Dr. Daniel Hoffmann, Wildbiologe, schießt sich in der Jagdzeitung „Wild und Hund“ auf die Gegner der Gänsejagd ein. Während auch in Vogelschutzgebieten, wie z.B. an der Ems, in der Dunkelheit und bei Nebel auf Gänse und Enten geschossen wird, deren Artzugehörigkeit auch Kenner bei diesem Licht nur schwer oder gar nicht bestimmen können, lässt sich Dr. Hoffmann im Jägerblatt über wissenschaftlich ausgebildete Ornithologen aus. Werner Hupperich hat seinerseits die Äußerungen von Dr. Hoffmann aufs Korn genommen. Wir danken für seinen Beitrag.
„Wild und Hund“ 19/2010: Ein Jäger versucht sich in Wissenschaftskritik – und verhebt sich dabei erwartungsgemäß..
Dr. Hoffmann oder: Wie ich lernte, die Gänsejagd zu lieben1
In Wild und Hund, Ausgabe 19 aus 2010, widmet sich unter dem Titel „Fragwürdige Beweise“ Dr. Daniel Hoffman dem Thema Gänsejagd und beansprucht für den von ihm verfassten Artikel eine „sachdienliche Argumentation“2. Im Hinblick auf besagte „sachdienliche Argumentation“ vermeint Dr. Hoffman bei, Zitat: „..einem Großen Teil in Verbänden organisierter Ornithologen“ hingegen ein Defizit festzustellen. Dr. Seltsam – pardon: Dr. Hoffmann – bezeichnet in seinem Artikel gar wissenschaftliche Publikationen international renommierter Gänseexperten als „fragwürdig“. Ferner beklagt sich Hoffmann über „subjektive Wissenschaft“ (ebenda). Grund genug, den sich selbst über jede Fragwürdigkeit erhebenden Herrn Dr. Hoffmann so wie dessen im Artikel getätigte Äußerungen einmal einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
Zunächst einmal verwundert es, zumindest ein wenig, dass der sachdienlich-argumentativ über jeden Zweifel erhabene Dr. Hoffmann ausgerechnet „Wild und Hund“ als Plattform für sein „Peer Reviewing“ (besser: für das, was er dafür hält..) auswählt. Anbieten würde sich doch für „sachdienliche Argumentationen“ vielmehr jene wissenschaftliche Fachliteratur, in welcher die seitens Dr. Hoffmann kritisierten Ornithologen den (seines Erachtens) „Blödsinn“ zu veröffentlichen pflegen. So aber erreicht Dr. Hoffmanns Kritik ja leider nicht jenes Publikum – die von o.a. „unsachlichen Ornithologen“ mittels „zweifelhafter Befunde“ getäuschte – Wissenschaftsöffentlichkeit, sondern bloß Jäger. Auch wenn die Stammleserschaft von „Wild und Hund“ ihre Hobbyzeitschrift als waidmännische Variante des „Science Magazine“ begreifen mag, geht doch zweifellos solche Annahme an der Realität zumindest knapp vorbei. Was sich vielleicht auch ein Stück weit in den begrenzten Kompetenzen der dort schreibenden Autoren begründet. Ein wissenschaftstheoretisches Grundseminar – vielleicht wäre das Angebot eines solchen z.B. an Volkshochschulen heranzutragen, um auch Waidmännern die eine oder andere Blamage zu ersparen – hätte hier vielleicht wahre Wunder zu bewirken vermocht.
Etwa hätte Dr. Hoffmann dann zu wissen vermocht, dass zwar die Konsensustheorie der Wahrheit (Habermas) in den Wissenschaften der Objektivität zur Rolle eines Ideals [!] verholfen haben mag, schlechterdings (Popper, Horkheimer, Adorno, Hegel, Schopenhauer et al.) aber lediglich (ohne wahrnehmendes Subjekt nun mal kein wahrgenommenes Objekt) eine SUBJEKTIVE sein kann. Husserl, Glaserfeld und Peirce hatten dazu (Stichwort Semiotik) im Übrigen ebenfalls einige Tausend Seiten an Literatur verfasst. Allerdings fürchte ich, dass Dr. Hoffmann sich lediglich auf die Banalität einer vom Beobachter unabhängig formulierten Beschreibung eines Sachverhaltes bezog.
Mit anderen Worten: Allein die Ausdrucksweise der kritisierten Ornithologen passt ihm nicht. Nun, dies kann natürlich auf „syntaktische Inkompatibilitäten“ zurück zu führen sein. Ohne das Thema näher ausbreiten zu wollen: Es gibt in diesem Zusammenhang übrigens seit geraumer Zeit Bestrebungen seitens der Wissenschaftstheorie, die Formulierungen in Forschungsarbeiten zu subjektivieren, d.h. die „Ich-Form“ zu verwenden. Nicht irgendwelche abstrakt-objektivierten „Über-Wesen“ führen z.B. Experimente durch, entwickeln Ideen und Hypothesen, sondern Individuen bzw. Subjekte. Aber das verwirrt womöglich Herr Dr. Hoffmann nur zusätzlich. Vermutlich wollte er auch mit seinem Hinweis auf „subjektive Wissenschaft“ einfach nur – wohlklingend in Worte gehüllt – nichts sagen.
