Es war mal wieder Wattenmeertag in Wilhelmshaven, der 9. seiner Art. Neben der gewohnten Selbstbeweihräucherung aus Politik, Wattenmeersekretariat und Nationalparkverwaltung kam auch verhaltene Kritik von den Naturschutzverbänden. Beklagt wurde von „19 Umweltverbänden“ in den Presseveröffentlichungen vor allem der Rückgang der Artenvielfalt unter Wasser. So schreibt z.B. der NABU:
„[…] 28. August 2014 – Der Unterwasserwelt des Wattenmeeres geht es weiterhin schlecht, obwohl dieses einmalige Gebiet an der dänisch-deutsch-niederländischen Nordseeküste als Nationalpark geschützt und als Weltnaturerbe anerkannt ist. 19 Naturschutzorganisationen aus allen drei Wattenmeerstaaten wollen das ändern und legen zum heutigen Internationalen Wattenmeertag in Wilhelmshaven eine gemeinsame Forderung vor: Innerhalb der nächsten zehn Jahre müssen in den Schutzgebieten des Wattenmeeres die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich verschwundene Fischarten sowie Riffe aus Muscheln und Sandkorallen in der Unterwasserwelt wieder ansiedeln können. Die diesen Aufruf tragenden Verbände, Vereine und Stiftungen engagieren sich täglich und in vielen Fällen seit Jahrzehnten für den einmaligen Naturraum an der Nordseeküste. […] „
Die Nachrichtenagentur dpa berichtete ebenfalls ausführlich am 29. August 2014:
„[…] Innerhalb von zehn Jahren müsse sich wieder eine natürliche Vielfalt an Arten und Lebensräumen unter Wasser entwickeln, fordern die Umweltorganisationen. Sie sehen die Welterbe-Anerkennung der UNESCO nicht als Grund zum Ausruhen: Umweltbildung und die Betreuung der Schutzgebiete müssten besser werden. Dahinter steckt auch Kritik am Massentourismus im Nationalpark. Kritiker fordern seit Jahren ein flächendeckendes Rangersystem, für das Niedersachsen bisher kein Geld ausgeben wollte. […]“
Der Rückgang der Unterwasserflora und -fauna ist seit Jahrzehnten bekannt; die intensive Fischerei, bei der der Wattenboden umgepflügt wird, und Baggergutverklappungen aus Fahrwasserunterhaltungen und Hafenaushub sind dem Leben unter Wasser bekanntlich nicht förderlich. Mit der Forderung nach mehr Schutz der Unterwasserlebensräume ist die Pflichtübung der Verbände wieder beendet, eine „nachhaltige“ Strategie und der Einsatz für das Wattenmeer vor Ort ist von den bekannten Umwelt- und Naturschutzverbänden trotz gegenteiliger Beteuerungen weiterhin nicht festzustellen. Die Arbeit der Verbände beschränkt sich auf den Betrieb der Informationseinrichtungen in den Tourismusgebieten, die Inhalte sind mit der Nationalparkverwaltung abgestimmt. Das soll nicht kleingeredet werden, nur fehlt es an der tatsächlichen täglichen Naturschutzarbeit vor Ort. Wenn man die Unterwasserwelt wirklich schützen will, müssten damit z.B. Forderungen nach fischereifreien Zonen oder die Aufgabe der Verklappungen im Nationalpark und „Weltnaturerbe“ verbunden werden, und genau die fehlten. Diese Forderungen sind naturschutzpolitisch unbequem, es käme u.a. sofort zum Konflikt mit der Küstenfischerei.
Die Kritik am unkontrollierten Massentourismus, dem bloßen Etikett „Weltnaturerbe“ und die ständige Forderung nach mehr Rangern mit ausreichenden Kompetenzen und Wasserfahrzeugen kommt denn auch seit Jahren vom Wattenrat Ostfriesland, und der war womöglich am Schluss der dpa-Berichterstattung als „Kritiker“ gemeint. Die Verbände sind nun ebenfalls auf den tourismusfördernden und nur wohltönenden Etikettennaturschutz „Weltnaturerbe“ aufgesprungen. Nach 28 Jahren des Bestehens des Nationalparks sind die gröbsten Missstände immer noch nicht beseitigt. Die Salzwiesen vor den Deichen sind vielerorts durch die starke Entwässerung und Überwucherung mit Quecke in einem desolaten Zustand, es fehlt zudem eine moderate -extensive- Beweidung. Neue Nutzungen kamen hinzu, z.B. durch die Genehmigung von Kitesurferflächen in vielen Schutzzonen oder die geänderte Führerscheinfreiheit für motorisierte Sportboote von 5 auf 15 PS. Genausowenig wurde die immer noch zugelassene Jagd auf Wasservögel (Zugvögel) im Nationalpark thematisiert, auch das bietet Konflikt- und Zündstoff gegen die unglaublich aggresssive Freizeitjägerlobby; die offensive Auseinandersetzung wird von den Naturschutzverbänden gescheut. Dafür werden demnächst wieder die „Zugvogeltage“ als touristisches und vermarktungsfähiges Event beworben.
Die Naturschutzverbände waren schon einmal viel weiter: 2006 erschien zuletzt die durchaus kritische und umfassende Nationalparkbilanz der Naturschutzverbände unter Federführung des WWF. Auch der Wattenrat war damals Mitautor. Diese Zeiten sind vorbei.