
Foto: Manfred Knake
Wir übernehmen den folgenden Beitrag des Autors Dr. Wolfgang Epple, der am 11. April 2025 bei der Naturschutzinitiative erschienen ist, mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Stellungnahme für die Naturschutzinitiative e.V. (NI) zu Teilen des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD
21. Legislaturperiode
„Verantwortung für Deutschland“
von Dr. Wolfgang Epple
Vorbemerkung
„Uns eint (…) der Wille für eine gute Zukunft Deutschlands“.
So heißt es in der in der Präambel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD zur 21. Legislaturperiode. In den Kernbereichen eines funktionierenden Rechtsstaates erklärt die Koalition mit der Fortsetzung des von der Vorgänger-Regierung begonnenen Beschleunigungskurses kritischen und sich konstruktiv einbringenden Bürgern mit etlichen Erschwernissen eine Absage.
Das knüpft insgesamt, wie insbesondere auch die Fortsetzung der unter die Beschleunigung fallenden Energiewende, nahtlos an den schon eingetretenen Schaden an, den die Vorgänger-Regierung unter Dominanz von Bündnis 90/ die GRÜNEN im Verhältnis von Bürgern und Staat angerichtet hat.
„Wir stärken den sozialen Zusammenhalt“ ist eine weitere Phrase der Präambel.
Offenbar hat man den Schuss nicht gehört oder will ihn nicht hören, was das Wahlergebnis mit dem Erstarken der politischen Ränder betrifft. Durch fast jede betroffene Kommune geht im Rahmen der Umsetzung der von der Ampel geschaffenen Gesetztes-Pakete zur Energiewende, die in eine Erneuerbaren-Energien-Planwirtschaft münden – und zwar koste es, was es wolle – ein Riss. Statt dem Land eine dringend notwendige Verschnaufpause zu ermöglichen und der schon begonnenen Entmündigung des kritischen Teils der Bürgerschaft Einhalt zu gebieten, schaufeln die Koalitionäre die Gräben tiefer.
Im Folgenden sind herausgegriffene Bereiche des Koalitionsvertrages beleuchtet, die sich konkret auf Natur- und Artenschutz und die betroffenen Rechtskreise auswirken oder beziehen, und entsprechende „Knackpunkte“ enthalten. Dass auch haushalterische Bereiche und Aspekte des Koalitionsvertrages eine Rolle spielen (etwa die „Verteilung der sogenannten Sondervermögen), und wie diese zu bewerten sind, bleibt fachlich zuständigen Ökonomen vorenthalten. Selbstverständlich ist aber die Mittelvergabe und -verwendung auch für den Arten- und Naturschutz von herausragender Bedeutung – auch wenn diese in diesem Rahmen nicht aufgegriffen wird.
1.1. Wirtschaft, Industrie, Tourismus
Industriepolitik auf Kosten von Mensch und Natur
Im Rahmen der Stärkung des Industriestandorts Deutschland werden nicht nur die Utopien der Ampel weitergepflegt (z.B. die Umstellung der Stahlindustrie zur „Klimaneutralität“). Deutschland soll zu „weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort“ gemacht werden. Ein „Totalverbot von Stoffgruppen“ wird abgelehnt. Ist Gesundheitsvorsorge etwa hinsichtlich der Auswirkungen von PFAS, Pestiziden absehbar Fehlanzeige?
Bei der Automobilindustrie bleibt das E-Fahrzeug das Hätschelkind genauso wie der „Aufbau der Batteriezellfertigung inklusive Rohstoffgewinnung“. Angesichts der bekannten schon heute weltweiten Materialschlacht um „All Electric“ ist dies eine klare Ansage auf Kosten von Natur und Umwelt.
Daran schließt sich unmittelbar an, was für den Bereich Rohstoffe angekündigt wird:
„Wir werden die Gewinnung heimischer Rohstoffe unterstützen und hierfür die rechtlichen Genehmigungen erleichtern, pragmatisch unter Wahrung der Umwelt- und Sozialstandards“. Was SPD, CSU und CDU unter „pragmatisch“ verstehen, machen sie deutlich, wenn es in die für den Naturschutz wichtigen Felder der Energiewende und des Artenschutzes sowie des Verbandsklagerechtes geht (siehe weiter unten). Vermutlich wabert auch durch die Sprechblasen zum Bereich Tourismus so etwas wie „Pragmatik“, wenn eine „nationale Tourismusstrategie (…) nachhaltige Aspekte berücksichtigt und die Themen Tourismusakzeptanz, Lebensraumgestaltung und Digitalisierung in den Fokus rückt“.
