Ems: Zauberlehrlinge mit Schlickfalle gescheitert, Umweltverbände maulen wegen Geld für Studie

Ems-Stauwerk auf der Ems – Foto (C): Manfred Knake

Schilda könnte an der Ems liegen: Im binnenländischen Papenburg werden auf der Meyer Werft riesige Kreuzfahrtschiff gebaut, die jedesmal aufwändig an das seeschifffahrttiefe Wasser der Nordsee gelotst werden müssen. Dafür wurde für fast 300 Millionen ein Stauwerk bei Gandersum gebaut, das im offiziellen Sprachgebrauch  „Sperrwerk“ genannt wird, angeblich um die Fluten der Nordsee zu bremsen. Das Küstenschutzetikett  stellte die EU-Kommission ruhig, die sonst beim Bau des Sperrwerks in einem EU-Vogelschutzgebiet eingegriffen hätte. Trotz des Stauwerks muss die Ems immer noch ständig ausgebaggert werden, damit die Meyer-Schiffe durch den Fluss passen, auch das bezahlt der Steuerzahler.

Durch die Vertiefung erhöhte sich die Fließgeschwindigkeit des Flusses enorm, gewaltige Schlickmassen werden von der Mündung in das Flusssystem gedrückt, die wiederum für viel Geld ausgebaggert werden müssen. Ein kostenintensiver Kreislauf ohne Ende, den der Steuerzahler bezahlt. Und nur, weil ein Werft-Chef sich weigerte, an die Küste umzuziehen. Die Zauberlehrlinge der Küstenschutz- und Wasserbaubehörden bekommen den Schlick nicht in den Griff. Nun sollte probeweise das Stauwerk als „Schlickbremse“ durch Schließen der Tore verwendet werden.

Dalben in der Ems macht die Strömung sichtbar – Foto (C): Manfred Knake

Das ging gründlich daneben: Oberhalb des Sperrwerk wurde ein Stahldalben fortgerissen, es entstand ein 14m tiefes Loch im Emsboden, ein gewaltiger Kolk, der die Standfestigkeit des Stauwerks bedrohen könnte.

Hier wurde ein tonnenschwerer Dalben weggespült (Markierung) – Foto (C): Eilert Voß

Das Loch wird derzeit mit einem Baggerschiff verfüllt. Das Problem der Fließgeschwindigkeit wird sich noch vergrößern, wenn die Außenems, wie geplant, auf 14m Tiefe für seegehende Schiffe vertieft wird. Die Politik ist, wie gewohnt, mehrheitlich blind für Ursache und Wirkung.

Hopperbagger auf der Ems – Foto (C): Eilert Voß

Pressemitteilung des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN):

Ems-Sperrwerk: Versuchsreihe wird gestoppt und der Kolk verfüllt Presseinformation vom 11. August 2010 // Sohlerosionen wegen hoher Strömungsgeschwindigkeit

Die am vergangenen Freitag begonnene zweite Versuchsreihe zur Reduzierung der Schlickeinträge in die Ems mit Hilfe des Sperrwerks wird abgebrochen und vermutlich im kommenden Jahr neu aufgelegt. Der oberhalb des Sperrwerks entdeckte Kolk soll jetzt so schnell wie möglich verfüllt werden. „Noch am heutigen Mittwoch wird versucht, den 27 Meter langen Stahl-Dalben aus dem Kolk zu bergen“, sagte Herma Heyken, Sprecherin des NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz).

Peilungen haben ergeben, dass der Kolk an der tiefsten Stelle etwa 14 Meter tief ist: „Wir müssen ihn verfüllen und die Erosion stoppen“, betonte Heyken. „Das nahe gelegene Sperrwerk steht auf sicherem Grund, nur wenn wir jetzt nicht handeln, könnte es gefährlich werden“.

Zum Hintergrund: Am Montagabend hatten Mitarbeiter des NLWKN festgestellt, dass ein Schiffsdalben ganz in der Nähe der Hauptschifffahrtsöffnung des Sperrwerks umgefallen war. Bei der anschließenden Kontrolle war die Sohl-Erosion aufgefallen. Ursache für diese Auskolkung scheint die hohe Strömungsgeschwindigkeit zu sein, die bei den Sperrversuchen im Bereich der Hauptschifffahrtsöffnung des Sperrwerks insbesondere bei den Dalben aufgetreten ist. Deshalb wird die Versuchsreihe jetzt abgebrochen. Wann die Versuche im kommenden Jahr fortgesetzt werden, steht noch nicht fest. In den ersten Versuchen vom September letzten Jahres waren derartige Probleme nicht festgestellt worden. Die am vergangenen Freitag begonnene zweite Versuchsreihe zur Reduzierung der Schlickeinträge in die Ems mit Hilfe des Sperrwerks sollte noch bis zum 5. September dauern.

