von Manfred Knake
Dr. Detlef Klahr ist Landessuperintendent der evangelisch-lutherischen Landeskirche im Sprengel Ostfriesland, und er hat eine Meinung zur „Energiewende“, besonders zur Windenergie, die er in der Evangelischen Zeitung geäußert hat. Das ist in Ordnung, Meinungen kann man haben, zu allem und zu jedem. Nur sollte diese auch auf nachprüfbaren Fakten beruhen und keine bloße Glaubenssache sein, wie es bei einem Mann der Kirche nahe liegt.
So vergleicht Dr. Klahr die modernen riesigen Stromerzeuger mit den alten Windmühlen der vorindustriellen Zeit, die in vielen Orten das Mehl für das tägliche Brot mahlten oder Wasserpumpen zur Entwässerung der landwirtschaftlichen Flächen antrieben, wenn der Wind wehte. Andere Möglichkeiten des Energieeinsatzes für diese Zwecke gab es damals nicht, abgesehen von der verlässlicher arbeitenden Wasserkraft in Gebirgsregionen.
Dr. Klahr weiß vermutlich nicht, und da ist er nicht alleine, dass die moderne Stromerzeugung mit Windgeneratoren nur im Zusammenspiel mit Gas-, Kohle- oder (noch) Atomkraftwerken funktioniert. Thermische Kraftwerke kommen ohne Windkraftwerke aus, aber Windkraftwerke sind auf regelbare Kraftwerke, die die Grundlast verlässlich abrufbar liefern und das Netz stabil halten, angewiesen. Schaltete man diese thermischen Kraftwerke ab, könnten auch hunderttausende Windkraftanlagen bei bestem Wind keinen Strom ins Netz einspeisen, nicht eine einzige Glühlampe würde leuchten, noch nicht einmal eine Energiesparlampe.
Dr. Klahr wird auch keine grafischen Ganglinien kennen, die anschaulich die schwankende und unzuverlässige Einspeisung aus Wind- oder Solarenergie dokumentieren, oder die Zahlen der geringen Auslastung von Windkraftanlagen im Jahresverlauf und die geradezu lächerliche der Photovoltaik. Das hat etwas mit Physik zu tun, mit lastabhängiger und jederzeit verlässlicher Stromerzeugung, Regelenergie, Netzstabilität, 50 Hertz und 230 Volt.
Windenergie ist also eine additive Energie, obendrauf zur konventionellen Stromerzeugung, keine Alternativenergie, die heimliche Schwester auch der Atomenergie im Netz, aber das muss man als Kirchenmann nicht wissen. Und es gab zu den historischen kleinen Windmühlen aus Stein, Holz oder Lehm auch keine Hochspannungsleitungstrassen und keine Schwerlast-Transportstraßen, die für jede einzelne moderne Windkraftanlage zu Bau- und Wartungszwecken gebaut werden müssen.
Auch kennt Dr. Klahr nicht die Abgründe des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG), das die Stromeinspeisung für wenige Betreiber zu völlig marktunüblichen hohen Preisen mit hohen Renditen garantiert und von allen Stromkunden mit der Stromrechnung über eine gesetzliche Zwangsabgabe subventioniert wird, eine risikoloses Geschäftsmodell und „Lizenz zum Gelddrucken“, zu Lasten der Stromkunden. Nur das EEG ist der Motor der „Energiewende“, ein Konjunkturprogramm für die Energiewirtschaft, die Hersteller und Betreiber. Kein konventionelles Kraftwerk wird dafür überflüssig, der Verbrauch an Kohle oder Gas für zusätzliche notwendig werdende Regelkraftwerke wird steigen, Atomkraftwerke jenseits der deutschen Grenze werden bei winterlichen Stromengpässen auch Deutschland mit versorgen müssen. Vermutlich ist die „Energiewende“ auch nur ein geschicktes politisches Manöver der wendigen Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihren Machterhalt, um bei der nächsten Bundestagswahl vom grünen Rand „nachhaltig“ Wählerstimmen abzuschöpfen; auch Angst macht brave Wähler. In unserem Land, 9.000 km von Japan mit seiner Tsunamiekatastrophe und anschließender Atomkraftswerkshavarie entfernt, wurden daraufhin die Geigerzähler und Jodtabletten knapp. Auch das sagt etwas über die gesteuerte Bewusstseinslage in Deutschland aus.
Die nächste saftige Preiserhöhung steht allen Stromkunden bereits ins Haus. Auch Dr. Klahr wird diesen hohen Strompreis zahlen müssen, und das vermutlich für die „Bewahrung der Schöpfung“, wie er sich ausdrückte, auch gerne tun. Nur „bewahrt“ die Windkraftnutzung „die Schöpfung“ nicht, sie verletzt oder tötet. In diesem Sommer trieben allein in Schleswig-Holstein mehr als 130 tote Kleine Tümmler oder Schweinswale an die Westküste, zeitgleich wurden vor Borkum mit unglaublichen hohen Lärmwerten Fundamente für Offshore-Anlagen gerammt. Lärm schädigt die Ortungsorgane der Wale und kann so zu erheblichen Verletzung und zum Tode führen. Vögel und Fledermäuse werden häufig Opfer, wenn sie an oder in die Rotoren geraten. Entweder platzt die Lunge wegen der Luftdruckunterschiede vor und hinter dem Rotor, oder die Tiere werden zerhackt. Riesige Rastvogellebensräume von ziehenden Vögeln aus Nordeuropa und der Arktis wurden in Ostfriesland von idyllisch klingenden Wind“parks“, die in Wirklichkeit gigantische Industriegebiete in vorher unverbauten Landschaftsräumen sind, vernichtet. Eine einzige Anlage entwertet schon mehrere Hektar Rastgebiete durch den Scheucheffekt, ohne zu töten. Das ist alles untersucht kann im Internet von jedermann nachgelesen werden. Wenn man diese Zusammenhänge und vor allem die z.T. streng geschützten Arten und deren Lebensansprüche, die hier in Ostfriesland in jedem Jahr Station machen, nicht kennt, kann man leicht und unverbindlich fürs Kirchenvolk von der „Bewahrung der Schöpfung“ schwätzen, ohne etwas dafür tun zu müssen. Sollte man es „scheinheilig“ nennen? Herrn Dr. Klahrs „Meinung“, seit Jahren von der Mainstreampresse wie ein Propagandatrommelfeuer in die ahnungslosen Hirne geschrieben, blieb in der Evangelischen Zeitung nicht unkommentiert, es gab einen Leserbrief dazu, der auch abgedruckt wurde. Den können Sie ganz unten nachlesen. Dem Verfasser sei für die Überlassung gedankt.