Apropos „Lebensraumgestaltung“: Wieder scheint man den Schuss nicht gehört zu haben oder hören zu wollen, was es bedeutet, wenn Deutschlands letzte intakte Vorzugslandschaften wie Naturparke, Landschaftsschutzgebiete und Erholungsdestinationen im Rahmen der Beschleunigung der Windkraftindustrie ausgeliefert werden.
1.3. Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen
Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung
„Deutschland muss auf dem Weg zur Planungs- und Baubeschleunigung mutige Wege gehen“. Was unter diesem Punkt angekündigt wird, vom Verwaltungs-Verfahrensrecht bis zur Raumordnung und Baugesetzbuch („eine europäische Initiative zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung starten“), Erörterungsterminen, Ausstattung mit „überragendem öffentlichen Interesse“ (kennen wir das nicht aus den Gesetzen der Ampel für den Durchmarsch der Erneuerbaren Energien auf Kosten von Mensch und Natur?), Stichtagsregelungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nur einmal Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit (!), vorzeitigem Maßnahmenbeginn, ist an Bürgerferne und durchscheinender Demokratiefeindlichkeit kaum zu toppen. Für die wehrlose Natur kommt, was lange gerade in Deutschland von „Experten“, Biodiversitätskoryphäen und „Sachverständigen“ vorgesprochen wurde und nun nachgesprochen wird, wörtlich:
„Beim Arten- und Naturschutz soll bundeseinheitlich der Populationsansatz angewendet werden“.
Damit begibt sich diese Bundesregierung schon jetzt in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). der den Individuenschutz, der in den Richtlinien der EU verankert ist, durchgängig auf argumentativ und rechtlich hohem Niveau verteidigt hat.
1.4. Klima und Energie
Diese Regierung setzt eine schon unter der Kanzlerschaft Merkel begonnene, durch die letzten drei Jahre Ampel historisch verschärfte Klimapolitik fort, die im Wesentlichen auf dem Reduktionismus der Klimaproblematik („Klimaschutz“) auf Treibhausgase beruht: „(…) Klimaziele erreichen wir vorrangig durch Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen…“.
Neu ist, dass man die geglaubte Klimaschuld aufs außereuropäische Ausland verlagern können will: („(…) zusätzlich durch Anrechnung negativer Emissionen sowie in begrenztem Umfang durch hochqualifizierte und glaubwürdige CO2-Minderung in außereuropäischen Partnerländern.“ Gleich zweimal wird dies herbeizitiert: „(…) sowie drittens glaubwürdige CO2-Reduzierung durch hochqualifizierte, zertifizierte und permanente Projekte (maximal drei Prozentpunkte des 2040-Zwischenziels) in außereuropäischen Partnerländern zur wirtschaftlich tragbaren Reduzierung von Restemissionen (…).“
Was zu Energiepolitik folgt, hätte auch der „Graichen-Clan“ des geschiedenen Wirtschaftsministers Dr. Robert Habeck zu Papier bringen können. Keines der bekannten Schlagworte fehlt, von Mieterstrom, Bürgerenergie, Erneuerbaren Potenziale nutzen wie Sonnen- und Windenergie, Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft „sowie die aus diesen hergestellten Moleküle“ (!). „Innovative Technologien sollen gestärkt werden, darunter „Flugwindkraft/Höhenwindenergie“.
Ein „Monitoring“ als „Grundlage der weiteren Arbeit“ soll in Auftrag gegeben werden. Bis zur Sommerpause 2025 soll der „zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft werden.“ Das alles unter einer „konsequenten Ausrichtung aller Bereiche auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit“.
