Mit Kuhfladen Wiesenvögel retten – NABU und DBU: ´Landwirtschaft als Partnerin des Naturschutzes´

Bekassine und Kiebitz, fast verschwunden als Brutvögel – Foto (C): Eilert Voß

Kein Ostfriesen-Witz: Mit Kuhfladen und den sich darauf ansiedelnden Insekten will der NABU-Ostfriesland zusammen mit der DBU die Wiesenvögel vermehren. Die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert fachlich und finanziell mit 298.000 Euro ein entsprechendes Projekt der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen in Kooperation mit dem Naturschutzbund Niedersachsen, Ökologische NABU-Station Ostfriesland.“

Zunächst: Es gibt kaum noch brütende Wiesenvögel in Ostfriesland (und anderswo in EU-Europa), der dramatische Rückgang begann bereits vor ca. 40 Jahren mit der Trockenlegung von Feuchtwiesen und dem damit verbundenen Verschwinden von Wildblumen und den darauf spezialisierten Insekten. Der Grünlandumbruch für Ackerflächen oder die sog. „Grünlanderneuerung“ mit ertragreichem Silagegras für die Milchviehhaltung und das mehrfaches Mähen im Jahr mit starkem Gülleauftrag verkleinerten den Lebensraum, machten Gelegen und flugunfähigen Jungvögeln vom Kiebitz über den Rotschenkel bis zur Uferschnepfe den Garaus. Das bedeutet zusätzlich zum Artenschwund der Bodenbrüter eine immense Floren- und Landschaftsveränderung. Die Verursacherin des Artenschwundes, die Intensivlandwirtschaft, soll jetzt die Probleme lösen helfen, die sie selber seit Jahrzehnten mit verursacht hat. Es geht mal wieder um das Abgreifen wenig „nachhaltiger“ Projektgelder: Für 298.000 Euro will die staatliche Deutsche Bundesstiftung Umwelt für mehr Bodenbrüter sorgen, zusammen mit dem NABU und der Landwirtschaftskammer.

Bullshit

Die Gleichung heißt: mehr Milchkühe auf der Weide, damit mehr Kuhfladen, darauf mehr Insekten und in der Folge mehr Wiesenvögel, die mit den Insekten ihre Jungvögel füttern. Eine echte und teure Milchmädchenrechnung, oder im wahrsten Sinne des Wortes Bullshit.

März 2020, Grünlanderneuerung in Böhmerwold, LK Leer – Foto (C): Eilert Voß

Mehr als 70 Prozent der Milchviehbetriebe in Deutschland halten ihre Kühe bereits ganzjährig in Laufställen. Sogar in ausgewiesenen europäischen Vogelschutzgebieten ist die Situation für Wiesenvögel durch die Grünlanderneuerung katastrophal, siehe auch das Rheiderland im Nordwesten Deutschlands. Das liegt auch daran, dass die nationalen Landschaftsschutzverordnungen in diesen EU-Schutzgebieten inhaltlich durch kommunale landwirtschaftliche Einflussnahme stark verwässert sein können. Nur in Niedersachen sind für die Umsetzung der Natura-2000-Richtlinien der EU die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig, also der lokale Klüngel. Die früher zuständigen Bezirksregierungen wurden 2005 in der CDU-FDP-Regierung unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) aufgelöst.

Nicht wenige Milchviehbetriebe sind EU-Direktzahlungsempfänger, vulgo Subventionen, und erhalten Mittel „zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität und Artenvielfalt (insbesondere Umsetzung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie), sowie zur Erhaltung, Pflege und Gestaltung einer regionaltypischen Kulturlandschaft und eines traditionellen Landschaftsbildes“ (ELER-Mittel). Wofür verwenden diese Landwirte die zweckgebundenen Mittel? Wer kontrolliert das? Beim NABU weiß man das alles, aber es regt sich nichts dagegen. Mit kleinräumigen „Landschaftsaquarien“, die von Naturschutzverbänden betreut werden – auch Naturschutzstationen genannt -, wird der Eindruck erweckt, man könne den dramatischen Rückgang der Wiesenvögel aufhalten. Dazu bedarf es aber einer grundlegenden Änderung der Bewirtschaftung auf europäischer Ebene. Wie sagte doch Mark Twain: „Als sie ihre Ziele aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen.“

