In der aktuellen Pressemitteilung der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg (IHK) wird deren Präsident Dr. Bernhard Brons anlässlich eines IHK-Treffens im Haus des Europäischen Parlaments in Brüssel zitiert. Schirmherr der Veranstaltung war der Hamburger Europaabgeordnete Knut Fleckenstein (SPD). Wirtschaftslobbyist Dr. Brons äußerte sich dort auch zur „schwarz“ gebauten Umgehungsstraße Bensersiel/Stadt Esens im Landkreis Wittmund.
Zitat: „[…] Für eine deutliche Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben hat sich jetzt der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Ostfriesland und Papenburg, Dr. Bernhard Brons, in Brüssel ausgesprochen. Bei einer Veranstaltung der in der IHK-Nord zusammengeschlossenen 12 Küsten-IHKs Anfang dieser Woche im Haus des Europäischen Parlaments führte Brons zahlreiche Beispiele an, wie die überlange Dauer bei Planung und Bau von Infrastrukturvorhaben die wirtschaftliche Entwicklung der Region behindern. […] Auch im Bereich Straße gebe es Entwicklungen, die nur schwer nachvollziehbar seien: „Völlig absurd“ nannte Brons den Streit um die Umgehungsstraße im Küstenort Bensersiel. Die Straße bringe für die Ortsdurchfahrt Bensersiel die erhoffte Entlastung. Nach Klagen eines Anliegers sei die Samtgemeinde Esens zum Rückbau der Straße verurteilt worden, weil die Abgrenzung zu einem Vogelschutzgebiet vom Land fehlerhaft vorgenommen wurde. Um die Situation noch „irgendwie zu retten“, hätten sich die Samtgemeinde und der Landkreis Wittmund jetzt darauf verständigt, die Straße erst einmal zu sperren und den Bau nachträglich zu legitimieren. Jahrelange Planungsarbeiten hätten sich nicht als gerichtsfest erwiesen, und der Verkehr quäle sich rechtzeitig zum Auftakt der Saison wieder durch Bensersiel – für den IHK-Präsidenten „ein Ostfriesenwitz der schlechten Sorte“. […]“ Zitat Ende
Absurd und vor allem unrichtig ist nur die Darstellung von Dr. Brons in Brüssel: Weder ist die Stadt Esens zu einem Rückbau der Umgehungsstraße verurteilt worden, noch gab es nur eine „Verständigung“ zur Straßensperrung. Richtig ist in der Tat die fehlerhafte Abgrenzung des EU-Vogelschutzgebietes V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ durch das Land Niedersachsen, um den Straßenbau aus tourismuswirtschaftlichen Gründen überhaupt zu ermöglichen und – vermeintlich – rechtssicher zu machen. Richtig ist vor allem, dass die Ignoranz der Mehrheit der Ratsmitglieder der Stadt Esens zusammen mit der damaligen Verwaltungsspitze verantwortlich für die Planungen der Straße waren. Die warnenden Einwendungen gegen die Straßenplanungen in einem „faktischen Vogelschutzgebiet“, unabhängig von der fehlerhaften Abgrenzung durch das Land Niedersachsen, wurden im damaligen Beteiligungsverfahren (2003) ignoriert und einfach mehrheitlich „weggewogen“. Die teuren Folgen sind bekannt.
Richtig ist auch, dass der enteignete Landeigentümer und Kläger gegen den Straßenbau auf seinen Ländereien in drei Gerichtsverfahren – vom OVG Lüneburg bis zum Bundesverwaltungsgericht – nachweisen konnte, dass er a) zu Unrecht enteignet wurde und b) bereits die zugrunde Bebauungspläne für die Umgehungsstraße Bensersiel – verantwortlich dafür sind der Rat der Stadt Esens und die Verwaltung – in einem „faktischen Vogelschutzgebiet“ rechtsfehlerhaft und damit rechtsunwirksam waren, die Straße also ein „Schwarzbau“ ist. Es ging jedoch nicht um Planungshemmnisse oder gar die Behinderung der wirtschaftliche Entwicklung, es war die behördliche Missachtung von europäischem Naturschutzrecht, das Herrn Dr. Brons möglicherweise nicht im Detail bekannt ist. Aus öffentlich zugänglichen Quellen könnte er sich zudem über die Entwicklung der Causa „kommunale Entlastungsstraße“ und die möglichen Konsequenzen für die Stadt Esens informieren.