Die wohlklingende Schlagwortsammlung wird vollendet mit „systemischem Ansatz durch das Zusammenspiel aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, einer Kraftwerkstrategie, dem gezielten und systemdienlichen Netz- und Speicherausbau, mehr Flexibilitäten und einem effizienten Netzbetrieb.“ Das ganze unter „entschlossen handeln, um (…) keine neuen Abhängigkeiten zu schaffen und bestehende abzubauen und mit geeigneten Maßnahmen die Resilienz heimischer Produktion zu stärken.“ Unter Energiepreise folgt dann das Versprechen, „Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket (zu) entlasten.“
Für den Natur- und Artenschutz relevant ist die Ankündigung von Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung: Darunter fällt nicht nur die Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED III) der EU, sondern auch die „Ausweitung der Zustimmungsfiktion“. Man will prüfen, ob „Vereinfachung aus den Beschleunigungsgebieten (zum Beispiel Populationsansatz im Artenschutz, Präklusion (zu deutsch: Verlust von Rechten nach Frist), Beibringungsgrundsatz/Widerlegungspflicht (Anmerkung: das ist im Grunde eine Umkehr der Beweislast zu ungunsten des Natur- und Artenschutzes), auf Infrastrukturprojekte der Energiewende möglich sind, denn wir (Anmerkung: die Koalition) wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch Planungserleichterung beschleunigen.“ Im Klartext: Letztlich soll, wo es geht, der Durchmarsch der EE, speziell natürlich den Windkraft, auch außerhalb der Beschleunigungsgebiete weiter erleichtert und ermöglicht werden.
Erübrigt sich, zu erwähnen, dass kurz danach unter Erneuerbare Energien der entschlossene Ausbau redundant bekräftig wird, und im Koalitionsvertrag für die Windenergie auch die „Zwischenziele des Windflächenbedarfsgesetzes für 2027 unberührt bleiben“.
Dies bedeutet die endgültige Überprägung ganz Deutschlands mit Windkraftanlagen, wie die in diesen Monaten durchgeführten Teilfortschreibungen der Regionalpläne überdeutlich zeigen. Bezeichnenderweise spricht die Koalition nur noch von „Mitwirkungsrechten der Kommunen beim Windkraftausbau“ – Bürgerrechte werden nicht benannt und an anderer Stelle beschnitten (Stichwort Verbandsklagerecht).
Dass auch bei Wasserkraft „bestehende Potenziale bei der kleinen und großen Wasserkraft und bei Pumpspeicherkraftwerken“ gehoben werden sollen, komplettiert die Zurückstellung von Naturschutzbelangen. Sie werden nicht einmal erwähnt.
Auch bei Wasserstoff hat diese Koalition im Vergleich zu den Utopien der Vorgänger-Regierung wenig bis nichts Neues zu bieten. „Klimaneutraler Wasserstoff“ bleibt die Hoffnung, „basierend auf einem wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien“. Vom „Wasserstoffkernnnetz“ und „Wasserstoffspeichern“ und Deutschlands „führender Rolle in einer europäischen Wasserstoffinitiative“ ist geschrieben, als sei’s ein Stück aus Robert Habecks Bauchladen.
1.5. Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt
Auch unter diesem Punkt begegnet uns die Koalition der „Verantwortung für Deutschland“ mit Worthülsen: „(…) funktionierende Daseinsvorsorge, gesunde Lebensmittel und eine intakte Natur und Umwelt“. Wie die „Natur intakt“ bleiben soll bei so viel Technik-Wahn und Beschleunigung von naturvernichtenden Eingriffen, bleibt das Geheimnis der Arbeitsgruppen, die diese Widersprüchlichkeiten formuliert haben. Wie angesichts des geplanten Beschneidens von Bürgerrechten „Dialogprozesse im Geiste eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses ausgestaltet“ werden sollen – so die Ankündigung der „Verantwortungs-Koalition“ – bleibt erst recht das Geheimnis der Beschleuniger-auf-Teufel-komm-raus.
Zu Landwirtschaft reicht es im Koalitionspapier allenfalls zum populistischen „Bla-bla“, und auch die gestelzte Bemühung einer „lebens- und liebenswerten Heimat“ unter dem Stichwort Ländliche Regionen grenzt angesichts der aktuellen Konflikte um Windkraft und flächenfressender PV in vielen Dörfern Deutschlands an Realitätsverweigerung.
Wie man unter Umwelt und Ernährung „selbstbestimmte Verbraucher umfassend und vorsorgend schützen“ will, wenn man sich scheut, selbst nachweislich gefährliche Stoffe nicht zu verbieten (s.o.), bleibt ein weiteres Geheimnis, das sich schwerlich unter „Verantwortung“ subsumieren lässt.
Letztlich wundert es nicht, dass unter Klimaanpassung kaum sechs Zeilen im Koalitionspapier der Alles-Beschleuniger verloren werden. Ein klangvolles Rumpelstilzchen-Wort „Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung“ ist immerhin gefunden, mit der Prüfung (!) einer Einführung einer „diesbezüglichen Gemeinschaftsaufgabe“. Hochwasser- und Küstenschutz sind ebenfalls zur Beschleunigung vorgesehen.
