Auch Seehunde werden schon von behördlichen Berufsartenschützern „gemanagt“, und merken gar nichts davon. Starke Worte aus dem „Common Waddensea Secretariat“ (CWSS) statt Taten: Der Seehund als Gegenstand der derzeitigen staatlichen „Biodiversitäts“-Propaganda im Jahr der Artenvielfalt.
Liest man den behördlichen Pressetext, könnte man meinen, ganze Bataillone von Seehundsschützern überwachten das Wattenmeer. Die traurige Realität des Wattenmeer-Artenschutzes sieht indes anders aus: In Niedersachsen sind es sechs (!) Nationalparkwarte ohne Kompetenzen, Boote oder Fahrzeuge (abgesehen vom Privat- oder Dienstfahrrad), die die „Aufsicht“ führen, auf 3.500 qkm Fläche bei 37 Millionen Tourismusübernachtungen jährlich von Cuxhaven bis Emden.
Die „Entnahme von Seehunden aus dem Schutzgebiet zwecks Aufzucht sowie zur Öffentlichkeitsarbeit“ hat nichts mit dem Seehundsschutz zu tun. Zur Erhaltung der wildlebenden Populationen tragen die Aufzuchtstationen nicht bei, da geht es um Zurschaustellung, Tourismusinformation und -unterhaltung und um das positive Image der Jäger, die früher Seehunde jagten und jetzt eine Aufzuchtstation in Norddeich betreiben. Allerdings wurden in der Tat schon Seehundbabys rechtswidrig gekidnappt, der Natur entnommen und in Seehundstationen gegen Bares zur Schau gestellt.
Allein die Einstellung der Jagd auf Seehunde Anfang der 1970er Jahre, die vom Jungtier bis zum alten Seehund gnadenlos als vermeintliche Fischereikonkurrenz verfolgt wurden, hat zum Wiederanstieg der Bestände geführt, immer wieder durch Seuchenzüge unterbrochen, die jederzeit wieder auftreten können.
Mit dem „Weltnaturerbe“, das in der Pressemitteilung gleich mit verwurstet wird, hat der Seehundschutz überhaupt nichts zu tun, das Etikett Welterbe wurde für die Tourimusindustrie für noch mehr Touristen eingerichtet. Die Seehunde vermehren sich ganz von selbst, lässt man sie nur in Ruhe, ganze ohne behördliches Sesselpuper-Schutzgeschwurbel. Als es noch keine behördlichen Artenschützer gab, war der Bestand der Seehunde vor der großen Jägerhatz sogar noch wesentlich höher als heute.
Weniger auffällige Tiere des Wattenmeeres, ohne „süße“ Kulleraugen und pflegereizauslösenden Rundkopf, haben es da schon wesentlich schwerer, von der Öffentlichkeit wahrgenommen oder von Behördenschützern bestandserhaltend „gemanagt“ zu werden. See- und Sandregenpfeifer sowie Seeschwalben genießen nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie der Seehund, sie werden langsam aus dem (geschützten!) Wattenmeer verschwinden, weil sie dem Druck des Massentourismus an den Brutstränden nicht standhalten können, trotz des Jahres der Biodiversität, der Bonner Konvention und der entrückten warmen Sessel der Nationalparkverwaltung, des CWSS und der UNEP.
Gemeinsame Pressemitteilung der UNEP und des Wattenmeer-Sekretariats
vom 15. Oktober 2010
20 Jahre Seehundschutz im Wattenmeer
Erstes Abkommen der Bonner Konvention feiert seinen Erfolg
Bonn/Wilhelmshaven, 16. Oktober 2010 – Die Anzahl der Seehunde im trilateralen Wattenmeer steigt. Insgesamt wurden in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden 21.600 Seehunde während der Seehundzählung 2009 erfasst. Auch die Kegelrobben, formal nicht im Abkommen zum Schutz von Seehunden im Wattenmeer berücksichtigt, weisen eine ansteigende Populationsentwicklung in den letzten Jahren auf. Allein 2009 wurden im trilateralen Wattenmeergebiet 2.800 Kegelrobben erfasst.
