Anfang der neunziger Jahre warnte die Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg vor dem Zubau der ostfriesischen Landschaft mit Windkraftanlagen. Damals fürchtete man um die Attraktivität des Fremdenverkehrs. Das änderte sich schnell, als die Windenergie boomte; die IHK unterstützt seitdem vehement den Ausbau und schreckte auch nicht vor haltlosen Propagandameldungen zurück: IHK und Windkraftzahlen – Schön gerechnet
Das ehemals weite Ostfriesland ist vielerorts einer hässlichen rotierenden Industrielandschaft gewichen, vollgestellt mit fast 1300 Windkraftanlagen. Das spricht sich langsam auch bei den Touristen herum. Die Attraktivität dieses Landstriches hat erheblich gelitten, nicht nur für die Touristen, auch für die Einwohner, die hier 365 Tage im Jahr wohnen. Nun hat die Wirklichkeit die früheren Aussagen der IHK eingeholt, Wissenschaftler der Universität Hannover haben die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf den Tourismus untersucht.
Presseinformation Nr. 106/2015 der Leibniz Universität Hannover: (Anmerkung: Die Fotos sind nicht Bestandteil der Pressemitteilung.)
Studie zum Einfluss von Windkraftanlagen auf den Tourismus in Deutschland
Welche Auswirkungen haben Windkraftanlagen auf touristische Regionen?
Wissenschaftler des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie an der Leibniz Universität haben in ihrer Studie „Gone with the wind? The impact of wind turbines on tourism demand“ einen möglichen Konflikt zwischen dem Bau von Windenergieanlagen und der Attraktivität touristischer Regionen untersucht. Regionen, die mit Windkraftanlagen gespickt sind, gelten allgemeinhin als nicht besonders attraktiv für Touristinnen und Touristen. Von einer „Verspargelung“ der Landschaft ist die Rede. Bisherige Studien deuten auf einen negativen Zusammenhang zwischen Energiegewinnung aus Wind und touristischer Nachfrage hin. Allerdings basieren alle Studien auf Stichprobenerhebungen, die lediglich für bestimmte Regionen und Zielgruppen repräsentativ und aussagekräftig sind.
Juniorprofessor Tom Brökel und Christoph Alfken vom Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie analysieren in ihrer Untersuchung erstmals wissenschaftlich verlässlich und generalisierbar den Zusammenhang von Windkraftanlagen und regionaler touristischer Nachfrage. Dafür haben die Autoren ein Datenset genutzt, das flächendeckende Informationen zum Ausbau von Windkraftanlagen mit offiziellen statistischen Kennziffern der Tourismusnachfrage in deutschen Gemeinden verbindet. Dabei wird erstmals nicht nur die Anzahl der Windkraftanlagen in der Tourismusregion selber, sondern auch die Präsenz von Windkraftanlagen im Umland berücksichtigt. Die statistische Analyse zeigt, dass sich Windkraftanlagen negativ auf den Tourismus im nahen Umland bis 20 Kilometern auswirken können. Allerdings zeigt die Studie auch, dass die negativen Auswirkungen durch eine insgesamt weiter steigende Tourismusnachfrage kompensiert werden. Die statistisch signifikanten Effekte bleiben somit überschaubar in Bezug auf Stärke und Auswirkung.
Weiterhin zeigt die Studie, dass küstenferne Regionen eher unter einem negativen Effekt der Windkraftanlagen zu leiden scheinen. In Küstenregionen ist der Zusammenhang komplexer: Touristinnen und Touristen meiden Gemeinden, die sehr dicht mit Windkraftanlagen besiedelt sind und in denen der Ausbau weiter voran schreitet. Sie scheinen jedoch in Nachbargemeinden auszuweichen, in denen die Anzahl der Anlagen im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Zielregion geringer ist.
Das Arbeitspapier zur Studie ist zu finden unter: https://mpra.ub.uni-muenchen.de/65946/1/MPRA_paper_65946.pdf.
Die Studie wird demnächst im Fachjournal Energy Policy publiziert.