Immerhin gibt es im Koalitionsvertrag ein Kapitel Naturschutz:
Man legt „besonderes Augenmerk auf den Erhalt der Biodiversität“ – im Papier im gleichen Atemzug und mit gleicher Bedeutung genannt wie die „Beseitigung von Munitionsaltlasten“. Unter Naturschutz (!) aber finden sich Formulierungen wie „Wir stehen zur Fischerei“, natürlich unter verschiedenen sicherlich nachhaltigen „Leitbildern“. Gleichermaßen wird unter Naturschutz (!) der „Binnenfischerei und Teichwirtschaft“ Unterstützung zugesagt.
Positiv zu vermerken: „Wir setzen uns mit unseren internationalen Partnern weiterhin für eine vorsorgliche Pause im Tiefseebergbau und die Erforschung der Tiefsee ein.“
Dass unter „Schutz und Erhalt der Alm- und Alpwirtschaft, insbesondere in den Hochgebirgen“ in der Vergangenheit die öffentliche Hetze des Koalitionärs Dr. Markus Söder (CSU) gegen den Wolf zu verstehen und lautstark zu vernehmen war, muss deshalb erwähnt werden, weil die Koalition zum Wolf noch sehr konkret wird, s.u.
Immerhin soll zukünftig ein „Naturflächenbedarfsgesetz die Ausweisung von Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen und die Vernetzung von Ausgleichsmaßnahmen (Biotopverbund) erleichtern.“ Die Anerkennung dieser Ankündigung ist jedoch müßig. Denn: Einen Satz später lassen die Beschleuniger der Beschleunigung erkennen, wohin es in Wirklichkeit gehen wird: „Bei Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz sowie zur Klimaanpassung wollen wir die Notwendigkeit des naturschutzrechtlichen Ausgleichs reduzieren“.
Und obendrauf wird geliefert: „Wir stärken die Flächennutzung (Schutz durch Nutzung“) und verbessern so die naturschutzrechtliche Flächenkulisse, um internationale Verpflichtungen erfüllen zu können.“ Dies ist der nicht einmal mehr verklausulierte Primat erstens der Erneuerbaren gegen den Natur- und Artenschutz und zweitens auch der Primat der Nutzung gegen den Naturschutz selbst auf Flächen, die der „international verpflichtenden Kulisse“ dienen. Naturschutz als Kulissenschieberei für internationale Anrechnung? Ein Schelm, wer Böses denkt.
Unter Waldwirtschaft zündet der Koalitionsvertrag 2025 den nächsten „Kracher“: „Ebenso setzen wir uns bei der Wiederherstellungsverordnung für Erleichterungen ein. Bei der Umsetzung werden wir gemeinsam mit Landbewirtschaftern und Besitzern unseren Fokus auf die Praxistauglichkeit der Maßnahmen legen, genauso bei der Nationalen Biodiversitätsstrategie“. Hier schimmert der erbitterte Widerstand der CDU/CSU bzw. EVP gegen das Natur-Wiederherstellungsgesetz der EU unverhohlen durch. Man darf an dieser Stelle vom Gegenteil einer Zukunft-Gerichtetheit dieser Koalition sprechen.
Um die Gegnerschaft dieser Koalition zum Artenschutz endgültig offenbar u machen, wird ein Stichwort Herdenschutz in diesem Koalitionsvertrag zum Menetekel: „Wir unterstützen den Herdenschutz und setzen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Anmerkung WE: Schreibweise aus dem Original des Koalitionsvertrages!) unverzüglich in nationales Recht um (…)“ Mit den „notwendigen Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) sorgen wir für eine rechtssichere Entnahme von Wölfen. Wir nehmen den Wolf umgehend ins Jagdrecht auf und erneuern dabei das Bundesjagdgesetz (BJagdG) punktuell.“ Die Herabstufung des Schutzstatus‘ via Berner Konvention war ebenfalls von der EU-kommission (von der Leyen) betrieben worden und von allen wissenschaftlichem Experten abgelehnt worden. Hier offenbart sich Populismus mit Andienung an lautstarke Wolfsgegner in Jagd- und Landwirtschaftskreisen. Prädikat: Rückwärtsgewandt, ewiggestrig, wissenschaftsfeindlich (was strategisch noch der Forschung wert ist in dieser Koalition, siehe unten).
