#edit 01. März 2013: Ganz unten, nach der Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung, finden Sie eindrucksvolle Müllbilder aus dem Wattenmeer und der Ems. Die Bilder stammen aus dem Archiv von Eilert Voß. Wie der NABU Müll in diesen Mengen und mit ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern händeln will , bleibt das Geheimnis des Naturschutzverbandes. Das Sammeln, Lagern und Entsorgen kann nur professionell mit schwerem Gerät erfolgen, und das kann der NABU nicht leisten.
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Es gibt viel zu tun, sehen wir uns in den Nachbarländern um und machen daraus eine PR-Aktion! Gemeint ist diesmal eine Müllsammelaktion in der Nordsee, gemeinsam vorgestellt vom Land Niedersachsen mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und der Verwaltung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Die Küstenfischer und der „anerkannte“ Naturschutzverband Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind auch dabei, der NABU ganz besonders.
Zitat aus der nachstehenden Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung: „Das Land Niedersachsen und der NABU engagieren sich zukünftig gemeinsam gegen die zunehmende Vermüllung der Nordsee. In der Initiative `Fishing for Litter` helfen niedersächsische Fischer, Abfälle aus dem Meer zu entfernen und umweltgerecht in den Häfen zu entsorgen. […] Um dies zukünftig zu vermeiden, haben das Land Niedersachsen und der NABU der Müllkippe Meer nun gemeinsam den Kampf angesagt.“
Alles wird also gut, oder doch nicht?
Nach mitgliederfischenden gewerblichen Drückerkolonnen an der Haustür oder adressenfischenden Mailingaktionen wie Vogelzählen am winterlichen Futterhaus macht der NABU nun auch den vorgeblichen Nordsee-Müllentsorger. Das klingt zunächst gut und schafft Aufmerksamkeit, nützt aber als PR-Nummer mehr dem NABU, dem NLWKN und der Nationalparkverwaltung als der Nordsee.
Mit dem neudeutschen Begriff „Fishing for Litter“ soll nun das seit Jahrzehnten bekannte und ungelöste Problem angegangen werden: Entfernung des Plastikmülls aus der Nordsee. Abgekupfert hat man beim gleichlautenden Projekt von „Kommunenes Internasjonale Miljøorganisasjon“ (KIMO), das in Schweden, Schottland, Südwest-England und den Niederlanden ebenfalls in ausgewählten Häfen Müll sammelt, aber auch dort das Problem nicht annähernd lösen kann. KIMO hat sich allerdings als internationale kommunale Meeresschutzorganisation weitere Aufgaben vorgenommen, von der Verhinderung von Verschmutzung der Gas- und Ölindustrie, über nukleare Transporte, Schiffssicherheit und die Erfassung von verklappter Munition.
Link: Der Mellumrat e.V.
Mit veranschlagten 66.000 Euro des Landes Niedersachsen und Müllsäcken an Bord von wenigen kleinen Fischereifahrzeugen wird man damit bei den gigantischen Müllmengen in der Nordsee nicht weit kommen. Mit dieser Aktion wird nur ein winziger Bruchteil des Mülls im Promillebereich aufgenommen werden können. Der Großteils des Plastikmülls auf dem Meer versinkt, wird durch Wind und Wellen zu kleinen Stücken zerfetzt oder in den Mikrobereich zerrieben und schädigt so in der Nahrungskette die Meeresfauna. Die Fischerei ist selbst Verursacher der Misere: In den Meeren treiben riesige Mengen unverrottbarer Plastik-Geisternetze, in denen selbst Wale verenden können. Das Problem kann „nachhaltig“ nur durch andere, leicht zersetzbare Kunststoffe und Verpackungsmaterialien und ein verantwortungsbewussteres Verhalten gelöst werden. Der NABU aber nennt sein Projekt gar in völliger Verkennung der tatsächlichen Mengen „Meere ohne Plastik“!
Die Projektpartner erwecken den Eindruck, dass hier Neuland betreten wird: „Die Erkenntnisse aus dem Projekt können uns helfen, Maßnahmen zum Meeresschutz zu entwickeln. Damit kann das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie leisten“, so die Dezernentin des NLWKN Ute Schlautmann. Dabei regelt seit 1988 das MARPOL-Abkommen, wie mit Müll an Bord umgegangen werden muss, ohne dass die Einhaltung des Abkommens und das Verhalten an Bord aber ausreichend kontrolliert werden kann. Für die Entsorgung des angespülten Mülls an den Stränden sind die Landkreise verantwortlich, nicht aber der NABU.
Auf den touristisch genutzten Inseln sammeln Gemeindearbeiter den Müll von den intensiv genutzten Strandbereichen. Auch auf den Vogelinseln Memmert und Mellum wird in jedem Jahr enormer Meeresmüll angespült, gesammelt und mit Schiffen aufs Festland zur Entsorgung transportiert. Die Dimensionen dieser Müllteile passen oft kaum in Plastiksäcke. Dem NLWKN sind diese Müllmengen und die Zusammensetzung des Mülls von jahrzehntelangen Müllentsorgungsfahrten von der Insel Memmert sehr gut bekannt, neue „Erkenntnisse“ wird man also kaum sammeln können.