Dieser von Dr. Brons so genannte „Ostfriesenwitz“ war also zunächst ein rechtsstaatliches Verfahren, das die Stadt Esens verloren hat, teuer bezahlt vom Steuerzahler. Die Verantwortlichen für diesen enorm haushaltsbelastenden „Ostfriesenwitz“ sind denn wohl eher im Esenser Rat und Rathaus zu suchen. Dass Esens nun in Schilda umbenannt werden soll, ist allerdings nur ein Gerücht. Von der Amtshaftung redet bisher niemand.
Richtig ist, dass der Landeigentümer eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg eingereicht hat, um die Straßensperrung durchzusetzen, dem kam die Stadt nun zuvor. Denn nach §3 der zugrundeliegenden Landschaftsschutzverordnung des Landkreises Wittmund vom Oktober 2016 für den Bensersieler Bereich ist ein Fahrverbot für „Kraftfahrzeuge aller Art“ auf der nicht gewidmeten (nun Privat-)Straße sogar zwingend geboten. So steht es in der Verordnung, die eigens vom Landkreis Wittmund nach einem 50.000 Euro teuren Gutachten verabschiedet wurde, um die Straße im inzwischen neu abgegrenzten Vogelschutzgebiet nachträglich – und trickreich – legalisieren zu können; der Erfolg bleibt abzuwarten! Und der Verkehr „quält“ sich auch nicht durch Bensersiel, das sieht nach in anderen Medien veröffentlichten Bildern nur so aus, weil die links und rechts abgestellten Fahrzeuge auf den zugelassenen Parkstreifen zu sehen sind. Dies erweckt den Eindruck, in Bensersiel herrsche Dauerstau. Eng wird es nur an Wochenenden, aber da beginnt der Stau, genau wie in allen anderen Küstenbadeorten auch, schon im vier Kilometer entfernten Esens, wenn die Touristen lemminggleich an die Küste stürmen. Und sie kommen nicht zu Fuß!
Nachsatz: Die nur mit einem Verkehrsschild gesperrte „Entlastungsstraße“ wird trotz der „Sperrung“ nach wie vor befahren. Das Verkehrsaufkommen ist, genau wie vor der Sperrung, ebenfalls nach wie vor gering. Die Touristen wollen überwiegend in den Ort Bensersiel hinein, in den Hafen, auf den Campingplatz, ins Schwimmbad, in die Restaurants. Eine wirklich wirksame Straßensperrung mit Absperrbaken ist nicht beabsichtigt, wie die nachstehende Mail des Wittmunder Landrates an den Wattenrat-Koordinator vom 29. Juni 2017 zeigt…
Sehr geehrter Herr Knake,
der Landkreis Wittmund als Kommunal- oder Fachaufsicht sieht derzeit keine rechtliche Handhabe die Stadt Esens anzuweisen, die Sperrung der Ortskernentlastungsstraße durch bauliche Mittel zu verstärken.
Aus verkehrsrechtlicher Sicht ist der derzeitige Zustand auch nicht als problematisch zu bewerten, so ist derzeit die Einschätzung unserer Kreisverwaltung.
Das Verkehrszeichen, das die Einfahrt untersagt, steht und ist durch die Verkehrsteilnehmer natürlich zu beachten. Wer dennoch durchfährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Verfahren rechnen.
Dennoch habe ich in dieser Frage kurzfristig das Gespräch mit der Stadt gesucht und die Lage jetzt, rund zwei Wochen nach der Sperrung, noch einmal mit Stadtdirektor Harald Hinrichs erörtert.Mit freundlichen Grüßen
Holger Heymann
Landkreis Wittmund
Am Markt 9
26409 Wittmund
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Fax.: 04462/86-1712
Bearbeitet 02. Juli 2017, 20:26