Parallel zu den irrsinnigen Versuchsreihen zur Bändigung der Schlickfracht basteln die Naturschutzorganisationen BUND, NABU und WWF am Projekt „Ems-Kanal“, das schon mal zu Nazi-Zeiten begonnen, aber wieder eingestellt wurde, der sog. „Adolf-Hitler-Kanal“ aus den Dreißigerjahren. Dieser Kanal soll, so die Umweltorganisationen, die Ems entlasten und renaturieren. Die Folge wäre eine weitere enorme Industriealisierung und der Ems-Region am Kanal parallel zur Ems. Die öffentliche Meinung schlägt den Umweltverbänden unverhohlen entgegen, es wird dabei aber nicht zwischen der regionalen „Basis“ der  Verbände und den wenigen Funktionären, die dieses Projekt favorisieren, differenziert.

Protest am Ems-Stauwerk gegen die Meyer Werft – Foto (C): Eilert Voß

Nun gibt es Streit um die Finanzierung einer „Studie“ zur Renaturierung der Ems. BUND, NABU und WWF haben sich erst Mal aus den Gremien der Bingo-Stiftung  und der Projektgruppe Emskanal zurückgezogen. Die Umweltorganisationen wollen allen Gespräche mit der Landesregierung zum Thema Ems vorerst fernbleiben. Der Grund: Die Niedersächsische Bingostiftung für Umwelt und Entwicklung hat erneut eine Entscheidung über den Zuschuss für die Studie zur Renaturierung der Ems vertagt. Das Gremium verzögere seit Monaten die Förderung der Studie, so die drei Organisationen in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. Sie soll knapp 900 000 Euro kosten. 250 000 Euro gibt es von der Deutschen Umweltstiftung. Bei der Bingostiftung hatten die Verbände 342 307 Euro beantragt.

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, NABU und WWF, 12. August 2010

Die Möglichkeiten zur Wiederherstellung einer lebendigen Flusslandschaft an der Unterems sollen im Rahmen einer Studie festgestellt und visualisiert werden. Ein entsprechender Antrag der Umweltverbände WWF, BUND Niedersachsen und NABU Niedersachsen war bereits von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Emsrat bewilligt worden. Der Verwaltungsrat der Bingostiftung für Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit verschob in seiner Sitzung am Dienstag erneut die Bestätigung dieser Entscheidung. Die Umweltverbände sehen jetzt die Basis für eine konstruktive Kooperation für eine gesunde Ems in Frage gestellt.

„Es ist irritierend, dass der Verwaltungsrat über Monate zu keiner Entscheidung kommen kann“ sagt Beatrice Claus, WWF-Naturschutzexpertin. „Oberstes Ziel der Verbändeinitiative ist und bleibt der Schutz einer lebendigen Ems“.

Seit Jahrzehnten werden regelmäßig Baumaßnahmen und Baggerungen in und an der Ems vorgenommen, die nach Einschätzung der Verbände zur Verschlechterung des Ökosystems führen, die Uferbereiche schädigen und erhebliche Probleme aufgrund enorm gestiegener Schlickmengen mit sich bringen. „Es ist festzustellen, dass die bisherigen Bestrebungen einer ökologischen Verbesserung nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt haben“, stellt BUND Landesgeschäftsführer Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler klar.

„Daher ist es nur legitim, wenn sich die Umweltverbände der Frage stellen, welche Möglichkeiten zur Renaturierung der Ems überhaupt derzeit noch bestehen und welches Ziel für eine Emsrenaturierung angestrebt werden sollte. Es wird eine Betrachtung der Renaturierungsmöglichkeiten unter Beibehaltung der Schifffahrt, einer reduzierten Nutzung sowie bei Entwidmung als Bundeswasserstraße erfolgen“, betont NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann.

Die geplante Studie soll die Möglichkeiten und Grenzen einer Renaturierung der Unterems untersuchen. Bei dem Projekt der Verbände zur „lebendigen Unterems“ handele es sich weder um eine „Emskanal-Vorstudie“ noch um eine Einschränkung der Ergebnisoffenheit der noch ausstehenden Machbarkeitsprüfung für einen Emskanal. Anstatt gegen dieses Projekt anzugehen, sollten die Politiker vor Ort sich darüber freuen, dass die Umweltverbände ihnen eine aus ökologischer Sicht umfassende Informationsmöglichkeit eröffnen, die sie für weitere Entscheidungen nutzen können, ohne die Kosten dafür tragen zu müssen.

Ob „Studie“ oder nicht: Bisher haben die wenigen Funktionäre der Organisationen nichts Substanzielles zum Erhalt der Ems beigetragen, sondern nur freischwebende einsame Entscheidungen ohne ihre Mitglieder getroffen, stets zum Nachteil der Ems: Idee des Ems-Kanals und „Generationenvertrag“ mit der Meyer Werft zum Sommerstau der Ems (EU-Vogelschutzgebiet!) mit garantiertem Ertrinkungstod von Jungvögeln. Die vom Land vor Jahren zugesagten millionenschweren Ausgleichzahlungen für die Ems-Eingriffe sind bisher bis auf kleine Summen nicht geflossen, auch da hat man sich über den Tisch ziehen lassen. Die Masters of Desaster haben die Glaubwürdigkeit der Naturschutzverbände an der Küste stark erschüttert. Und der Chefredakteur der Ostfriesen Zeitung, Uwe Heitmann,  setzte am 14. August 2010 in seinem Kommentar noch einen drauf; man müsse nun den „Dauerstau“ der Ems nach dem Desaster mit der fehlgeschlagenen Schlickbremse prüfen, ggf. mit einem „Abschlussdamm“:

