Übernommen mit freundlicher Genehmigung von der Europäischen Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE):
Jamaika- und Große Koalitionen. Oder die Bedeutungslosigkeit des Naturschutzes – November 2017
Man mag der an liberalem Übermut untergegangenen Aussicht auf eine deutsche Jamaika-Koalition nachtrauern. Vielleicht sogar oder einzig aus naturschutzpolitischen Gründen der Bündnisgrünen wegen. Doch war ihr Beitrag in Regierungsverantwortung zum Naturschutz nie besonders groß – weder im Bund noch in den Ländern, wo Bündnisgrüne derzeit in sieben von 16 Ländern die Ressortverantwortlichen für den Naturschutz stellen. Der in der Öffentlichkeit mit viel Häme bedachte Satz der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckhart, „wir wollen, dass in diesen vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“, hat deswegen nicht grundlos bei Insidern des Naturschutzes Kopfschütteln und Rätselraten ausgelöst:
Wieso „weiter“? In Wahrheit hat diese Partei für den Naturschutz kaum etwas unternommen, sondern den Schutz der Biodiversität eher anderen Interessen untergeordnet: nämlich mit edlen Absichten verbrämten robusten Gewinninteressen der regenerativen Energiewirtschaft. Das bündnisgrüne Herz schlägt gewiss nicht für Glyphosat, für Biogas- und Windenergieanlagen aber allemal. Dass sich andere Parteien für diese Interessen kaum weniger und für den Naturschutz nicht mehr verwenden, macht die Sache nicht besser.
Der Stellenwert des Naturschutzes ist in allen Parteien denkbar gering. Im Bund und in den Ländern. Pars pro toto der Blick nach Niedersachsen in die dort soeben ins Amt gekommene Große Koalition: An der Spitze des Umweltministeriums rückt der bisherige Wirtschaftsminister [Anmerkung Wattenrat: Olaf Lies, SPD]. Der bisherige Staatssekretär aus dem Finanzministerium wechselt als Staatssekretär ins Umweltministerium. Man fragt sich, worin die Naturschutzkompetenz von Minister und Staatssekretär – beide SPD – bestehen könnte. Der Minister hatte sich mehr gegen den Naturschutz positioniert, als man es einem Wirtschaftsminister nachsehen kann. Selbst wenig naturschutzgeneigte Medien fragen sich, ob der Minister seine neue Rolle wohl finden wird.
Auch der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU gibt keinen Anlass für positive Erwartungen: Weitere Waldflächen sollen nicht aus der Nutzung genommen, Fischerei und Angelei in Schutzgebieten als Beitrag zum Arten- und Biotopschutz gestärkt werden. Neue Kompensationsflächen sollen zugunsten wertvoller landwirtschaftlicher Nutzflächen beschränkt werden. Die Möglichkeit einer Bundesratsinitiative für eine Einschränkung der Eingriffsregelung bei Küsten- und Hochwasserschutz soll geprüft und die Landesnaturschutzverwaltung evaluiert werden. Der Verlust der Artenvielfalt soll erforscht werden, als wären die Ursachen des Desasters nicht offenkundig. Der Vertragsnaturschutz bei der Sicherung von Natura-2000-Gebieten soll gestärkt, die Ausweitung des Erschwernisausgleichs für Land- und Forstwirtschaft geprüft werden. Angesichts dieser Ankündigungen erscheint die sozial-christliche Vereinbarung, den Wolf nach Feststellung seines günstigen Erhaltungszustandes ins Jagdrecht zu geben, beinahe harmlos. Im Niedersächsischen Landtag ist die SPD die stärkste Fraktion, aber im Naturschutz ist sie so profil- und ideenlos wie nie zuvor.
Nach fraglos konkret Positivem für die Sache des Naturschutzes sucht man in dem 138seitigen Koalitionsvertrag lange vergeblich und tröstet sich: An Fließgewässern soll künftig ein Streifen von einem Meter Breite von Düngung und Pflanzenschutz ausgenommen werden. Gute Vorzeichen für eine Neuauflage der Großen Koalition im Bund sind das nicht.
Ein ergänzender Kommentar von Manfred Knake:
Man stelle sich vor, ein Politiker der Partei X behauptete öffentlich, die Erde sei eine Scheibe und nur seine Partei könne verhindern, dass man vom Rande hinunterfiele. Dieser Politiker wäre eher ein Fall für die Psychiatrie statt für das Parlament. Frau Göring-Eckardt behauptete tatsächlich auf dem kleinen Parteitag der Grünen am 17. September 2017 in Berlin:
„Wenn man den Klimawandel leugnet, wenn man mehr Klimawandel haben will, dann wählt man FDP. Wenn man aber will, dass der Klimawandel gestoppt wird, dass die Erderwärmung gestoppt wird, dass die Klimakrise ein Stoppschild bekommt, dann wählt man Bündnis 90/Die Grünen am 24. September.“ (Quelle: ARD, Tagesschau, 17. 09. 2017: ab Minute 1:34)
Bisher haben sich die Grünen nicht messbar für den Natur- und Artenschutz im „Jahrzehnt der Biodiversiät“ eingesetzt. Im Gegenteil, sie fordern weiterhin den massiven Ausbau der Windenergie, die für den tausendfachen Tod von Vögeln und Fledermäusen ursächlich ist und Vogelrastgebiete durch den Scheucheffekt großräumig entwertet. Die Grünen glauben tatsächlich, mit Windenergie ließe sich das Klima beeinflussen. Das hielt aktuell den Vulkan Agung auf Bali nicht davon ab, ungezählte Tonnen Staub, Asche und CO2 auszuwerfen. Es war wohl mal wieder nichts mit der „Klimabilanz“ und dem Am-Rad-drehen für ein imaginäres „2-Grad-Ziel“.
In Niedersachsen unterstützten die Grünen auch in der Regierungsverantwortung nicht die Schaffung von fischereifreien Zonen im „Weltnaturerbe“ und Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Zu einer Einstellung der Zugvogeljagd in den EU-Vogelschutzgebieten an der Küste konnten sie sich auch nicht durchringen. Die grüne Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz, bis vor kurzem Fraktionsvorsitzende der Partei und nun Landtagsvizepräsidentin, hatte auch nichts gegen die sommerlichen Bespaßungs-Feuerwerke zur Brutzeit auf einigen ostfriesischen Inseln – im Nationalpark Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ – einzuwenden. Den Standort der Meyer Werft im binnenländischen Papenburg halten die Grünen nun auch für normal, obwohl die Ems durch die ständigen Baggerarbeiten für die Überführung der riesigen Musikdampfer ständig auf Tiefe gehalten werden muss und dafür „nachhaltig“ kaputtgemacht wurde.
Die plötzlich insekten- und vogelbewegte grüne Partei glaubt offensichtlich immer noch, dass Zitronenfalter Zitronen falten können. 91,1 Prozent der Wähler haben, ganz nebenbei, die Grünen bei der Bundestagswahl 2017 nicht gewählt, trotzdem geriert sich die Partei wie der politische Steuermann in Deutschland.