Seehunde sind schuld am Verfall der Krabbenpreise, sagen die Küstenfischer

Der Seehund ist wieder mal an allem schuld

Dirk Sander, Präsident des Landesfischereiverbandes Weser Ems und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer Weser-Ems e.V., hat den Verursacher des Preisverfalls bei Krabben ausgemacht: Es ist der Seehund, oder bezeichnender Weise auch der „Gemeine Seehund“ genannt, der sich nicht an die Marktregeln hält. Sanders simple Fischerlogik, vor CDU- Politikern unwidersprochen am 05. September 2011 in Neuharlingersiel im LK Wittmund geäußert, lautet so (der anwesende Europaabgeordnete Hans- Gerd Pöttering, CDU, soll fleißig mitgeschrieben haben):

„“Die Fressfeinde der Krabben, die Fische, werden von Seehunden verspeist, deren Zahl stark gestiegen sei. Jeder der gut 18 000 Seehunde an den Küsten von Niedersachsen und Schleswig- Holstein verzehre rund fünf Kilo Fisch pro Tag. „Auf Sandbänken, wo früher zehn Seehunde lagen, zähle ich heute bis zu 400“, sagte Sander gestern bei einer Diskussionsveranstaltung der Wittmunder Kreis-CDU in Neuharlingersiel.“

Die derzeit zunehmenden Seehundbestände fressen also die Fische, die sonst die Krabben fressen, den Krabben fehlt es an Fressfeinden, daher gibt es ein Überangebot an Krabben, der Preis verfällt und das Einkommen der Krabbenfischer wird geschmälert, Nahrungskettenbiologie a la´ Küstenfischerei. Und schuld ist wieder mal der Seehund, der eben nicht von Spaghetti und Pommes leben kann, sondern, wer hätte das gedacht, neben anderen Meerestieren auch Fische frisst. Früher, bis in die 1970er hieß daher die „logische Folgerung“: totschießen.

Nicht aber der Seehund, sondern die Fischereindustrie plündert die Meere, und Naturschutz hört bekanntlich unter der Wasseroberfläche nicht auf. Längst hat sich die Industrie der Meere und des Wattenmeeres („Weltnaturerbe“) bemächtigt und beutet die Bestände an Fischen, Muscheln und Krabben aus, ohne irgendeinen Beitrag zur Sicherung der Bestände zu leisten. Plattfische wie Seezunge oder Scholle sind im Wattenmeer längst überfischt und haben sich in die Nordsee zurückgezogen. Möglicher Weise hat dazu auch die seit einigen Jahren gemessene Erwärmung dieses Flachmeeres beigetragen, die aber jetzt schon wieder abklingt. Laut Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) befindet sich die Nordsee seit 1988 in der längsten und intensivsten Warmphase seit Beginn der Messungen im Jahr 1873, das ist aber nüchtern betrachtet nur ein sehr kleines Zeitfenster für sichere Bewertungen. Bereits 2010 kühlten die oberen Wassertemperaturen wieder deutlich ab. Man muss dabei auch natürliche Schwankungen von Kalt- und Warmphasen berücksichtigen. Dazu gibt es immer noch einen starken Nährstoffeintrag (Eutrophierung) in die Nordsee aus den Flüssen. Auch dadurch könnten sich Garnelen oder Krabben, auch Granat genannt, stark vermehrt haben. Das Angebot ist in den letzten Jahren so groß gewesen, dass die „Erzeugerpreise“ (allerdings haben die Fischer nichts „erzeugt“, sondern nur herausgeholt!) so stark gefallen sind, dass sich der Fang für die Küstenfischer schon nicht mehr lohnt. Die Fischer haben dabei nicht nur ihren „Zielfang“, sondern auch ganz nebenbei ganz andere Tiere mit aus dem Meer gefischt, und hinterher wieder tot oder schwer geschädigt wieder zurück ins Meer gekippt. Dieser nicht beabsichtigte Fang wird als Beifang bezeichnet.  Die mit den Netzen an Bord gehievten Fische, Seesterne etc., aber auch Vögel oder Meeressäuger, kommen größtenteils bereits tot, verletzt oder sterbend an Bord. Nur ein kleiner Teil des Beifanges wird überhaupt genutzt, der größte Teil hingegen geht als „Abfall“ wieder über Bord, der gerne von den schiffsbegleitenden Möwen gefressen wird. „Discard“ ist der Fachausdruck für den über Bord geworfenen Beifang.