Inwieweit die inhaltlich anschließenden Ausführungen im Koalitionsvertrag zu Nutztierhaltung und Tierschutz tatsächlich dazu geeignet sind, das unsägliche Tierleid in der Massentierhaltung in den Griff zu bekommen, sei dahingestellt. Ebenso wäre die unkritische Haltung zu Zoologischen Gärten zu hinterfragen. Hier wären Konkretisierungen zur Vermeidung von Tierleid ebenso dringend wie beispielsweise zur Beendigung der Anbindehaltung von Kühen.
Im Blick auf den Kenntnisstand der Auswirkungen von Spritzmitteleinsatz (Stichworte: Boden. Wasser, Biodiversität) ebenfalls zu dünn fallen die fast schon nichtssagenden Formulierungen zum Pflanzenschutz aus.
Die Ausführungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unter der Überschrift Umweltgenehmigungsrecht deuten erneut in nur eine Richtung: Beschleunigung bei umweltrelevanten Eingriffen. Hier tauchen – nur wenig verklausuliert – die Angriffe auf Klagerechte und Bürgerrechte auf: „Wir streben eine Fokussierung auf unmittelbare Betroffenheit bei Klage- und Beteiligungsrechten an. Wir verschlanken das Umwelt-Informationsgesetz.“ Klartext: Befugnisse und Rechte auf Information möglichst einschränken.
Immerhin, als eine der wenigen Artenschutz-positiven Formulierungen dieses Koalitionsvertrages wird unter GAK verkündet: „Wir fördern vielfältig strukturierte Agra-Kultur-Landschaften durch Blühflächen, Hecken, Feldgehölze und Grünstreifen und deren Vernetzung. Wir schaffen Anreize für naturverträgliche Agroforstsysteme. Wir prüfen ein Kulturlandschaftsprogramm zu Erhalt besonders sensibler Kulturlandschaften und fördern Weidetierhaltung.“
Wieder bleibt es ein Geheimnis, wie sensible Kulturlandschaften angesichts der Pläne für die noch einmal beschleunigte Energiewende in die Zukunft gerettet werden sollen. Umso konkreter wird die Koalition bei der Agrardiesel-Rückvergütung, die vollständig wieder eingeführt werden soll. Waren hier Populisten unter sich?
2.2. Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung und moderne Justiz
Unter vollmundigen und wortreichen Ankündigungen sei der Punkt Infrastruktur-Zukunftsgesetz herausgegriffen. Denn es „sollen die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, Beschaffung und Vergabe der Infrastrukturprojekte aus dem Sondervermögen (Anmerkung WE sprich: Schulden) ausgeschöpft werden und in einem Infrastruktur-Zukunftsgesetz ambitioniert geregelt werden. Diese Vorhaben werden mit einem überragenden öffentlichen Interesse ausgestattet und damit auch rechtlich priorisiert.(…)“. Dies ist die Ankündigung, für weite Bereiche der Inanspruchnahme der Natur vergleichbar der jetzt schon eingetretenen Situation beim Durchmarsch der Erneuerbaren, insbesondere der Windkraft, die ergebnisoffene Schutzgüterabwägung als rechtstaatliches Prinzip außer Kraft zu setzen. Auch dies ist eine offene Kampfansage der Koalition an den Landschafts-, Natur- und Artenschutz. Die Erfahrungen mit dem § 2 EEG sind für den Naturschutz bekanntlich einschlägig.
Unklar ist, ob diese Koalition unter Bürokratiearme EU-Recht-Umsetzung und „bürokratischer Übererfüllung“ nicht wie beim Restoration Law (s.o.) auf Schwächung des höherrangigen Gemeinschaftsrechtes abzielt.
So ist auch der Pakt für den Rechtsstaat, von dem Schwarz-Rot großspurig spricht, mit nachfolgenden Formulierungen nicht so recht in Einklang zu bringen („Zuständigkeitsstreitwerte und Rechtsmittelstreitwerte erhöhen“).
Und wieder taucht die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, auf: Stichtagsregelungen erweitern, Ausweitung von Präqualifizierungen, Genehmigungsfiktion, Vorrang öffentlicher Belange, materielle Präklusion in Verwaltungsverfahren (Anmerkung: Verlust der Rechte bei Fristversäumnissen) soll ins EU-Recht. Unter Vereinfachung Infrastrukturvorhaben folgt erneut ein Angriff auf die UVP („Spielräume nutzen und diese vereinfachen, Schwellenwerte für UVP-Pflicht anheben, Aussetzen der UVP-Vorprüfung für Änderungsgenehmigungen“).
