Am 11. Oktober 2014 begannen die 6. Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Der Wattenrat Ostfriesland begrüßt die Informationsveranstaltungen und Exkursionen, die für ein besseres Verständnis der Lebensverhältnisse von Gänsen, Enten und Watvögeln werben sollen. Dabei sollte aber nicht verschwiegen werden, dass die Vögel gerade im und am Nationalpark und „Weltnaturerbe“ oft keine ungestörten Rast-, Nahrungs- und Schlafplätze mehr vorfinden. Die Hochwasserrastplätze im nationalparknahen Binnenland wurden in den letzten Jahren systematisch und auch unter Missachtung des Naturschutzrechts mit Windparks überbaut. Diese Flächen fallen durch den Scheucheffekt der Rotoren als Rückzugsgebiete für die Zugvögel aus.
Graugänse und einige Entenarten – dabei sind auch Zugvögel – dürfen nach wie vor auch nach der komplizierten Änderung der niedersächsischen Jagdzeitenverordnung immer noch im Großschutzgebiet Nationalpark, der auch EU-Vogelschutzgebiet ist, von Freizeitjägern bejagt werden. In den EU-Vogelschutz- und Naturschutzgebieten, die unmittelbar an den Nationalpark und das „Weltnaturerbe“ anschließen, darf ebenfalls weiterhin die Wasservogeljagd auf Zugvögel ausgeübt werden, auch auf Flächen, die aus Naturschutzgründen von Spaziergängern nicht einmal betreten werden dürfen!
Durch die Störungen werden auch nichtjagdbare Arten weiträumig vertrieben. Viele Salzwiesen im Nationalpark sind durch die starke Entwässerung mit maschinengezogenen Gräben mit Strandquecke überwuchert und deshalb für Brut- oder Zugvögel kaum noch attraktiv. Wie ein Hohn lesen sich deshalb die Äußerungen des niedersächsischen Umweltministers Wenzel anlässlich der Eröffnungsveranstaltung der Zugvogeltage in Wilhelmshaven: „Zugvögel brauchen an allen Orten, an denen sie sich im Laufe eines Jahres aufhalten, günstige Bedingungen, um zu überleben und Erfolg zu haben.“ Genau diese Bedingungen sind aber in Niedersachsen noch nicht einmal in den Schutzgebieten erfüllt.
Bei einigen Brutvogelarten lassen sich zudem dramatische Bestandseinbrüche feststellen, z.B. bei Austernfischern, strandbrütenden Regenpfeifern oder Zwergseeschwalben. Strandbrüter finden durch den Massentourismus im Nationalpark kaum noch ungestörte Brutplätze. So geraten denn auch die stark beworbenen Zugvogeltage immer mehr zu einer politischen Propagandaveranstaltung der Nationalparkverwaltung und des Landes Niedersachsen, mit Unterstützung der Naturschutzverbände NABU und BUND. NABU und BUND sind „ganz auf Linie“ mit der Nationalparkverwaltung und bewerben ebenfalls die Zugvogeltage, aber ohne auf die Konflikte im Nationalpark einzugehen. Auf Spiekeroog im dortigen Nationalparkhaus „Wittbülten“ des BUND z.B. kostet die 90 -minütige Führung für Erwachsene 4 Euro, für Kinder bemerkenswerte 6 Euro, so steht es jedenfalls im Online-Programm. Die Zugvogeltage, die auch von der Tourismusindustrie als weiterer Werbefaktor eingesetzt werden, lenken so von den maroden Zuständen im Nationalpark mit seinen vielen zugelassenen, dem Naturschutz abträglichen Nutzungen ab. Die öffentliche offizielle Darstellung des Nationalparks, von den Mainstream-Medien nicht selten völlig distanzlos übernommen, entspricht nicht den tatsächlichen Zuständen im „Weltnaturerbe“.