´Wolf nein danke´?

Gesehen im Mai 2014, BAB zwischen Walsrode und Verden (Foto: Dr. Helmut Kruckenberg)

Seit 1998 werden wieder wildlebende Wölfe in Deutschland beobachtet. Vor mehr als 150 Jahren waren sie ausgerottet worden. Inzwischen haben die ersten Paare oder Einzelgänger auch Niedersachsen erreicht. Für die heimische Natur ist das Vorkommen der Wölfe sicher eine Bereicherung, nur rufen diese Tiere sofort auch Gegner auf den Plan. Liest man aufmerksam die Jagdforen, wird der Ruf nach Abschüssen laut, der Wolf ist Jagdkonkurrent der Freizeitjäger. In der Tat gab es auch schon mehrere Fehlabschüsse durch Jäger, weil die Wölfe vorgeblich für Hunde gehalten wurden. Der Abschuss eines Wolfes ist eine Straftat und kann mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Auch Viehalter, besonders Schafhalter, befürchten Schäden durch Wölfe, die aber -noch- mit staatlichen Mitteln ersetzt werden. Dennoch kann man auch von Schafhaltern – ebenso von Damwildhaltern-  erwarten, dass sie ihre Herden z.B. durch geeignete Elektrozäune, und bei Schafhaltern zusätzlich mit gut ausgebildeten Herdenschutzhunden schützen.  Jeder Hühner- oder Gänsehalter weiß um die Gefahren durch Marder oder Füchse und trifft entschädigungslos Vorkehrungen, damit diese Fressfeinde keinen Zugang zum Auslauf oder Stall haben. Nutztierhalter bekommen (noch) eine staatliche Entschädigung bei nachgewiesenen Wolfsrissen. Aber die Jägerschaft macht schon jetzt Stimmung: 2012 beklagte die Landesjägerschaft in Niedersachsen den Verlust von „65 Stück Damwild“ durch Wolfsrisse. Sie sagte nicht, ob es sich dabei um halbzahmes Gatterwild mit unzureichender Umzäunung  handelte. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 betrug die Jagdstrecke für Damwild in Niedersachsen 12.960 Stück. Dazu kamen 977 Tiere, die durch den Straßenverkehr umkamen plus 170 Stück sonstiges Fallwild, zusammen also 14.107 Stück! (Quelle: Landesjagdbericht 2012).

Bei aller Euphorie und gelegentlicher Wolfsromantik des Naturschutzes: Wird der Wolf erst wieder in größeren Rudeln auftreten, werden sicher auch die Probleme im menschlichen Umfeld zunehmen, das ist nicht wegzudiskutieren.

Wolf

Foto: Bernard Landgraf, CC BY-SA 3.0, Wikipedia

In der Regel gehen Wölfe Menschen aus dem Wege, in der Regel. Dennoch ist es ein Märchen, dass Wölfe für Menschen völlig ungefährlich sind. In Europa wurden in einem Zeitraum von achthundert Jahren (von 1200 bis 1920) 7.600 tödliche Wolfsattacken dokumentiert, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fielen in Europa und Russland acht Menschen Wölfen zum Opfer. Im Süden Asiens (überwiegend Indien) waren es 200, in Nordamerika soll es in diesem Zeitraum keine bekannten Wolfsattacken gegeben haben, obwohl dies hier angezweifelt wird: Wolf attacks on humans in North America. Erst 2010 wurde eine Joggerin in Alaska tot mit Bisswunden inmitten von Wolfsspuren aufgefunden. Der erste behördlich dokumentierte tödliche Wolfsangriff auf einen Menschen in Nordamerika erfolgte 2005 in Saskatchewan/Kanada, als der Student Kenton Carnegie auf einem Spaziergang von einem Rudel getötet wurde. Es handelt sich um Wölfe, die durch die Nähe eines Müllplatzes an Menschen gewöhnt waren.

Die Ursachen für Wolfsattacken können vielfältig sein: Tollwut, starke Gewöhnung und Verlust der Scheu vor Menschen (Habituierung) oder Fütterung z.B. in Nationalparks, Territorialverhalten, Schutz der Welpen, menschliches distanzloses aggressives Verhalten  gegenüber Wölfen oder einfach nur Hunger, der auch den Menschen zur Beute machen kann. Nach einer weltweiten norwegischen Studie aus 2002 waren die häufigsten Opfer bei den Jagdangriffen Kinder, besonders die unter 10 Jahren. Dokumentiert wurden solche gezielten Beuteattacken in den 1950ern und 1970ern in der spanischen Provinz Galicia im Nordwesten des Landes und vor allem in Indien.

Weitere Quelle (Wikipedia): Wolf attacks on humans

Das sollte aber nicht verhindern, dass auch für Wölfe wieder ein Platz in Deutschland frei wird. Hier tut Aufklärung Not, nicht aber wieder die gnadenlose dumpfe Dämonisierung und Verfolgung. In anderen Ländern lebt man seit Jahrhunderten mit Pumas, Bären, Krokodilen oder Giftschlangen, um nur einige für Menschen nicht ungefährliche Arten zu nennen. Der Wolf trifft hier zudem auf ein dicht besiedeltes, von vielen Straßen und Schienenwegen durchzogenes Land, d.h. er wird zunächst selbst Opfer des Straßenverkehrs werden, genau wie ca. 4.000 Menschen, die jährlich in Deutschland im Straßenverkehr umkommen. Und dieser Gefahr setzen wir uns im Land der Raser täglich völlig diskussionslos aus!

Links: Gesellschaft zum Schutz der Wölfe und WolfSite

aktuelle Literatur: Eckhard Fuhr, Rückkehr der Wölfe, Riemann Verlag, München 2014

Richtlinie Wolf“ des Niedersächsischen Umweltministerium, gültig ab 05. März 2015. Sie regelt die Entschädigung von gewerblichen Nutztierhaltern.

Ulrich Wotschikowsky: Erst der Mensch macht aus dem Wolf die Bestie

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