Und zum Schluss noch eine konstruktive Anregung für Herrn Dr. Klahr: In jedem Jahr kommen weltweit mehr als 1,2 Millionen Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben, mehr als 50 Millionen Menschen werden dabei verletzt, oft schwer. Auch das hat Ursachen: aggressive Fahrzeugwerbung, völlig übermotorisierte Fahrzeuge, PS-Protzerei, Raserei, auch von Christen. Dr. Klahr, bitte übernehmen Sie…
Der vollständige Text ist hier nachzulesen: http://www.evangelische-zeitung-niedersachsen.de/ez-online/meinung/2012/41
Evangelische Zeitung, 41/2012: Energiewende jetzt
Meine Meinung
Seit Jahrhunderten drehen sich die Mühlenräder und klappern idyllisch am rauschenden Bach oder drehen ihre modernen Rotorblätter in großer Zahl auf den weiten Flächen nah der Nord- und Ostsee. Menschen wussten früh die Energie des Windes zu nutzen und sich dienstbar zu machen, vor allem, wenn es dabei um das Mehl für das tägliche Brot ging. […] Die Energiewende – weg von der Atomkraft hin zu erneuerbaren Energien – ist eingeläutet und gewollt. Es gilt, sie nun zügig und zukunftsweisend umzusetzen. Das wird nicht ohne Konflikte und Interessenkollisionen möglich sein und schon gar nicht ohne Kosten.
Dennoch: Jetzt sind die Bürger dieses Landes dran und müssen zeigen, dass sie diese Wende wollen und auch akzeptieren. Nicht um jeden Preis, aber um den Preis, der nötig ist, wenn es darum geht, die Schöpfung zu bewahren. Den kommenden Generationen die Kosten und Belastungen von weiterem Atommüll aufzubürden, ist jedenfalls keine Alternative.
Dr. Detlef Klahr, Landessuperintendent im Sprengel Ostfriesland
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Leserbrief: Zu Nr. 41, Seite 18, „Meine Meinung: Energiewende jetzt“ von Landessuperintendent Detlef Klahr:
Schulterklopfen
Ich habe mich verwundert gefragt, ob das wirklich mein Regionalbischof für Ostfriesland ist, der in der Region lebt und doch ganz offensichtlich blind ist für die sich ihm hier bietende großflächige und außer Kontrolle geratene Zerstörung von Natur und Landschaft.
Sieht er nicht die Wälder von Windkraftanlagen an der Küste, sieht er nicht die sich ausbreitenden Maissteppen, und sieht er nicht die schon abgeräumten Maisschläge, die bis zum Rand mit Gülle vollgepumpt werden? Sieht er nicht die hektarweise Belegung von Grün- und Ackerland mit Photovoltaik, die wertvolle Nahrungsflächen zudeckt? Ist das wirklich zukunftsweisend, ist das noch Bewahrung der Schöpfung? Und was bedeutet seine Forderung nach zügiger Umsetzung?
Die Umsetzung ist in weiten Teilen zu einem Spekulationsobjekt verkommen, verläuft Hals über Kopf und unkoordiniert und ist schon gar nicht ohne Kosten möglich, wie Dr. Klahr selbst lapidar feststellt, das sind Kosten, die sogar bei Bauverzögerung die Verbraucher tragen. Brauchen wir neben Suppenküchen, Tafeln und Arbeitslosenfrühstücken demnächst auch noch einen Armenstrom?
Statt regionalbischöflicher Generalabsolution für den fast wie einst am Klondike ablaufenden Goldrausch hätte ich mir ein Innehalten und eine differenzierte Stellungnahme gewünscht. Dafür lese ich etwas über das Mehl, dasfür das tägliche Brot gemahlen wurde. Das ist zwar fromme Denkungsart, geht aber am Ernst und der Komplexität der gegenwärtigen Situation völlig vorbei. Großmütiges Schulterklopfen und unkritisches Anhängen an den Mainstream machen die Kirchen keine Spur attraktiver, enttäuscht sind aber viele, die Fragen stellen und Mitsuchen erwarten.Übrigens: Ich bin seit vielen Jahren Befürworter einer Energiewende und habe als Naturschutzbeauftragter des Landkreises Aurich die durchaus hoffnungsvollen Anfänge der Windenergienutzung in Ostfriesland aus großer Nähe erlebt.
Gerhard Neubacher, Hage