Die arktischen Wildgänse, die an Ostfrieslands Küste überwintern und sich hier ihren „Treibstoff“ für den Rückflug in die nordeuropäischen oder asiatischen Brutgebiete anfressen, werden seit Jahren von Bauern mit Hilfe der Lokalpresse dämonisiert. Sie fräßen Rindern oder Schafen das Futter weg, machten das Gras durch die Verkotung unbrauchbar oder verursachten Fraßschäden. Die Landwirtschaftslobby mit der stets offenen Hand macht inzwischen auch den Gänsefraß zu Geld. Jeder Landwirt, der am Vertragsnaturschutz teilnimmt, erhält Ausgleichzahlungen pro Jahr und Hektar, egal ob tatsächlich Fraßschäden durch Gänse aufgetreten sind oder nicht. Die neueste Horrornummer verbreiteten der Oberdeichrichter und Landwirt Heiko Albers von der Deichacht Moormerland im Landkreis Leer und sein Kolllege Alwin Brinkmann, ehemaliger SPD-Oberbürgermeister der Stadt Emden, der nun als Oberdeichrichter für die Krummhörn im Küstenschutz umgeht.
„Gänse gefährden Schafe und Küstenschutz“ titelte die Ostfriesen Zeitung am 28. März 2018 und begann, völlig recherchefrei, mit diesen Sätzen:
„Wildgänse werden zu einem immer größeren Störfaktor beim Schutz von Ostfrieslands Küsten. Das machen die Oberdeichrichter Heiko Albers von der Moormerländer Sielacht und Alwin Brinkmann von der Deichacht Krummhöm deutlich. Wie Albers erklärt, verursachen die Gänse gleich mehrere Probleme. »Sie fressen den Schalen im Frühjahr das Futter weg.“ Dadurch hätten die Schäfer deutlich weniger Ertrag. Zugleich verunreinigen die Gänse mit ihrem Kot das Gras auf den Deichen, das sie nicht fressen. Das dann mit Keimen belastete Futter mache die Schafe krank. Die Paarhufer seien wichtige Mitarbeiter im Küstenschutz, betont Albers. Sie halten die Grasnarbe der Deiche kurz und sorgen für eine feste Oberfläche.“
Nichts davon stimmt. Das moderne nährstoffreiche „Industriegras“ ist so schnellwüchsig, dass die Bauern viermal (in sehr guten Jahren sogar fünfmal) Gras als Silage ernten können. Jeder Schafhalter, der auch Hausgänse hält weiß, dass Gänse keine Krankheiten auf Schafe übertragen und ein Miteinander problemlos möglich ist. Wenn Schafe Parasiten haben, müssen sie spezifisch behandelt werden, genau wie Gänse.
Am 11. April 2018 kam die Ostfriesen Zeitung dann auf den Boden der Tatsachen zurück („Parasiten machen Schafe krank“) und zitierte eine Amtstierärtzin. Sie hielte die Ausbreitung der sogenannten Kokzidien über Gänsekot für unwahrscheinlich. Der Schafgesundsheitsdienst der Landwirtschaftskammer habe auf Nachfrage die Verbreitung der Parasiten durch Gänse ausgeschlossen.
Auch die „Verkotung“ des Grases durch die überwinternden Gänse ist ein gerne genommener Vorwand, um Stimmung gegen die Zugvögel zu machen. Tatsächlich sind es die Bauern, die großflächig zu jeder Jahreszeit die Flächen mit dem Flüssigdünger, sprich Gülle, aus der Massentierhaltung besprühen und „verkoten“. Das geschah verbotenerweise auch im Februar und März 2018 bei gefrorenem Boden. Die Böden waren schwarz von der Gülle, die der Boden gar nicht aufnehmen konnte; die Gänse wichen auch auf die nicht begüllten Deiche aus. Und ganz nebenei, auch Schafe „kötteln“. Die Deiche sind bei Schafbeweidung übersät mit den Hinterlassenschaften der lebendigen „Rasenmäher“. Im März 2018 wurde die Ems für die Überführung des Meyer-Kreuzfahrtschiffes „Norwegian Bliss“ aufgestaut, dadurch wurden große Teile des Emsvorlandes (EU-Vogelschutzgebiet!), die auch Äsungsflächen für Gänse sind, überschlickt und damit den Gänsen die Nahrungflächen entzogen.
Mit den Stichwort „Küstenschutz“ lässt sich immer wieder Angst und Stimmung bei der Bevölkerung erzeugen, dann setzt nicht selten das Denken aus. Das haben die beiden Oberdeichrichter Albers und Brinkmann mit ihrem propagandistischen Versuch der Gänseverteufelung womöglich ins Kalkül gezogen, der Schuss ging aber nach hinten los. Nur haben sie sich bis heute nicht von ihrer durchsichtigen Gänsehetze öffentlich distanziert, das spricht nicht für sie. Bemerkenswert: Oberdeichrichter Albers war bis 2017 auch ehrenamtlicher Landwirtschaftsrichter am Oberlandesgericht in Oldenburg, da erwartet man doch eigentlich ein besonders nüchternes Urteilsvermögen. Auch vom Naturschutzverband NABU hörte man bisher nichts Kritisches zu der abwegigen Gänsenummer der beiden Oberdeichrichter. Der NABU-Ostfriesland hat sich inzwischen abhängig von Projektfördergeldern des Landes Niedersachsen gemacht, da ist Schweigen wohl Gold wert…