Feuerwerk im und am Nationalpark Wattenmeer: zaghafter Bewusstseinswandel

Feuerwerk über dem Nationalpark Wattenmeer, hier Insel Juist – Foto (C): Eilert Voß

Na, wer hat´s „erfunden“? Der Wattenrat, wer sonst. Die Rede ist von der Kritik am jährlichen Geböller zu Silvester und zu anderen Zeiten an der Küste, stets verbunden mit dem großräumigen Vertreiben von Rast- oder auch Brutvögeln im oder am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“. Der Wattenrat weist seit Jahren auf diese Unsitte hin, die, legt man den Maßstab des Bundesnaturschutzgesetzes eng an, eigentlich ohnehin verboten ist.

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) § 39 Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen

(1) Es ist verboten,

1. wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten,

2.wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten,

3. Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören. […]

Das Böllern innerhalb der Nationalparkgrenzen ist bereits gesetzlich verboten, nur kann das Verbot kaum ausreichend kontrolliert und sanktioniert werden. Böller und Raketen, die am Nationalpark gezündet werden, wirken dennoch kilometerweit in das Schutzgebiet hinein. Nun tut sich etwas an der Küste, ganz langsam, aber die Richtung stimmt. Im Nordseeheilbad Bensersiel soll es in diesem Jahr erstmals nur noch ein kleines Bodenfeuerwerk geben, „ein guter Kompromiss zwischen Umweltschutz und beliebter Tradition“, so die Geschäftsleitung der Tourismus GmbH Esens-Bensersiel in der Lokalpresse. In Carolinensiel will man in diesem Jahr auf das Zünden von Feuerwerken zu Silvester im Museumshafen verzichten, nicht aus Naturschutzgründen, sondern weil Feuerwerke „eine riesige Gefahrenquelle durch viele Menschen und Alkohol sind“, so der Appell der örtlichen Tourismusmacher und des Ortsvorstehers. Vor allem fürchtet man in Carolinensiel aber um die historischen Plattbodenschiffe, die im Hafen in Brand geraten könnten. Ganz neue Töne kommen auch von der Insel Langeoog, auf der jahrelang, wie auf anderen Inseln auch, sogar sommerliche Höhenfeuerwerke zur Touristenbespaßung am Strand hart an der Nationalparkgrenze abgebrannt wurden – das Geschäftsmodell eines professionellen ostfriesischen Pyrotechnikers. Mehrere Geschäftsinhaber auf der Insel verzichten in diesem Jahr auf den Verkauf von Silvesterböllern. Die Inhaber von drei Läden schickten ihre Böller wieder zurück und verzichten so auf den Verkauf – „zum Schutze der Umwelt und der Tiere“, wie es in der Presse hieß. Die neue Langeooger Bürgermeisterin Heike Horn begrüßte die Entscheidung: „Wir freuen uns sehr über diese Freiwilligkeit“.

Böllermüll (Ausschnitt) am Petkumer Deichvorland an der Ems bei Emden, Teil eines europäischen Vogelschutzgebietes, Nahrungsfläche und Schlafplatz von tausenden arktischen Gänsen – Foto (C): Eilert Voß

Ratsbeschluss auf Langeoog

Am 07. Februar 2019 beschloss der Rat der Insel Langeoog „einstimmig für 2019 und alle weiteren Jahre für den Verzicht des Abbrennens von Feuerwerkskörpern aufzurufen und stattdessen im bewussten Gegensatz zu den Silvesterfeuerwerken in den Städten die gastronomischen Betriebe zu einer ´ruhigen insularen Begrüßung des neuen Jahres´ aufzurufen“ (aus dem Protokoll, Tagesordnungspunkt 11). Dennoch wird auf Langeoog  auch in diesem Jahr ein Höhenfeuerwerk stattfinden: „Erleben Sie einen tollen Abend und lassen Sie uns das neue Jahr auf unserer Dachterrasse mit einem Glas Sekt begrüßen und ein Höhenfeuerwerk auf der Insel des Lebens genießen“ – wirbt der Gastronomiebetrieb „Strandhalle“ (Hotel Kolb) auf seiner diesjährigen Webseite. Geschäftsführerin ist die ehemalige Langeooger Ratsvorsitzende Birgit Kolb-Binder (parteilos für die FDP), die jetzt auf dem Festland wohnt. Sie ist auch Vizepräsidentin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes e.V. (DeHoGa) in Niedersachsen.