Der zentrale Angriff der Koalition aber geht unter dieser Überschrift Beschleunigung gegen das Verbandsklagerecht:
„Das Verbandsklagerecht vor Verwaltungsgerichten werden wir reformieren, straffen und auf die tatsächliche Betroffenheit ausrichten. Wir werden es bis auf das europarechtliche Mindestmaß absenken und durch Initiativen der Bundesregierung auf eine weitere internationale Reduzierung hinwirken.“ Dies ist die Abkehr von bisher mühsam Erreichtem, wenn es engagierten Bürgern um die (von ihr nicht selbst einklagbaren) Rechte der Natur geht. Diese Formulierung offenbart wie kaum eine andere im Koalitionsvertrag den Geist der Beteiligten: Unter „Modernisierung“ des Staates und der Justiz wird Beschneidung von Beteiligung, Erschwerung des Zugangs zum Recht für kritische und gut organisierte Bürger, und eine weitere, voraussichtlich endgültige Zerschlagung des rechtsmittelbewehrten Naturschutzes angestrebt.
2.4. Bildung, Forschung und Innovation
Unter den vielfältigen und hochtrabenden Ankündigungen im Koalitionsvertrag 2025 fällt für den Natur- und Artenschutz auf, dass selbst unter der Überschrift Strategische Forschungsfelder ökologische Grundlagenforschung weitgehend auf „Klima“ reduziert wahrgenommen wird. Die Formulierung: „Wir stärken Forschung zum Klimawandel, Klimafolgen und Klimaanpassung sowie klimarelevanten Ökosystemen wie Wäldern, Küsten, Mooren und Hochgebirgen und zur Kreislaufwirtschaft“ enthält viermal den Begriff „Klima“, außer der Meeresforschung, die im Kapitel einleitend genannt ist, nicht jedoch eine einzige gewissermaßen nicht-klimabezogene Grundlagenforschung. Unter strategischen Forschungsfeldern taucht hingegen eine „nationale Hyperloop Referenzstrecke“ auf.
4.4. Kultur und Medien
Unter Umgang mit Desinformation ist in der Formulierung: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt“ höchstwahrscheinlich ein zunächst noch subtiler Angriff auf die Meinungsfreiheit im Bereich des Möglichen, wenn weiter formuliert wird: „Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“ Wer ist die „staatsferne Medienaufsicht“ für den Fall des Internets? Sind es schon existierende Meldestellen oder staatsnahe „Ermittler“ vom Zuschnitt „Correctiv“?
Hier wird sich erst bei weiterer Konkretisierung zeigen, inwieweit Kritik und/oder Satire, die beispielsweise staatliches Handeln betreffen, nicht doch der Zensur ausgesetzt werden, die in Deutschland durch das Grundgesetz eigentlich ausgeschlossen ist. Zur Erinnerung: Das Grundgesetz verbietet Zensur und schützt die Meinungsfreiheit. Artikel 5 Absatz 3 Satz 3 GG besagt ausdrücklich: „Eine Zensur findet nicht statt.“
Schlussbemerkung zu erkennbaren Bellizismus-Tendenzen
Dass der Koalitionsvertrag 2025 von CDU, CSU und SPD in den Schlusskapiteln zur Außen-, EU-und Verteidigungspolitik die Unterstützung der Ukraine in militärischer Hinsicht beinhaltet, und expressis verbis auch deren Betritt zur NATO, ist aus Gründen des europäischen Natur- und Umweltschutzes fragwürdig. Denn es ist durch vielfältige Publikationen bewiesen, dass und wie sehr ein Krieg, auch ein weiter verlängerter Krieg – möglicherweise auch auf dem Boden beider unmittelbar beteiligten Länder – nicht nur Menschenleben fordert, kulturelle und materielle Werte zerstört, sondern in erheblichem Maße auch Naturgüter wie Boden, Wasser, Lebensräume, Habitate und (wandernde) Wildtiere schädigt. Die Unterstützung des NATO-Beitritts der Ukraine ist nicht dazu geeignet, den Krieg maßgeblich zu verkürzen und damit die zusätzlich zu den bereits eingetretenen Schäden zu erwartenden zu minimieren.
Ob mit diesem Koalitionsvertrag angesichts der Angriffe auf Bürgerrechte, einseitiger Sicht auf Natur und Umwelt, und angesichts des hier bemängelten Treibhausgas-Reduktionismus, der den Text in Fragen zu Umwelt, Klima und Natur durchzieht, ein Beitrag für eine „gute Zukunft Deutschlands“ geleistet ist, wird sich zeigen.