Möwen zeigen schon von weitem den über Bord gehenden Beifang an, im Hintergrund eine Seehundbank

Beifang ist das Ergebnis von nicht selektiver Fangausrüstung und Fischereitechnik. Gerade die  Grundschleppnetze der Küstenfischerei führen zu einem hohen Beifanganteil. Genaue Zahlen über der die Menge des Beifangs gibt es nicht. Registriert werden nur die an die Welternährungsorganisation (FAO) gemeldeten Fangerträge. Was ungenutzt über Bord geht, wird nicht erfasst. Schätzungen, je nach Fangtechnik, gehen aber von durchschnittlich einem Drittel bis zu einem Viertel des Fanges aus, dass jährlich mehrere Millionen Gewichtstonnen Beifang wieder über Bord gehen. Sicher ist aber, dass das Verhältnis zwischen Fang und Beifang grotesk ist.

Kollateralschäden der Krabbenfischerei

Dies verschärft die Problematik der ohnehin schon starken Überfischung bei einigen Arten immens. Verantwortlich für den enormen Bestandrückgang bei vielen Fischarten ist also nicht der Seehund, sondern die Fischereiindustrie selber. Den Seehunden wird durch die großen Beifangmengen zudem die Nahrung entzogen. Von der Tourismusindustrie werden die Küstenfischer wegen ihrer malerischen Kutter gehätschelt, weil diese umsatzfördernd die Prospektidylle und die Hafenkulissen optisch aufwerten. Was die  Fanggeschirre dieser Bilderbuchschiffe unter Wasser, auch im „Weltnaturerbe“ Wattenmeer anrichten, bleibt indes unerwähnt.

Fischereifunktionär Dirk Sander als Redner beim 25-jährigen Jubiläum des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer

 

 

Um die Preise künstlich hochzuhalten, haben die Küstenfischer in Deutschland und den Niederlanden auch schon mal zu ungesetzlichen Methoden gegriffen und grenzüberschreitend illegale Preisabsprachen getätigt, das flog auf und wurde von niederländischen Kartellwächtern verfolgt und mit einem Bußgeld von 250.000 Euro geahndet. Verantwortlich war u.a. der Küstenfischer Dirk Sander  von der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer Weser-Ems. Pro Fischer wären ca. 5000 Euro Bußgeld fällig gewesen, die konnten angeblich nicht aufgebracht werden. Also stellte Dirk Sander mit einem Kollegen am 9. Juni 2011 beim Amtsgericht Oldenburg Insolvenzantrag für die Erzeugergemeinschaft.

weser-ems.business-on.de, 14. Juni 2011

Wegen Bußgeld
Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer insolvent

Oldenburg. Die Verantwortlichen der Erzeugergemeinschaft der Küstenfischer Weser-Ems, Dirk Sander und Gerd Willems, haben am 9. Juni 2011 beim Amtsgericht Oldenburg Insolvenzanttrag gestellt. […] Hintergrund der Insolvenz ist ein hohes Strafgeld, welches im Rahmen eines niederländischen Kartellverfahrens gegen die Erzeugergemeinschaft verhängt wurde. Die niederländischen Kartellwächter sehen es als erwiesen an, dass sich deutsche und niederländische Fischer grenzüberschreitend bei den Preisen abgesprochen haben sollen.[…]

Toter Beifang, unten Aalmuttern oder plattdeutsch "Puutaal". Diese kommerziell nicht verwerteten Fische werden den Seehunden als Nahrung entzogen.

