10. Zugvogeltage-heile Welt im Nationalpark?

Austernfischer im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, 07. Oktober 2018  – Foto (C): Eilert Voß

Die „Zugvogeltage“, wie sie seit nun 10 Jahren im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer veranstaltet werden, gingen mit einem „Fest“ im Haus des Gastes der Wangerland Touristik GmbH in Horumersiel, Landkreis Friesland, zu Ende. Zugvogeltage können eine feine Sache sein, wenn sie denn ehrlich informieren. So stromlinienförmig, wie Vögel sich durch die Luft bewegen, agiere aber auch nach Meinung von Kritikern der Nationalparkleiter Peter Südbeck, wenn er sich wieder einmal windschnittig mit dem „Finale“ und  „Fest“ an die Medien wendet. Als Meister der inhaltsleeren Naturschutzrhetorik sei er erneut zur Hochform aufgelaufen. Die Medien berichteten dann bequemerweise weitgehend 1:1, copy and paste, und übersahen dabei, wie es tatsächlich in diesem Großschutzgebiet aussieht. Steigerungen der Südbeckschen PR-Schreibtischarbeit sind wohl kaum noch möglich. Die Beobachtung von Zugvögeln wurde zu Superlativen inszeniert, mit integrierter Verkaufsveranstaltung für optische Geräte und der Einbeziehung von sog. „Flugbegleitern“. Sind das die neudeutsch so bezeichneten „embedded Journalists“?

Vielleicht kommt von denen ja mehr zum tatsächlichen Zustand der hiesigen Vogellebensräume als nur „schöne“ Bilder und Texte?

Hier der O-Ton der Nationalparkverwaltung: „Erstmals dabei, sowohl draußen als auch beim Fest, waren die ´Flugbegleiter´ ein Zusammenschluss von Journalistinnen und Journalisten, die sich der Ornithologie und dem Vogelschutz verschrieben haben und zu diesem Thema Reportagen aus aller Welt veröffentlichen.“

Die Gefährdung der Zugvögel aber, auch direkt vor unserer Haustür, fiel mit Hilfe von beteiligten Naturschutzorganisationen wieder einmal unter den PR-Tisch. Die Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung finden Sie ganz unten. Die oben erwähnte Wangerland Touristik GmbH ist auch Mit-Trägerin des Nationalparkhauses Wangerland in Minsen, nur wenige Kilometer von Horumersiel entfernt. Auch in Minsen wurden die Zugvogeltage heftig beworben.

Nonnengänse und Säbelschnäbler – Foto (C): Eilert Voß

Windige „Kooperationspartner“ im Nationalparkhaus Wangerland

Zur Betreibergemeinschaft des Hauses gehören neben der Wangerland Touristik GmbH auch die Gemeinde Wangerland und die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz e.V (WAU)  mit Sitz in Jever. Es wird noch besser: Kooperationspartner des Hauses sind die Betreiber des Windparks Bassens und der Bundesverband Windenergie, bekanntlich Naturschützer reinsten Wassers… Im Nationalparkhaus wird mit einer Ausstellung für „Erneuerbare“ Energien geworben:

Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung vom 18.03.2016

Nationalparkhaus Wangerland wiedereröffnet

Neben den grundlegenden Informationen zum Nationalpark, Biosphärenreservat und Weltnaturerbe widmet sich das Nationalpark-Haus Wangerland den Schwerpunktthemen Erneuerbare Energien, Klimawandel und Klimaschutz. […] Von Beginn an sind die Gemeinde Wangerland und die Wangerland Touristik GmbH in der Betreibergemeinschaft des Nationalpark-Hauses. Als Umweltverband war bis 1995 die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) beteiligt, heute gehört die Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz e.V. (WAU) zur Betreibergemeinschaft. Kooperationspartner sind die Betreiber des Windpark Bassens und der Bundesverband Windenergie. […]

Blick auf die Küste vom Watten-Fahrwassser Langeoog-Bensersiel, April 2015. Inzwischen wurden die meisten Windkraftanlagen repowert und sind damit noch höher geworden. Viele küstennahe Windparks stehen in ehemaligen Zugvogelrastgebieten. – Foto (C): Manfred Knake