1) Assoziationen zu Stanley Kubricks Film „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1964) sind durchaus beabsichtigt. Wie im Weiteren gezeigt wird, beschränken sich die Parallelen zu Kubricks Film keineswegs in Hoffmanns verschwörungstheoretischen Ansätzen, sondern lassen sich primär an der Methodik festmachen, welcher sich Hoffmann in seiner (wenig sachlichen aber um so leidenschaftlicher vorgetragenen..) Kritik bedient.
2) Seite 36, erster Absatz. Gegen Hoffmanns Intension einer wissenschaftlich seriös vorgetragenen Kritik spricht, was an dieser Stelle festzuhalten wäre, zunächst also bereits das gewählte Medium. Das ist insofern bemerkenswert, da Hoffmann einen gezielten Angriff auf Prof. Hans-Heiner Bergmann dadurch zu konstruieren versucht, dass sich Befunde Prof. Bergmanns [auch!] auf den Internetseiten einer jagdkritischen Organisation finden. Also: Der Abklatsch einer „BRAVO für Apologeten der Jagd“ betrachtet Hoffmann als angemessenes Medium, im Fall von Prof. Bergmann erscheint ihm aber eben diese Wahlfreiheit des Mediums als (zumindest) bedenklich. Abgesehen davon, dass es in seriösen fachlichem Diskurs zu Recht verpönt ist, sich selbst durch Diffamierung der Quelle vor inhaltsbezogener Kritik drücken zu wollen, spricht die Befleißigung solcher „Scheuklappenrhetorik“ buchstäblich Bände. Selbst wenn z.B. die Al Quaida einen Aufsatz Sir Isaac Newtons veröffentlicht, so macht das Newton noch längst nicht zu einem Terroristen. Dieses Risiko scheint sich für Dr. Hoffmann allerdings als vernachlässigbar darzustellen – mangels wissenschaftlicher Publikationen.
Neben einigen kommerziellen Auftragsarbeiten des „Büro für Naturschutz und Landschaftsökologie“, in welchem Dr. Hoffmann die Position des geschäftsführenden Gesellschafters einnimmt, lassen sich keinerlei wissenschaftliche Publikationen recherchieren. Nicht einmal Zitierungen lassen sich auffinden. Angesichts seines Anspruchs auf sachdienlich-argumentative Kritik an der ornithologischen Fachwelt scheint das immerhin einer Erwähnung wert.
Ebenfalls zumindest erwähnenswert scheint, dass Dr. Hoffmann auf den Webseiten seines Unternehmens 3) u.a. die „Vereinigung der Jäger des Saarlandes“ unter „Referenzen“ als Auftraggeber listet, dort aber wiederum die Funktion eines Ausschussvorsitzenden4) ausübt. Nanu? „Kölscher Klüngel“ im Saarland? Warum auch nicht. Wer verzweifelt nach Splittern im Auge des erklärten Gegners Ausschau hält, übersieht bekanntlich nur allzu leicht den Balkenim eigenen Auge.
Alles andere als wissenschaftlich sind ebenso die Quellenangaben Dr. Hoffmanns. In „Wild und Hund“, Ausgabe 19 aus 2010 – in welcher sich bekanntlich der hier besprochene Artikel findet – verweist Hoffmann auf eine „Tierrechtssekte Universelles Leben“, zu welcher der Leser in „Wild und Hund“, Ausgabe 19 aus 2010 (nein, Sie haben sich nicht verlesen!) weitere Informationen finden soll. Dass sich in Ausgabe 19 aus 2010 nichts dergleichen finden lässt, bedarf dabei wohl kaum einer besonderen Erwähnung. Oder aber Herr Dr. Hoffmann vermeint eine neue Form eines selbstreferentiellen Verweises erfunden zu haben: Man schwadroniert über eine „Tierrechtssekte Universelles Leben“ und gibt als Quelle den eigenen Artikel an. Bravo, Herr Dr. Hoffmann! So lässt sich auch mit Quellen untermauern, dass der Mond in Wirklichkeit aus grünem Käse besteht.
Apropos „Käse“: Die Substanz Ihres Artikels, in „Wild und Hund“, Ausgabe 19/2010,Herr Dr. Hoffmann, scheint mir damit hinreichend gewürdigt. Grüßen Sie also „Edda“ und geben Sie Acht, dass Ihre Flinte nicht allzu sehr „anbackt“. Darin scheinen eindeutig Ihre Kernkompetenzen zu liegen. Einlassungen zu Themen, von welchen Sie nichts bis gar nichts verstehen, sollten Sie hingegen in Ihrem ureigenstem Interesse vermeiden. Auch wenn das Angebot eines Revolver(und Flinten-) blatts, Ihr „Material“ zu veröffentlichen, noch so verlockend erscheinen mag. „Jäger“ und „Flinten“ verhalten sich diesbezüglich gemeinhin analog zu „Schuster“ und „Leisten“. Auch bezüglich „Glashäuser“ und „Steinewerfer“ sei Ihnen ein Moment des Nachdenkens von Herzen gegönnt.
Werner Hupperich