Mit welchem Personal der NABU zudem die“ Logistik“ des Projekts in den ausgewählten ostfriesischen Kutterhäfen koordinieren will, müsste erläutert werden. Bisher hat der NABU nicht einmal ausreichend engagierte Mitglieder an der Küste, um gegen die ständigen Eingriffe in den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer offensiv vorzugehen, sei es die Verhinderung von neuen, von der Nationalparkverwaltung bereitgestellten Kitesurferflächen in den Schutzzonen, gegen Windparkplanung in der Nordsee in Verbindung mit dem gesundheitsschädlichen Lärm für Meeressäuger, gegen das Schlick- und Baggergutproblem, gegen die Wasservogeljagd in den angrenzenden EU-Vogelschutzgebieten oder gegen den ausufernden Massentourismus ohne Aufsicht durch Ranger. Dazu hört man wenig oder nichts vom NABU.
Die in der Öffentlichkeit so gut klingende Müllaktion ist denn auch mehr als Aktionismus als eine Antwort auf das gravierende Müllproblem im Meer zu bewerten. Am Zustand der Vermüllung der Weltmeere wird diese Aktion nichts messbar ändern können.
Link Wattenrat: http://www.wattenrat.de/2012/03/mull-im-meer-verletzt-und-totet/
Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
27.02.2013
Fischerei und Naturschutz – Gemeinsamer Einsatz für eine saubere Nordsee
Land Niedersachsen und NABU starten Kooperation zum Fishing for Litter
Eingesammelter Müll vom Strand einer Ostfriesischen Insel
Oldenburg/Wilhelmshaven/Bremerhaven/Berlin – Das Land Niedersachsen und der NABU engagieren sich zukünftig gemeinsam gegen die zunehmende Vermüllung der Nordsee. In der Initiative „Fishing for Litter“ helfen niedersächsische Fischer, Abfälle aus dem Meer zu entfernen und umweltgerecht in den Häfen zu entsorgen. Der NABU schloss hierzu jetzt einen Kooperationsvertrag mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Weitere Projektpartner sind die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und das Staatliche Fischereiamt Bremerhaven. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Mit dieser Kooperation kommen wir der Idee eines flächendeckenden Fishing for Litter-Systems in Deutschland einen großen Schritt näher“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Im Jahr 2011 startete der NABU das erste Fishing for Litter-Projekt in der Ostsee, inzwischen beteiligen sich Fischer aus drei Ostseehäfen (Heiligenhafen, Burgstaaken/Fehmarn und Sassnitz) an der Aktion. Im Sommer 2012 gelang mit dem Hafen Norddeich der Sprung an die deutsche Nordseeküste. Der NABU koordiniert dort zukünftig den Aufbau der Logistik und die Absprache der Projektpartner in den Häfen Greetsiel, Ditzum, Dornumersiel und Neuharlingersiel. Weitere Häfen sollen im kommenden Jahr folgen. Das Projekt wird dabei mit über 66.000 Euro durch das Niedersächsische Umweltministerium gefördert. Den Fischern werden kostenlos Industriesäcke zur Müllsammlung an Bord und Container zur Abfallentsorgung in den Häfen zur Verfügung gestellt. Die gefischten Abfälle werden nicht einfach entsorgt, sondern in einer speziellen Sortieranlage auf ihre Zusammensetzung und Wiederverwertbarkeit untersucht. So wollen die Projektpartner mehr über den Müll in der deutschen Nordsee erfahren. Bisher sind verlässliche Daten zur Belastung der deutschen Meeresgebiete durch Abfälle rar. „Die Erkenntnisse aus dem Projekt können uns helfen, Maßnahmen zum Meeresschutz zu entwickeln. Damit kann das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie leisten“, so die Dezernentin des NLWKN Ute Schlautmann. Begleitet wird das Projekt durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und gemeinsame Informationsveranstaltungen der Partner.
Abfälle und insbesondere Plastikmüll sind heute ein großes Problem für die Ozeane. Geschätzte 20.000 Tonnen Müll landen Jahr für Jahr allein in der Nordsee. Die ökologischen Folgen für die Meeresumwelt sind dramatisch. Seevögel und Meeressäuger ersticken oder verhungern an den Abfällen und schon sind auch Fische, Muscheln und Kegelrobben durch Mikroplastik belastet, mit noch unabsehbaren Folgen für das marine Nahrungsnetz. „Schließlich sollten wir als Nationalparkverwaltung alles daran setzen, mögliche Gefahren für unsere Schutzgüter im Nationalpark und Weltnaturerbegebiet abzuwenden“ betont Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Zugleich klagen Fischer über verunreinigte Fänge sowie kaputte Netze, und die Kommunen müssen Millionen Euro für die Reinigung von Stränden und Küsten ausgeben. Um dies zukünftig zu vermeiden, haben das Land Niedersachsen und der NABU der Müllkippe Meer nun gemeinsam den Kampf angesagt.
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Bildergalerie: Müll im Watt. Alle Bilder (C) Eilert Voß/Wattenrat