„Wir arbeiten nun seit 20 Jahren am grenzüberschreitenden Schutz von Seehunden im Wattenmeer“, erklärte Jens Enemark, Leiter des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven, welches das Seehundmonitoring und Management trilateral koordiniert. „Die Erholung der Seehundbestände im Wattenmeer ist eine echte Erfolgsgeschichte des Seehundschutzabkommens. Diese bestimmt den notwendigen gesetzlichen Rahmen für den geeigneten Schutz und Management der Population“.
Diesem Schutzstatus der Seehunde wurde bei der Ausweisung des Deutsch-Niederländischen Gebietes des Wattenmeeres als UNESCO Weltnaturerbe 2009 Rechnung getragen. Der dänische Nationalpark Wattenmeer wird am gleichen Tag 20 Jahre nach Unterzeichnung des Seehundabkommens eingeweiht.
Elisabeth Maruma Mrema, Exekutivsekretärin des UNEP/CMS Sekretariats, fügte hinzu: „Das Abkommen für die Seehunde im Wattenmeer – das erste Artenschutzabkommen der Bonner Konvention – hat nicht nur dazu beigetragen, einen weiteren Rückgang der Seehundpopulation zu stoppen. Die Seehundzahlen sind auch auf dem höchsten Stand seit der
Unterzeichnung des Abkommens. Der Aufwärtstrend gibt uns Hoffnung auf weitere positive Ergebnisse während der kommenden Biodiversitätskonferenz nächste Woche in Nagoya.“
Das Abkommen fordert von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden die Entwicklung eines Schutz- und Managementplanes für die Seehunde basierend auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Seehundmanagementplan, der ebenso den Schutz der Kegelrobben berücksichtigt, zielt auf eine Wiederherstellung und Erhaltung von entwicklungsfähigen Beständen und eine natürliche Reproduktionskapazität, einschließlich der Überlebensrate von Jungtieren. Er beinhaltet Aktionspunkte zu Habitatschutz, Forschung und Überwachung, Verschmutzung und Nationalpark Aufsicht, Entnahme von Seehunden aus dem Schutzgebiet zwecks Aufzucht sowie zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Regierungen passen in regelmäßigen Abständen den Plan an, um den bestmöglichen Schutz dieser Leitart des Wattenmeeres zu gewährleisten.
„Es ist klar ersichtlich, dass der Seehundmanagementplan ein Beispiel für grenzüberschreitendes Management ist, den andere gerne übernehmen würden. Wir verzeichnen aktuell die höchsten Bestandszahlen, die seit Beginn der trilateralen Zählungen erfasst wurden, was eine schnelle Erholung der Population nach der letzten Seehundepidemie in 2002 bestätigt“, erklärte Kristine Jung, Koordinatorin der trilateralen Seehundexpertengruppe vom Gemeinsamen Wattenmeersekretariat.
Am 16. Oktober 1990 unterzeichneten die Länder Dänemark, Deutschland und die Niederlande das erste Abkommen unter der Bonner Konvention. Das Abkommen zum Schutz der Seehunde in Wattenmeer blickt nun auf seinen Erfolg zurück. Das Seehundschutzabkommen, ist das erste regionale Schutzabkommen, das unter dem UNEP Übereinkommen zur Erhaltung wandernden wild lebender Tierarten, auch bekannt als Bonner Konvention, unterzeichnet wurde. Es wurde nach dem ersten großen Seehundsterben von 1988 beschlossen, als beinahe 60% der Seehundpopulation im Wattenmeer verendeten. Das Seehundschutzabkommen bestimmt den Rahmen und die maßgebende Unterstützung um Seehunde im trilateralen Wattenmeer zu schützen, zu managen und zu überwachen.