Sie durften nicht mitmischen beim vermeintlich günstigen Landeinkauf für den Jade-Weser-Park, gefördert von der EU: Der Landrat des Landkreis Wittmund, Matthias Köring (parteilos) und der Landrat des Landkreises Friesland, Sven Ambrosy (SPD), wurden vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg abgewatscht. Für ein „interkommunales Gewerbegebiet“ nördlich von Wilhelmshaven, als Ergänzung zum bisher nicht annähernd ausgelasteten Jade-Weser-Port, sollte ein Zweckverband Flächen requirieren, kostengünstig selbstverständlich. Diesem Zweckverband gehören auch die Landkreise Wittmund und Friesland an. Die Satzung dieses Zweckverbandes wurde vom OVG Lüneburg für unwirksam erklärt (die ausführliche Pressemitteilung des Gerichts können Sie weiter unten nachlesen). „Die vorgesehenen Flächen stehen zu ca. 80 % noch im Privateigentum und werden im Wesentlichen landwirtschaftlich genutzt. Der Zweckverband wollte sich das Eigentum an ihnen verschaffen und so eine einheitliche Vermarktung ermöglichen.[…] Der Zweckverband hat den Eigentümern eine Entschädigung auf der Basis eines Drittels von 15,00 €/m² für Gewerbebauland (also rund 5,00 €/m²) angeboten, seiner eigenen Finanzierungsplanung hingegen Erlöse von 25,00 €/m² zugrunde gelegt.“ Dagegen hatte zwei Landeigentümer erfolgreich geklagt. Da fragt man sich doch, was Landräte so unter Ausschluss der Öffentlichkeit noch alles regeln. Sven Ambrosy ist neben seiner Tätigkeit als Landrat auch Vorsitzender des Tourismusverbandes Nordsee e.V. (seit 2004) und des Tourismusverbandes Niedersachsen e.V. (seit 2006) und damit exponierter Vermarkter des „Weltnaturerbes Wattenmeer“, auch als Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer bekannt. Bemerkenswert: Die Lokalpresse hatte über die Gerichtsentscheidung zwar berichtet, verzichtete auf eine vertiefende Berichterstattung und Stellungnahmen der Landräte. Der dominierende Zeitungsverlag der Region Wilhelmshaven, Friesland und Wittmund ist die Brune-Mettcker Druck- und Verlagsgesellschaft mbH.
Der Landrat des Landkreises Wittmund kam bereits 2013 und 2014 als verantwortlicher Hauptverwaltungsbeamter des Landkreises, der auch die Kommunalaufsicht inne hat, in die Bredouille. Sowohl das OVG Lüneburg als auch das Bundesverwaltungsgericht erklärten die Bebauungspläne für die Umgehungstrasse in Bensersiel/Stadt Esens für unwirksam. Die Straße wurde verbotswidrig in einem EU-Vogelschutzgebiet (damals faktisches Vogelschutzgebiet) geplant und gebaut, der Landeigentümer wurde enteignet und bis heute nicht entschädigt. Auch hier wollte die Stadt Esens an die Straße angrenzende Flächen (ebenfalls im Vogelschutzgebiet) billig über die Enteignung erwerben und später teuer als Bauland für Bauwillige verkaufen. Im Beteiligungsverfahren wurden die Stadt Esens und der Landkreis auch vom Wattenrat Ostfriesland auf die Rechtswidrigkeit der Planungen und des Baus der Straße hingewiesen, alle vorgebrachten Bedenken wurden ignoriert und „weggewogen“; der Landkreis Wittmund als Aufsichtsbehörde schritt nicht ein.
Wie schrieben Günter Handlögten und Henning Venske schon 1983 in Ihrem Buch „Dreckiger Sumpf“ am Beispiel Wilhelmshavens: „Top Beziehungen zwischen Verwaltung und Industrie, kaum durchdringbarer Filz zwischen Administration und Kapital, zu Hampelmännern degradierte Kommunalpolitiker und ahnungslos verschaukelte Bürger.“ Seitdem hat sich offensichtlich wenig geändert, auch nicht in den benachbarten Landkreisen!