Ostfriesen Zeitung, 14. August 2010

[…] Und: An verantwortlicher Stelle muss jetzt ernsthaft ein Dauerstau des Flusses geprüft werden. Wer die Meyer-Werft in Papenburg erhalten und gleichzeitig den Milliarden-Irrsinn eines Emskanals verhindern will, ist jetzt in der Pflicht, in Richtung Sperrwerksschleuse oder Abschlussdamm aktiv zu werden.

Hier wird Irrsinn mit noch größerem Irrsinn begegnet, Schilda eben. Die Meyer Werft gehört an die Küste, alles andere ist Flickschusterei. Die Pressemitteilung der BI „Rettet die Ems“ zum fehlgeschlagenen Schlickbremsversuch wird da deutlich:

Pressemitteilung, 13. August 2010

Bürgerinitiative RETTET DIE EMS

Hajo Rutenberg

Zum Thema: „Notbremse bei Sperrwerkversuchen an der Ems“

Es ist schade, dass die Bemühungen des NLWKN durch gezielte Steuerung des Stauwerkes in Gandersum, die Schlickmengen in der Ems zu steuern, gescheitert sind. Es wäre ein kostengünstiger Ansatz gewesen, den weitgehend ruinierten Fluss und den Steuerzahler zumindest etwas zu entlasten. Zurück bleiben Kosten, die durch Steuergelder aufzubringen sind oder durch persönliche Schicksale der betroffenen Schiffer und der Unternehmen, die auf Ware warten.  Die Sinnhaftigkeit des 300 Mio.-Bauwerkes, dass auch bereits bei Sturmfluten versagt hat, darf weiterhin hinterfragt werden.  Es muss einmal mehr mit der Meyer Werft in Papenburg der Verursacher der Kosten sowie des katastrophalen Zustandes der Ems in den Vordergrund rücken. „Die Ems als Fluss und die angrenzenden Häfen sind total ruiniert worden. Die Kosten für den Unterhalt der Ems sowie der Häfen und des Stauwerkes an der Ems werden durch den Steuerzahler getragen. Hafenbetreiber, Binnenschiffer und Kommunen bezahlen einen luxuriösen Werftstandort, dem aufgrund politischer Fehlentscheidungen und persönlicher Interessen alles andere untergeordnet worden ist“, sagt Hajo Rutenberg von der BI Rettet die Ems.

Die Notbremse ist auch bei den aktuell diskutierten Alternativen zu ziehen. Wer eine ergebnisoffene Studie zum Emskanal will, muss dabei auch den Umzug der Werft an die Küste einbeziehen und darf das nicht ausklammern. Dass die Bezirksregierung dies durch den Vertreter in der Lenkungsgruppe zum Emskanal bereits ablehnt, lässt die notwendige Distanz zur Wirtschaft vermissen. Offen ist nach wie vor auch das gesamte Ergebnis des Gutachtens, dass die Landräte Bramlage und Bröring auf Volkskosten der Meyer Werft spendiert haben. 40.000,– € für ein Gutachten auf Basis der Daten der Meyer Werft. Veröffentlicht wurden bisher nur 28 von insgesamt 100 Seiten. Der Rest ist ebenso geheim, wie der Generationenvertrag zwischen den Umweltverbänden WWF, BUND und der Meyer Werft. Durchgesickert ist inzwischen, dass die Umweltverbände einen Umzug der Werft nicht mehr fordern dürfen. War das vorher noch erste Priorität, wurde dieses Ziel schnell verkauft. Ein Abschlussdamm mitten durch das gerade ausgerufene Weltnaturerbe und FFH Gebiet bietet auch keine wirkliche Alternative. Neben den Kosten, die erheblich sein dürften, wären Nachteile für die gesamte Schifffahrt sowie den Hafenbetreibern an der Ems zu erwarten. Die Mittel aus dem Emsfond müssen für den Rückbau der Ems und die Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeit eingesetzt werden. Parallel müssen auch die Baggerarbeiten auf das Maß der reinen Erhaltungsbaggerungen ohne Kreuzfahrtschiffe reduziert werden. Die Meyer Werft kann und muss die Segmente der Kreuzfahrer an der Küste zusammenfügen.  Im Hinblick auf eventuelle weitere Milliardeninvestitionen durch die Steuerzahler und zur Entlastung der Ems die einzige Alternative.

Links:

*   Die Ems und die Spur des Geldes

*   Ems-Kanal:  WWF, BUND und NABU wollen eigenes Gutachten und neues Geld verbrennen

*    Ems-Kanal: WWF und BUND in öffentlicher Kritik, „Geheimgespräche“ mit Werftchef Meyer

*    Millionen-Deal mit der Ems ging den Bach runter

*    Ems-Millionen, wo sind sie geblieben?

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