Grünlanderneuerung mit einer Drillmaschine (Einsaat) nach Schlitzen des Bodens , Bunder Hammrich, LK Leer, kein Platz mehr für Wiesenbrüter, Feldhase auf der Flucht, 30. März 2020 – Foto (C): Eilert Voß

Pressemitteilung der DBU, 09. Oktober 2020:

Landwirtschaft als Partnerin des Naturschutzes

Oldenburg. Milchviehbetriebe in Ostfriesland könnten zum Modell dafür werden, wie ein Miteinander von Naturschutz und Landwirtschaft funktioniert: Denn die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert fachlich und finanziell mit 298.000 Euro ein entsprechendes Projekt der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen in Kooperation mit dem Naturschutzbund Niedersachsen, Ökologische NABU-Station Ostfriesland. Das Ziel: die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen herauszufinden, mit denen Naturschutzkonzepte in die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe erfolgreich eingegliedert werden können. Anlass für das Vorhaben ist die Schwierigkeit mancher Landwirte, Anforderungen an den Naturschutz umzusetzen, besonders dann, wenn der eigene Hof sich in einem Schutzgebiet befindet. Wie das gelingen kann, soll an fünf Milchviehbetrieben und einem Mutterkuh haltenden Betrieb in Ostfriesland untersucht und erprobt werden.

Dazu sagt Dr. Lili Hofmann, DBU-Referentin für Naturschutz: „In vielen Schutzgebieten halten Rinder aus Milchviehbetrieben das Grünland durch Beweidung offen und erhalten so wertvolle Brutgebiete für zahlreiche Wiesenvögel.“ Die Herausforderung für die Landwirtinnen und Landwirte: Naturschutzvorgaben einhalten, ohne auf die benötigte Futterqualität verzichten zu müssen. Die LWK Niedersachsen möchte nun untersuchen, wie derartige Hürden durch geeignete Förderung überwunden werden können. Kurzum: Nicht nur der Lebensraum für Wiesenvögel, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe als langfristige Partner für den Naturschutz sollen dauerhaft gesichert werden.

Entscheidung über die Zukunft

In Schutzgebieten stehen viele Milchviehbetriebe derzeit vor der Entscheidung über ihre Zukunft. Oft können sie den Natur- und Klimaschutzanforderungen nicht gerecht werden, da die als Futtermittel dienenden Pflanzen auf den Flächen bei Beweidung oder als Heu nicht immer die geforderte Qualität haben. Hofmann: „Vielen Landwirten bleibt da nur das Einstallen der Tiere und das Nutzen der Weiden als Mähwiesen oder die Aufgabe des Betriebs. Dadurch droht entweder ein Intensivieren oder aber ein Verbuschen und der Verlust wertvoller Grünlandflächen.“ Außerdem seien die meisten Förderprogramme nicht für einen flächenhaften Schutz der Vögel und ihrer Lebensräume geeignet.

Landwirtschaft unabdingbar für Naturschutz

„Mit diesem Projekt wollen wir deswegen Konzepte entwickeln, die es ermöglichen, den Lebensraum der Vögel und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe in Einklang zu bringen und so zu erhalten“, sagt LWK-Projektleiterin Nora Kretzschmar. So solle eine Win-Win-Situation geschaffen werden. Denn für den Erhalt der Weiden, die als Brutgebiete genutzt werden, seien die landwirtschaftlichen Betriebe unabdingbar und somit wichtige Partner, die im Sinne des Naturschutzes gefördert werden sollten.

Geeignete Beratungstools entwickeln

Für die sechs unterschiedlichen Milchviehbetriebe in der Region Ostfriesland soll je ein zu den Naturschutzzielen und den Betrieb passendes, mögliches Entwicklungskonzept erarbeitet werden. Daraus soll ein Leitfaden mit Empfehlungen für Politik und Verwaltung entstehen. „Auf diesem Wege können Naturschutz und Landwirtschaft generationenübergreifend Bestand haben. Zukünftig lassen sich außerdem Maßnahmen für den Schutz der Artenvielfalt leichter umsetzen“, so Kretzschmar. Auch für andere Landschaftstypen ließe sich das Modell eventuell übertragen.
Entstanden ist die Projektidee in der Arbeitsgruppe „Kooperation Landwirtschaft und Naturschutz in Ostfriesland“, die bei der Ostfriesischen Landschaft in Aurich angesiedelt ist.

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