Jann Bengen (CDU), Hotelier, Gastronom und Freizeitjäger, der auf der Insel Baltrum geschossene Wasservögel im eigenen Restaurant vermarktet (Hotel Strandburg), will mit der kommunalpolitischen Gruppe CDU/Baltrum21 aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer „austreten“ und aus der Insel einen „Naturpark“ machen. Am 02. Oktober 2018 kündigte er dies mit einer Mail an den parteilosen Baltrumer Bürgermeister Berthold Tuitjer an. Den Antrag fügte er bei (pdf.: Antrag zum Austritt der Insel Baltrum). Tuitjer selbst wurde im Sommerloch 2016 „berühmt“, als er allen Ernstes eine Seilbahnverbindung vom Festland nach Baltrum forderte. Daraus wurde außer öffentlichem Spott nichts.
Anlass von Bengens Antrag zum „Austritt aus dem Nationalpark“ ist u.a. die aktuelle Diskussion um die klammheimliche Jagdpachtverlängerung im Nationalpark auf den ostfriesischen Inseln. Die Jägerschaft auf der Insel befürchtet weitere Einschränkungen ihres Hobbys. Inseljäger dürfen an 10 Tagen im Jahr, auch in den strengsten Schutzzonen, auf bestimmte Gänse- und Entenarten jagen. Die Tage müssen nicht zusammenhängen. Der geforderte Naturpark ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz ein großräumiges Gebiet, das überwiegend aus Natur- und Landschaftsschutzgebieten besteht. Er soll eine große Arten- und Biotopvielfalt auf sowie eine durch vielfältige Nutzung (!) geprägte Landschaft aufweisen; zur Nutzung dazu gehört vor allem auch der Tourismus.
Baltrum: viel zu klein für einen Naturpark
Für einen Naturpark, und das verkennt Herr Bengen in seinem Jagdeifer, ist die Insel Baltrum aber viel zu klein. Ein Nationalpark, zu dem Baltrum gehört, ist ein rechtsverbindlich festgesetztes einheitlich (!) zu schützendes Gebiet, das großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart ist. Ein überwiegender Teil des Gebietes muss die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets erfüllen, sich in einem überwiegenden Teil in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sein, in einen Zustand entwickelt zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge mit natürlicher Dynamik gewährleistet.
Vielfältige und abträgliche Nutzungen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
De facto, da und liegt Herr Bengen nicht falsch, wurde der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer entgegen den gesetzlichen Bestimmungen längst zu einem riesigen Freizeitpark mit vielfältigen zugelassenen Nutzungen entwickelt, also genau in das Gegenteil eines Zustandes des ungestörten Ablaufs mit natürlicher Dynamik. Kritiker behaupten, der smarte Nationalparkleiter Peter Südbeck habe seinen Anteil an dieser für den Naturschutz abträglichen Entwicklung. So z.B. die Unterstützung seiner Behörde für die Ausweisung von Kitesurf-Zonen in den Zwischenzonen (nach den Ruhezonen die zweitstrengsten Schutzzonen, Zulassung zudem ohne die vorherige gesetzlich erforderliche Verträglichkeitsprüfung in einem EU-Schutzgebiet) oder die Verleihung von Nationalpark-Partnerschaftsurkunden auch an Hardcore-Touristiker, die sonst lautstarke Musikevents oder gar Höhenfeuerwerke direkt am Großschutzgebiet veranstalten. Tatsächlich sind der Massentourismus, der starke Sportbootverkehr, Kitesurfer in Schutzzonen, die nicht reglementierte Küstenfischerei einschließlich der Miesmuschelentnahme ohne ausgewiesene fischereifreie Zonen, die Baggergutverklappungen, entwässerte oder mit Quecke überwucherte Salzwiesen und schließlich die Jagd auf Zugvögel mit den Zielen eines echten Nationalparks nicht zu vereinbaren.
Der Nationalpark trägt viele Etiketten
Nur ist dieser Nationalpark auch noch EU-Vogelschutzgebiet, zum größten Teil FFH-Gebiet, Biosphärenreservat und – mit dem Etikett wird für noch mehr Tourismus geworben – auch noch „Weltnaturerbe“, zumindest auf dem Papier. In diesem eher kleinen Wattenmeer-Nationalpark mit 3.500 qkm Fläche – davon sind große Bereiche reine Wasserflächen vor den Inseln – prallen also viele Interessen aufeinander, in der Regel zu Lasten des Naturschutzes. Es wäre ein Leichtes, die Jagd auf Wasservögel, die auch Zugvögel sind, zu verbieten, so wie auch schon vor einigen Jahrzehnten die Wattenjagd (Pooljagd) aus verschalten Löchern im Watt mit angepflockten Lockenten verboten wurde. An dem Verbot hatten die Aktionen und die Aufklärungsarbeit unseres Mitarbeiters Eilert Voß großen Anteil. Voß hatte auch in jahrelanger zäher Dokumentationsarbeit bei jedem Wetter zahlreiche Jagdverstöße bei der Jagd auf Zugvögel im angrenzenden EU-Vogelschutzgebiet an der Ems (Petkumer Deichvorland) festgehalten. Voß´ beharrliche Arbeit führte dazu, dass die Jagd auf Wasservögel in allen EU-Vogelschutzgebieten – und nicht nur im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer – 2013 bei Regierungsübernahme von SPD-B90/Grüne in Niedersachsen mit Landwirtschaftsminister Christian Meyer (B90/Grüne) zunächst kritisch gesehen und die Einstellung in Aussicht gestellt wurde. Dagegen sperrte sich der Koalitionspartner SPD mit der SPD-Landtagsabgeordneten Johanne Modder aus dem gänsereichen Rheiderland. Zu den zahlreichen Informationsveranstaltungen der SPD für die aufgebrachte Jägerschaft wurde der Wattenrat nicht eingeladen. Heraus kam schließlich eine Verkürzung der Jagdzeiten mit einer 14-tägigen „Intervalljagd“ in den EU Vogelschutzgebieten. Die Intervalljagd wurde 2017 bei Regierungsübernahme von SPD und CDU sofort wieder kassiert. Auch wenn die Jagd auf das sog. „Wasserfederwild“, wie es in der Jägersprache heißt, noch mehr eingeschränkt oder verboten würde: Unberührt von der Wasservogeljagd sind die Treibjagden z.B. auf Fasane oder Kaninchen auf den Inseln, die mehrfach im Jahr durchgeführt werden und die ebenfalls zur erheblichen Beunruhigung der Rastvögel führen.
