In der Kugelbake-Halle in Cuxhaven tanzte am 07. Mai der Knutt. Das letzte Aufgebot im niedersächsischen Wattenmeer-Nationalpark, die „Junior-Ranger“, brachte die geladenen Gäste mit einem Tanz dieses Watvogels in Bewegung, der Rest war fast ausschließlich platteste Selbstbeweihräucherung. Der Dampfplauderer des Norddeutschen Rundfunks, Ludger Abeln, führte launig durch das Programm, in der Veteranen des Nationalparks zu Wort kamen. Mitglieder des Wattenrates, schon vor der Gründung des Nationalparks im Wattenmeer aktiv, waren offiziell nicht eingeladen, wen wundert´s!
Hätte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) als Gastgeber Ähnlichkeit mit der Marionette Pinochio, wäre er der Umweltminister mit der vermutlich längsten Nase in der Republik. Nur: Umweltminister Sander ist keine Marionette, er zieht die Fäden selbst und hat andere (wie die finanziell abhängigen Naturschutzverbände) fest am Band. Gemeinsam mit Pinochio hat er aber, mit der Wahrheit sehr kreativ umzugehen.
Seine Eloge auf den Nationalpark war nur „schön“, aber inhaltlich ein Graus:
„´Wer hätte vor 25 Jahren bei der Gründung des Nationalparks gedacht, dass sich heute die verschiedenen Nutzer- und Interessengruppen so harmonisch zusammenfinden, um gemeinsam unseren Nationalpark zu feiern?` Mit diesen Worten brachte heute Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander auf den Punkt, was die gut 500 Geburtstagsgäste des Nationalparks bei der Feier in der Cuxhavener Kugelbakehalle empfanden.“, oder: „Die Anerkennung des deutsch-niederländischen Wattenmeers als UNESCO-Weltnaturerbe vor knapp zwei Jahren sei nicht nur ein Glücksfall für die Natur. Diese Auszeichnung zeige auch, dass der Lebensraum durch den Nationalpark seit 25 Jahren vorbildlich geschützt und erhalten wurde“, als ein Beispiel von vielen Sprechblasen aus der Presse.
Genau ist der Punkt: Die zur Schau getragene Scheinharmonie verhindert die Weiterentwicklung dieses Großschutzgebietes unter naturschutzfachlichen Kriterien, die Qualitätsdefizite sind enorm und lassen sich auch nicht mit einer Jubiläums-Inszenierung wegdiskutieren. Der Wattenrat hat sie hier skizziert. Die Nationalparkwirklichkeit sieht also ganz anders aus. Bis vor fünf Jahren war es zudem guter Brauch, dass die Naturschutzverbände in Niedersachsen unter Federführung des WWF regelmäßig „Nationalparkbilanzen“ öffentlich vorstellten, in denen die Entwicklungen und Defizite dargelegt wurden. Zum 25 jährigen Nationalparkjubiläum erschien zum ersten Mal keine „Bilanz“, ein weiteres Indiz dafür, dass sich die 14 „anerkannten“ Verbände in Niedersachsen weitgehend aus der Wattenmeerarbeit zurückgezogen haben. Dieses Vakuum nutzen die Tourismusverbände gnadenlos aus: Der Nationalpark wurde nach der Nominierung als „Weltnaturerbe“ als Beute der Tourismusindustrie vermarktet, mit dem Ziel, die Übernachtungszahlen noch weiter zu steigern, eine Lenkung und Kontrolle durch professionelle Ranger findet kaum statt. Derzeit marschieren die jährlichen Übernachtungszahlen an der Küste von Cuxhaven bis Emden an die 40 Millionen-Marke heran!
Nur insgesamt sechs hauptamtliche Ranger auf den Inseln und in Cuxhaven kontrollieren die Schutzinghalte im Nationalpark, ohne Kompetenzen, Boote oder Fahrzeuge, auf fast 3.500 qkm Fläche! Dafür werden geschickt die „Junior Ranger“ in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geschoben, das Donald Ducksche Fähnlein Fieselschweif des Naturschutzes, Kinder ab 9 Jahren, die lernen, wie man ein Fernglas hält oder einen Wattwurm bestimmt, vielleicht der dringend benötigte Naturschutznachwuchs von morgen, aber eben keine Ranger. Von der recherchefaulen Presse wurden sie in einer falschen Bildunterschrift gar als die besucherlenkende Instanz vorgestellt: “Sie führen die Besucher an das Naturerlebnis Wattenmeer heran.“ (Nordsee-Zeitung, Bremerhaven, online, 09. Mai 2011)
Fischer dürfen auch nach wie vor Miesmuscheln aus dem Watt herausreißen und das Sediment schädigen; Elektrokabel für die Anbindung von Offshore-Wind“parks“ werden in den die strengsten Schutzzonen verbuddelt. Kitesurfer dürfen nun in vielen Zwischenzonen von Emden bis Cuxhaven die Vögel verscheuchen, obwohl das nach dem Nationalparkgesetz verboten ist, fragwürdige „Befreiungen“ der Nationalparkverwaltung machen es möglich. Baggergut wird an vielen Stellen des Nationalparks wie auf einer Müllkippe verklappt.
Die Tiere und Pflanzen des Nationalparks indes, um die es eigentlich geht, merken nichts von dem vorgeblichen „vorbildlichen Schutz“. Ihre Nachrufe stehen auf den Blättern der „Roten Listen“. Sand- und Seeregenpfeifer und die Zwergseeschwalben kämpfen derzeit mit zahlreichen anderen Arten in diesem „vorbildlich geschützten Gebiet“ um ihr Überleben.
Und wo bleibt nun das Positive? Unser Berichterstatter und Fotograf Eilert Voß konnte der Veranstaltung dennoch etwas abgewinnen: „Die gereichten Häppchen des kalten Büffets waren gut“, merkte er an.
Anzeiger für Harlingerland, Witmund, u.a., 09. Mai 2011
Nationalpark feierte Geburtstag ganz groß
Jubiläum 500 Gäste in gratulierten / In 25 Jahren viel erreicht
Festakt in Cuxhaven: Auszeichnung für Ehrenamtliche und gemeinsamer Rückblick.
CUXHAVEN/WILHELMSHAVEN –
„Wer hätte vor 25 Jahren bei der Gründung des Nationalparks gedacht, dass sich heute die verschiedenen Nutzerund Interessengruppen so harmonisch zusammenfinden, um gemeinsam unseren Nationalpark zu feiern?“ Mit diesen Worten brachte heute Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander auf den Punkt, was die gut 500 Geburtstagsgäste des Nationalparks bei der Feier in der Cuxhavener Kugelbakehalle empfanden.
„25 Jahre Nationalpark Wattenmeer – das ist ein Grund zum Feiern“, so der Minister. Standen sich anfangs Nutz- und Schutzinteressen scheinbar unvereinbar gegenüber, so ist es über all die Jahre gelungen, „die Hindernisse in den Köpfen und Herzen der verschiedenen Akteure auszuräumen“. Für diese erfolgreiche Arbeit bedankte sich Sander ausdrücklich bei der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven. Die Anerkennung des deutsch-niederländischen Wattenmeers als UNESCO-Weltnaturerbe vor knapp zwei Jahren sei nicht nur ein Glücksfall für die Natur. Diese Auszeichnung zeige auch, dass der Lebensraum durch den Nationalpark seit 25 Jahren vorbildlich geschützt und erhalten wurde.