Der „Freundeskreis“ mit ausgewiesenen Naturschutzverhinderern

Seit 2015 gibt es zudem einen „Freundeskreis“ um das Nationalpark-Haus Wangerland; zum Vorstand gehört auch Landwirt Früsmer Ortgies. Ortgies war Vorsitzender des III. Oldenburgischen Deichbandes (Deichunterhaltungsverband) und 1996 mitverantwortlich für die Organisation eines Fackelzuges am Cäciliengrodendeich gegen den BUND. Der BUND-Niedersachsen hatte damals lediglich einen gerichtlichen Baustopp beim Verwaltungsgericht Oldenburg gegen den Deichbau mit der Einstellung der damit verbundenen Bodenentnahme aus den geschützten Salzwiesen des Nationalparks erwirkt. Das missfiel den Bauern, deren binnendeichs gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen nun möglicherweise dazu herangezogen werden sollten. Vom Deichunterhaltungsverband wurde das Horrorstück von der gefährdeten Deichsicherheit und dem nahen Ertrinkungstod der Bevölkerung inszeniert. Die Massen kamen mit Fackeln, unterstützt von Politik, Kirche und Presse. Die meisten Teilnehmer wussten gar nicht, worum es eigentlich ging, ein Schmierentheater erster Güte! Ortgies Ehefrau Insa-Marie war damals CDU-Landtagsabgeordnete und leistete politische Schützenhilfe aus Hannover. Unter dem öffentlichen Druck zog der BUND schließlich die Klage zurück, nicht zum ersten Mal.

Rotschenkel und Dunkler Wasserläufer – Foto (C): Eilert Voß

Ornithologischer Tunnelblick

Beim „Finale“ des Zugvogeltages in Horumersiel fiel laut Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung kein Wort zur Jagd auf Zugvögel im Nationalpark, der auch EU-Vogelschutzgebiet und „Weltnaturerbe“ ist. Kein Wort fiel zu den aussterbenden Strandbrütern (die auch Zugvögel sind) durch den Massentourismus; kein Wort zu den Kitesurfflächen von Cuxhaven bis Emden in den Schutzzonen des Nationalpark, eingerichtet von der Nationalparkverwaltung, ohne die nach dem Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebene vorherige Verträglichkeitsprüfung. Kein Wort fiel zum desolaten Zustand vieler Salzwiesen im Nationalpark (auch in den strengsten Schutzzonen), die dann als Nahrungs- und Rastplätze der Zugvögel ausfallen; kein Wort zum Zubau der Rastgebiete in den angrenzenden Marschenbereichen mit riesigen Windparks, die nicht nur weiträumig Zugvögel verscheuchen; kein Wort zur Gefährdung des Vogelzuges durch den Nearshore-Windpark „Nordergründe“ in der Außenweser in der Zugroute vieler Vogelarten, nur 560 Meter vom Nationalpark und ca. 16 Kilometer vom Nationalparkhaus Wangerland entfernt. Die Zugvögel haben auf ihren Zugrouten, die z.T. bis in die Antarktis führen, mit erheblichen Gefährdungen und Beeinträchtigungen  zu rechnen, die es aber genauso in diesem schöngeredeten und -geschriebenen Nationalpark gibt. Der smarte Nationalparkleiter Südbeck bezeichnete die Vogelgucker des „Aviathlons“, bei dem es auf die Anzahl der gezählten Arten ankam, gar als „Mitstreiter“. Es ist jedoch nicht bekannt, wofür sie eigentlich „streiten“.

Kein Platz für Brut- oder Zugvögel: Juist, Ostende der Insel, 11. Mai 2018: Kampfsportler trainieren im Primärdünenbereich der strengsten Schutzzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer – Foto (C): Eilert Voß

Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer vom 21. Oktober 2018

Buntes Finale der 10. Zugvogeltage

Mit dem großen Zugvogelfest im Haus des Gastes in Horumersiel endeten heute die 10. Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Nationalpark-Leiter Peter Südbeck und sein Team zogen eine positive Bilanz der zurückliegenden Veranstaltungsreihe.

Mehr als 20.000 Gäste und Einheimische, mehr als jemals zuvor, darunter 3.000 Kinder, besuchten die knapp 300 Veranstaltungen der diesjährigen Zugvogeltage. „Wichtiger als die nackten Zahlen sind für uns die qualitativen Rückmeldungen der Veranstalter und Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, betont Südbeck. „Unser Ziel ist, mit den Zugvogeltagen möglichst viele Menschen für die Vogelbeobachtung und das Phänomen Vogelzug am Wattenmeer zu begeistern. Wenn uns das gelingt, entwickeln sich in der Fangemeinde ganz von selbst das Verständnis – bis hin zur Eigeninitiative – für den Zugvogelschutz bei uns und auch in anderen Ländern entlang des Ostatlantischen Zugweges.“ Die bisherigen Rückmeldungen der etwa 70 Mitveranstalter und Gäste stimmen optimistisch, dass durch die gewählten Veranstaltungsformate die unterschiedlichen Zielgruppen erfolgreich angesprochen werden.