Die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN)
Die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) ist – man glaubt es kaum – ein „anerkannter Naturschutzverband“ und hält zäh an der Jagd auf „Wasserfederwild“ auch in Schutzgebieten fest. Der Präsident der LJN ist der niedersächsische Landtagsabgeordnete und Landwirt Helmut Dammann-Tamke (CDU), stellvertretender Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion. Es ist nicht abwegig anzunehmen, dass Herr Dammann-Tamke durch seine politischen Vernetzungen Einfluss auf die Jagdgesetzgebung im Lande hat.
Auch der Rat der Insel Juist wollte 1986 schon einmal aus dem Nationalpark“ austreten“, als die einschränkenden Betretensregelungen durch die damalige Nationalparkverordnung (heute Nationalparkgesetz) öffentlich diskutiert wurden.
In eigener Sache:
Obwohl der Wattenrat die absurden Baltrumer CDU-Austrittsabsichten bereits am 03. Oktober 2018 für die Presse publik gemacht hatte, kam der Wattenrat in der anschließenden Lokal- und Regionalberichterstattung – mit Ausnahme in einer dpa-Meldung vom 07. Oktober 2018 – nicht vor. So ergeht es eben den Akteuren und „Propheten im eigenen Lande“. Dafür wurde die BUND-Landesgeschäftsführerin aus dem fernen Hannover zitiert. Der BUND hat sich bisher mit seinen Mitgliedern an der Küste nicht wahrnehmbar mit der Jagdproblematik im Nationalpark beschäftigt.
dpa/lni: 08. Oktober 2018:
Kopfschütteln über Baltrumer Vorstoß
Hans-Christian Wöste
Baltrum /Langeoog /Wilhelmshaven Der ungewöhnliche Vorstoß von der ostfriesischen Insel Baltrum hat den alten Streit um Naturschutz im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer angeheizt. Baltrum sollte besser aus dem Nationalpark austreten, heißt es in einem Antrag des CDU-Ortsverbandes. […] „Skurriler geht’s nicht“, kritisiert dagegen Bürgermeister Uwe Garrels (parteilos) von der Nachbarinsel Langeoog den Vorschlag. Die anderen Inseln würden den Baltrumer Weg nicht mittragen. […] Als Hintergrund des CDU-Antrages sieht Naturschützer Manfred Knake vom Wattenrat die aktuelle Debatte über die Jagdpachtverträge im Nationalpark auf vier ostfriesischen Inseln. […] „Die Inseljäger befürchten nun weitere Einschränkungen ihres Hobbys, in einem Naturpark wäre die Jagd weniger restriktiv geregelt“, sagt Knake. […]
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Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“
(NwattNPG), vom 11. Juli 2001
§ 8 Jagd in der Ruhezone
(1) Die Ausübung des Jagdrechts ist nach Maßgabe des Niedersächsischen Jagdgesetzes erlaubt, soweit nicht in Absatz 2 etwas Abweichendes bestimmt ist.
(2) Die Jagd auf Wasserfederwild ist nur auf den besiedelten Inseln und mit Zustimmung der Nationalparkverwaltung zulässig. Die Zustimmung wird je Insel für bis zu zehn Tage jährlich erteilt; die Tage müssen nicht zusammenhängen. Sie muss von der Revierinhaberin oder dem Revierinhaber spätestens eine Woche vor dem beabsichtigten Jagdtermin schriftlich beantragt werden. Die Zustimmung setzt voraus, dass die Jagd den Schutzzweck dieses Gesetzes nicht erheblich beeinträchtigt. Für die von der zuständigen Behörde bekannt gegebenen offiziellen Zähltage im Rahmen der internationalen Wasser- und Watvogelzähltage darf keine Zustimmung erteilt werden. Wird ein erlaubter Jagdtag wegen entgegenstehender Witterungsverhältnisse nicht genutzt, so ist auf Antrag nach Maßgabe der Sätze 3 bis 5 die Zustimmung zu einem Ersatztag zu erteilen.
(3) Die Nationalparkverwaltung kann Maßnahmen zur Lenkung des Bestandes von jagdbaren und anderen Tierarten einschließlich Wasserfederwild veranlassen.