen den vielfältigen Widerstand von Deichbehörden, Kommunalpolitikern oder Touristikern zu betreiben, der der Natur auch nützt, in einem Nationalpark! Dafür haben wird aber das Etikett „Weltnaturerbe“, das die heile Naturschutzwelt vortäuscht. Nationalparkverwaltung und NLWKN sollten sich Dienstreisen in die Niederlande genehmigen lassen, dort macht man vor, wie es gehen könnte, auch ohne Nationalpark. Und vor allem sollten sich die Naturschutzverbände wieder offensiv für die Verbesserung der Situation der Küstenvögel vor dem Hintergrund des Massentourismus einsetzen, davon ist seit Jahren nichts zu spüren, seitdem sie am Tropf der Fördergelder des Landes hängen.