Meyer-Kreuzfahrtschiff „Silver Nova“: Bericht von der Ems-Überführung

„Silver Nova“ auf der Ems – Foto (C): Eilert Voß

Unser Mitarbeiter Eilert Voß ist bei jedem Wetter an der Ems unterwegs. Nachfolgend berichtet er von der Ems-Überführung des Meyer-Kreuzfahrtschiffes „Silver Nova“ der Silversea Cruises, Ltd. (Sitz in Monaco) von der Werft in Papenburg bis an das seeschifftiefe Wasser der Nordsee. Für die Überführung muss die Ems mit dem Ems-Stauwerk bei Gandersum (offiziell Ems-“Sperrwerk“ genannt) aufgestaut werden, damit Kreuzfahrtschiffe dieser Dimension überhaupt in den Fluss passen. Die Unterems ist Teil eines Europäischen Vogelschutzgebietes und national als Naturschutzgebiet „Unterems“ ausgewiesen.

Bei früheren Schiffsüberführungen der Meyer Werft kam es zu hohen Wasserständen im Schutzgebiet, bei denen Jungvögel oder Gelege ertranken.

Statt der sonst üblichen Jubel-Presseberichterstattung hier der etwas andere Bericht von der „Silver Nova“-Überführung:

Chronologie vom Tag der Überführung der „Silver Nova“ am 05. Juni 2023

von Eilert Voß

Kurz vor der Öffnung der Papenburger Dockschleuse an der Meyer Werft wurde im Nahbereich des Pegels Terborg eine

Selbstgebaute Pegelmarke: Foto: Eilert Voß/Wattenrat

von mir gebaute Kontroll- Pegelmarke am Emsufer aufgestellt. Von dieser wurde eine waagerechte Bezugsebene zum Stauwasserstand hergestellt. Die Basis (eine geeignete und markierte Brutfläche und Nullpunkt der Marke) wurde auf 10 Minuten genau mit einer offiziellen Pegelleiste am Oldersumer-Siel abgeglichen. Zusätzlich wurde die reale Stauhöhe unter „www.pegelonline.de“ kontrolliert, eine gemessene Abweichung von einem Zentimeter ist indes nicht relevant. Der Anlass einer privaten Feststellung von Pegelständen inmitten der jährlichen Brutzeit von Bodenbrütern liegt auf der Hand: bei der Überführung der CELEBRITY-EQUINOX, am 20. Juni 2009 stellten Vogelzähler der Unterems eine unerklärliche Abweichung zwischen den tatsächlichen und offiziell veröffentlichten Pegelständen fest. Der nächtliche Stau verursachte damals an der geschützten Emsinsel Hatzumer-Sand eine Totalüberflutung, bei der nachweislich Gelege von Nonnengänsen zerstört wurden, der Wattenrat berichtete hier.

Ein weiteres Desaster entstand während des Frühjahrs-Staus für die „DISNEY WISH“ am 30. März des letzten Jahres, als tausende Eier von Bodenbrütern an die Emsdeiche gespült wurden. Die Print-Medien und der NDR berichteten ausführlich.

Archivbild 30. April 2022 : Nach dem Ems-Stau für die „Disney Wish“ angepülte Gänsegelege im EU-Vogelschutzgebiet – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

09:14 Uhr: (Sommerzeit) Pegelleiste zeigt am Oldersumer Siel einen Stau-Wasserstand der Ems von 690 Zentimetern. Geschützte Teile der Vorländer und die Emsinsel Hatzumer-Sand sind nicht überflutet. An der privat installierten Pegelmarke in Terborg wird zwischen der Basis und dem aktuellen Wasserspiegel kein weiterer Anstieg des Wasserstandes festgestellt.

Der Abstand zwischen einer direkt am erodierten Steilufer des Hatzumer-Sandes brütenden Nonnengans und dem Wasserspiegel der Ems beträgt etwa 15-20 cm. Auch hier droht keine Gefahr, wenn ein weiterer Pegelanstieg unterbleibt.

Brütende Nonnengänse an der Ems-Insel Hatzumer Sand – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

09:36 Uhr: Am Terborger Siel und Schöpfwerk wird bemerkt, dass Süßwasser des Binnenlandes, trotz extremer Trockenheit der letzten Wochen, in die Ems gepumpt wird, während sich die „SILVER-NOVA“ dem Siel nähert.

Ems, Höhe Terborg: Zusätzliches Zupumpen von Wasser in die Ems, 05. Juni 2023 – Foto (C): Eilert Voß Voß/Wattenrat

Zupumpen von Süßwasser – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

11:40 Uhr: „SILVER-NOVA“ in Höhe des Hatzumer-Sandes. In der Vorbeifahrt des hoch aufragenden Schiffes verlässt die zuvor gesichtete Nonnengans ihr Gelege, weitere folgen. Am Nordufer der Emsinsel rasten 650 mausernde Graugänse. Obwohl die flugunfähigen Gänse Stress-Symptome zeigen, fliehen die Vögel nicht auf das Wasser des Ems-Seitenarms. Dies ändert sich schlagartig, als vom Schiff, weiter entfernt, das Signalhorn ertönt: Flatternd und fliegend verlassen alle Vögel die Emsinsel. Vögel des Rorichumer und Oldersumer Vorlandes wurden vorab bereits von zahlreichen Gaffern vertrieben, die die Deiche bevölkern.

Vogelflucht bei Annäherung der „Silver Nova“ durch das das laute Schiffs-Typhon – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Gänse fliehen vor der „Silver Nova“ – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

13:10 Uhr: Während der Durchfahrt der „SILVER-NOVA“ durch das Gandersumer-Stauwehr werden zahlreiche Zuschauer des Kreuzfahrtschiff-Spektakels mit lautem Typhon-Getute begrüßt. Die Folge: einige Tausend Wasservögel und speziell, mausernde Graugänse, verlassen flatternd oder fliegend geschützte Deichvorländer zwischen Gandersum-Petkum-Jarßum. Erst eine Stunde später kehren flugunfähige Gänse auf das Petkumer Deichvorland zurück, während der Dampfer um 15:00 Uhr mit mehreren Schleppern Emden erreicht und seine Rückwärtsfahrt von Papenburg bis Emden an der Emder Hafeneinfahrt beendet. Resümee: Überflutungen von Brutgebieten blieben aus. Das ist die gute Nachricht.

Zuschauer auf der Pegelanlage bei Terborg, Betreten des Emsvorlandes (Schutzgebiet) nicht gestattet – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Dass wieder einmal unzählige Personen Zäune von Natur- Schutzgebieten überkletterten und temporär gesperrte Teekabfuhrwege von Gaffern genutzt wurden, wäre ein Hinweis auf die weniger guten Begleitumstände eines frühsommerlichen Sommerstaus.

05. Juni 2023: Graugänse im Schutzgebiet am Ems-Stauwerk, eine Stunde nach der Überführung der „Silver Nova“ – Foto (C): Eilert Voß/Wattenrat

Die Meyerwerft gehört an die See

Dies sei allerdings nicht als Hinweis zu deuten, dass die Entwicklung des weltweiten Kreuzfahrtschiff-Geschäfts grundsätzlich „vertretbar“ ist. Oft wird in der Bilanz aller schädlicher Umweltfaktoren verschwiegen, dass die Kreuzfahrerei direkt mit dem wachsenden Flugverkehr korreliert, denn die Abfahrt und Ankunft-Häfen von Kreuzfahrtschiffen werden von ihren Nutzern zumeist mit großen Passagier-Flugzeugen erreicht.

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