OVG-Lüneburg, Pressemitteilung, 09. Mai 2014
Zweckverband JadeWeserPark darf nicht planen
Mit zwei Urteilen vom heutigen Tage (Az. 1 KN 102/11 und 1 KN 19/12) hat der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts die im November 2010 beschlossene Satzung des Zweckverbands JadeWeserPark zu einer gleichnamigen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (sog. Entwicklungssatzung) für unwirksam erklärt. Mit dieser Satzung sollte ein interkommunales Industrie- und Gewerbegebiet nordöstlich des Autobahnkreuzes Wilhelmshaven entwickelt werden, um die Flächennachfrage zu befriedigen, welche der Zweckverband als Folge der seinerzeit bevorstehenden Eröffnung des Jade-Weser-Ports insbesondere durch Logistikunternehmen erwartete. Die vorgesehenen Flächen stehen zu ca. 80 % noch im Privateigentum und werden im Wesentlichen landwirtschaftlich genutzt. Der Zweckverband wollte sich das Eigentum an ihnen verschaffen und so eine einheitliche Vermarktung ermöglichen. Die Entwicklungssatzung wäre dabei von Vorteil gewesen, weil sie eine Enteignung erleichtert hätte.
Dem Antrag zweier Eigentümer, die den gebotenen Preis für ihre Grundstücke für zu gering hielten, hat das Oberverwaltungsgericht stattgegeben. Maßgeblich sind dafür drei Gründe. Erstens: Der Zweckverband ist fehlerhaft gebildet worden, weil die Landkreise Friesland und Wittmund an ihm beteiligt sind. Die Mitglieder eines Zweckverbandes müssen auf der gleichen Planungsebene stehen, was bei Landkreisen und Gemeinden nicht gewährleistet ist, weil sie auf unterschiedlichen Ebenen agieren. Infolgedessen sind alle Planungsakte des Zweckverbandes unwirksam. Zweitens hätte der angestrebte Zweck auch mit den „normalen“ Instrumenten des Baugesetzbuches (z. B. Angebotsbebauungsplan, Enteignung für Straßenflächen, Umlegung für Baugrundstücke etc.) erreicht werden können. Drittens: Der Zweckverband hat den Eigentümern eine Entschädigung auf der Basis eines Drittels von 15,00 €/m² für Gewerbebauland (also rund 5,00 €/m²) angeboten, seiner eigenen Finanzierungsplanung hingegen Erlöse von 25,00 €/m² zugrunde gelegt.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.
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Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, S. 1. 10. Mai 2014
Zweckverband prüft Beschwerde
GEWERBE
Jade-Weser-Park will Wirtschaftsregion stärken – Böhling: Im Sinne der Steuerzahler gehandelt
Erst einmal wird die schriftliche Begründung des Urteils abgewartet.
Gang vor das Bundesverwaltungsgericht nicht ausgeschlossen.
ROFFHAUSEN/M
Dieser juristische Schlag gegen das interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet Jade-Weser-Park hat gesessen. Das Oberverwaltungsgericht hat aus drei Gründen die Satzung für unwirksam erklärt, unsere Zeitung berichtete. […] Schortens’ Bürgermeister Gerhard Böhling, der als Vorsitzender des Zweckverbandes die Interessen der kommunalen Anteilseigner vertritt, bezeichnete die Entscheidung des Gerichts schon als „bitter“. Der Zweckverband habe im Interesse der Steuerzahler versucht, die Grundstücke günstig zu erwerben. Böhling will die schriftliche Begründung des Urteils abwarten und dann mit dem Juristen des Zweckverbandes weitere Schritte beraten: „Wir werden prüfen, ob wir Beschwerde dagegen einlegen, dass der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg keine Revision zugelassen hat.“ […]