Die politisch hoch motivierten, aber fachlich nicht ganz fitten ortsnahen Politiker der Partei „Die Grünen“ aus Esens indes schmusten vor der Kommunalwahl im September 2011 schon mal stimmenheischend mit den Küstenfischern, statt als „Ökos“ klar Position für eine notwendige ressourcenschonende Fischereireform zu beziehen. In einem gemeinsamen Gespräch mit Dirk Sander auf der Ortsvereinsebene zeigten sich die Grünen „betroffen“; nicht aber über die unglaublichen Massaker unter Wasser, sondern über die anstehende EU-Fischereireform, u.a. den Beifang zu verbieten: Bei der noch nicht beschlossenen Fischereireform auf EU-Ebene fordern die Küstenfischer noch Nachbesserung, z. B. dass das Discard  (Beifang)-Verbot in eine Discards-Vermeidung umgewandelt wird. Die Grünen aus Esens: „Es ist schon grotesk, dass der kleine Beifang nicht wieder ins Meer geworfen werden darf, aber mangels möglichen Absatz an Land dann dort später weggeworfen wird“. Und: „Die Grünen wollen die Fischer weiterhin unterstützen und über ihre politischen Gremien versuchen, dass bei der noch nicht beschlossenen EU-Fischereireform noch Nachbesserungen aufgenommen werden.“  Was unterscheidet also eigentlich die Grünen noch von der CDU, sie befinden sich bereits auf der schwarzen Überholspur!

Link (Video): UK trawler filmed dumping tonnes of fish

Link: MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Eine Politik zur Reduzierung unerwünschter Beifänge und zur Abschaffung von Rückwürfen in der europäischen Fischerei FOLGENABSCHÄTZUNG Zusammenfassung

Link: EU-Kommission: Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik

 

Ostfriesen Zeitung, S. 16, Wirtschaft, 06. Sept. 2011

Fischer: Seehunde sorgen für Preisverfall beim Granat Bei einer Diskussionsveranstaltung in Neuharlingersiel brachte Branchenvertreter Dirk Sander gestern auch Abwrackprämien für alte Kutter ins Spiel.

UMWELT Die Tiere fressen die Fische, die sonst das Krabben-Angebot auf natürliche Weise knapp halten

VON MANFRED STOLLE

NEUHARLINGERSIEL – Vor der Küste gibt es Unmengen von Granat – und das sorgt derzeit für einen Preisverfall. Die ostfriesischen Krabbenfischer bekommen nach eigenen Angaben gerade noch 2,50 Euro für ein Kilo ungeschälter Ware. Zu wenig sei das, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Dass es so viel Granat gibt, hat nach Angaben von Dirk Sander (Neßmersiel), dem Chef der Erzeugergemeinschaft Weser-Ems, eine natürliche Ursache: Die Fressfeinde der Krabben, die Fische, werden von Seehunden verspeist, deren Zahl stark gestiegen sei.

Jeder der gut 18 000 Seehunde an den Küsten von Niedersachsen und Schleswig- Holstein verzehre rund fünf Kilo Fisch pro Tag. „Auf Sandbänken, wo früher zehn Seehunde lagen, zähle ich heute bis zu 400“, sagte Sander gestern bei einer Diskussionsveranstaltung der Wittmunder Kreis-CDU in Neuharlingersiel. Zwar gebe es immer noch genug Fisch – allerdings sei der für die Ostfriesen zu weit draußen unterwegs. Denn die Kutter dürften zum Fischen eben nur bis zu 35 Seemeilen hinausfahren, so Sander. An Dorsch und Seezunge rund 80 Seemeilen vor der Küste komme man nicht heran. Der Europaabgeordnete Hans- Gerd Pöttering (CDU) informierte sich gestern über die Probleme der Küstenfischerei. Der Preisverfall beim Granat und die Seehunde waren dabei nur ein Thema. […]

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