Rückblick ins Jahr 2016

Frau Kolb-Binder jonglierte 2016  mit der Wahrheit, als es um das Abbrennen eines Höhenfeuerwerks auf der Insel am Ende der Brutzeit im Juli ging: hier. Getoppt wurde das 2016er Langeooger Sommertheater von der damaligen Landesvorsitzenden der niedersächsischen Grünen,  der Landtagsabgeordneten Meta Janssen-Kucz. Sie besuchte die  Insel, um eine Parteikollegin im damaligen Kommunalwahlkampf zu unterstützen, zitiert aus der Online-Zeitung „Langeoog News“ vom 22. Juli 2016:

„[…] Auch das Thema „Feuerwerk zum Dörpfest“ wurde aus aktuellem Anlass thematisiert. Meta Janssen-Kucz wies die Kritik daran zurück, so etwas müsse einmal im Jahr in einem Biosphärenreservat möglich sein. Die Diskussion darum lenke ab von den wirklich wichtigen Herausforderungen zur Erhaltung des Weltnaturerbes. Sie nannte die zunehmende Verschmutzung der Meere, die Verklappung von Baggergut oder die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke. […]“

Spiekeroog mit Lärmschutzverordnung gerichtlich gescheitert

Auf der Nachbarinsel Spiekeroog versucht man seit Jahren, das Böllern im Ort per Ortssatzung und Lärmschutzverordnung zu verbieten, bisher vergeblich. Der Inselgastronom Christian Kiesow (Haus Möwe, de Balken) klagte 2017 gegen das Böllerverbot und hatte vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Erfolg. Er erwirkte eine Ausnahmeregelung von der Verordnung. Seinen Erfolg konnte man in der Silvesternacht 2017/2018 weithin hören, sogar der Norddeutsche Rundfunk war dabei: hier.

Dornumersiel/LK Aurich: Neujahrsmorgen am Strand, Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer: Böllern verboten, auf dem Papier. Hier wurden nach einer Silvesternacht 130kg Böllermüll eingesammelt.  – Foto (C): Manfred Knake

Hilf- und wirkungslose Appelle der Nationalparkverwaltung

Zu Silvester 2019 werden wieder tausende Touristen auf allen ostfriesischen Inseln und in den Küstenbadeorten erwartet. Viele von ihnen werden ihre Böller und Raketen mit im Gepäck haben und kaum etwas von einem Nationalpark Wattenmeer oder den enormen Störungen der winterliche Rastvögel durch die Böllerei in diesem Großschutzgebiet wissen. Vielen Touristen wird das auch völlig egal sein. Die Nationalparkverwaltung wird, wie in jedem Jahr, einen hilf- und wirkungslosen Appell in der Presse veröffentlichen, in dem aufgerufen wird, doch die Störungen der Tierwelt zu unterlassen.

Es wird also keineswegs einen ruhigen und böllerlosen Jahreswechsel auf Langeoog, auf den anderen Inseln oder auf dem Festland geben. Die geschützten Vögel des Wattemeeres, die zu dieser Jahreszeit im Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ rasten, werden wieder panikartig von ihren Rast- oder Nahrungsplätzen vertrieben. Der Gesetzgeber sollte endlich das Nationalpark- und Sprengstoffgesetz so anpassen, dass Böller, Raketen oder Höhenfeuerwerke auch am Nationalpark oder an anderen europäischen Vogelschutzgebieten in einer zu definierenden Entfernung von diesen Schutzgebieten ganzjährig verboten werden. Die Zeit dafür ist reif. In der Nähe von Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen, Kirchen, Reet- und Fachwerkhäusern ist das Abbrennen von Feuerwerkskörpern jedweder Art schon jetzt gesetzlich verboten.

Nachtrag zu Neuharlingersiel: Im Küstenbadeort Neuharlingersiel hat man den Schuss, dass Feuerwerke so nah am Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ doof sind, ohren- und augenscheinlich noch nicht vernommen. Das „Weltnaturerbe“ wird aber auch in Neuharlingersiel fleißig vermarktet, aber eben nur als tourismusförderndes Etikett. Bereits am 29. Dezember 2019 fand am Restaurant „Sielhof“ das „neue Format zum Jahresausklang“, die Veranstaltung „Sielhof-Park in Flammen“, statt (so aus einem Bericht der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ vom 31. Dez. 2019), nur ca. 280 Meter vom Nationalpark entfernt. Veranstalter waren der Verein „Van uns för jo“ (Von uns für Euch) in Zusammenarbeit mit dem Kurverein Neuharlingersiel; ja, genau dem Kurverein Neuharlingersiel, der sonst das „Weltnaturerbe“ im Internet so anpreist, für mehr Umsatz: „Wattenmeer-Leben: einmalig abwechslungsreich – Der Reichtum an Leben im Wattenmeer ist außergewöhnlich. Man findet hier nicht nur viele dauerhafte Bewohner, sondern auch zahlreiche Besucher. So nutzen jedes Jahr rund 10 bis 12 Millionen Zugvögel das Wattenmeer.“

Genau diesen fliegenden Besuchern hat man mit dem Höhenfeuerwerk das Leben zur Hölle gemacht. So weit denkt man aber in Neuharlingersiel wohl noch nicht.

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 31. Dez. 2019

„[…] In ´Flammen gesetzt wurde der Sielhof-Park und Sielhof zum einen von Kai Menssen, der wechselnde Bilder und Schriftzüge auf den so weithin sichtbaren Sielhof warf, und das Team um Feuerwerker Ralf Fremy. Sonnenräder, Fontänen und mehr sorgten auf dem Sielhof-Rondell für Begeisterung.´Abschließender Höhepunkt war eine herausragende Illumination des Sielhofs, kombiniert mit einem Höhenfeuerwerk.“

Link: Millionenfacher Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz: Vögel fliehen in Massen vor Feuerwerken

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