Als Besuchermagnet erwiesen sich erneut die festen Beobachtungsstationen. Der schon legendäre „Vogelturm“ im Vorland am Vareler Hafen verzeichnete mit mehr als 2000 Besuchern einen neuen Rekord. Weil der Turm alle neun Tage ganztags geöffnet ist und jeweils vier Betreuer vor Ort sind, herrscht statt Gedränge eine entspannte Atmosphäre mit langen und intensiven Gesprächen. „Viele berichten, dass sie ihren Nordseeurlaub bewusst in die Zeit der Zugvogeltage legen und die Urlaubstage im Wesentlichen mit Zugvogeltage-Angeboten gestalten“, weiß Gundolf Reichert, der als Ornithologe der Nationalparkverwaltung den Turm unter seinen Fittichen hat. Kinder lernen unter seiner geduldigen Anleitung den Umgang mit Fernglas und Spektiv, mit teilweise weit angereisten OrnithologInnen entspinnen sich Fachgespräche.

Zum abschließenden Fest kamen noch einmal mehr als 1.300 Besucher. Afrikanische Klänge und Essensdüfte durchzogen das Haus des Gastes und vermittelten so ein wenig Atmosphäre des diesjährigen Zugvogeltage-Partnerlandes Guinea-Bissau. Aussteller wie der Mellumrat, „Mobilum“ (Umweltbildung), der NABU oder das Freiwilligennetzwerk „Watt°N“ hatten liebevoll und kreativ Mitmachaktionen für Kinder vorbereitet, während sich die Großen bei den Anbietern von Ferngläsern, Fachliteratur und Outdoorbekleidung umschauten. Die Aussteller zeigten sich sehr zufrieden: Wer vom Vogelkiek-Virus infiziert ist und ernsthaft dabeibleiben will, kauft sich während oder nach den Zugvogeltagen tatsächlich auch ein Spektiv oder Fernglas bei den führenden Anbietern der Spezialoptik, die seit Jahren die Zugvogeltage aktiv unterstützen.

Die Aussteller hatten wieder ansprechende Preise gestiftet für die Verlosung unter allen Besuchern des Zugvogelfestes. Gleich zehn Minox-Ferngläser wurden unter allen jungen Künstler*innen der Kinderaktion verlost, deren Bilder im Foyer zu bewundern waren.

Erstmals dabei, sowohl draußen als auch beim Fest, waren die „Flugbegleiter“, ein Zusammenschluss von Journalistinnen und Journalisten, die sich der Ornithologie und dem Vogelschutz verschrieben haben und zu diesem Thema Reportagen aus aller Welt veröffentlichen.

Mit großer Neugier erwarteten Fachleute und Gäste das Ergebnis des diesjährigen Zugvogeltage-Aviathlons: Auf welcher Insel und welcher Region wurden während der Zugvogeltage die meisten Vogelarten gesichtet? Noch nie war es so spannend wie in diesem Jahr, berichtete Kai Pagenkopf, der diesen besonderen Wettbewerb im Nationalpark koordiniert. Während Carolinensiel gleich am ersten Tag mit über 100 Arten durchstartete, ließen sich andere etwas Zeit, um dann mit beeindruckenden Artenlisten rauszurücken. Über mehrere Tage blieb es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das Wetter meinte es so gut wie nie zuvor während der Zugvogeltage, doch die leichte Abkühlung mit Winden aus nördlicher Richtung in der zweiten Wochenhälfte bescherte dann den ehrgeizigen Vogelguckern einige Seltenheiten wie Pirol oder Eissturmvogel, die letztlich den Wettbewerb entschieden. Mit je 150 Arten konnten Borkum und das Wangerland die Siegerurkunden nach Hause holen. Insgesamt wurden während der Zugvogeltage 222 verschiedene Vogelarten beobachtet, „ein Beweis für die intensive Vogelbeobachtung während der Zugvogeltage und die hohe Kompetenz der vielen Mitstreiter“ resümiert Peter Südbeck zum Abschluss mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Nach den Zugvogeltagen ist vor den Zugvogeltagen: Schon jetzt laufen die Vorbereitungen für die 11. Auflage vom 12. bis zum 20. Oktober 2019.

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