Der ehemalige Vogelwart der Insel Memmert, Reiner Schopf, ist tot – ein Nachruf

Reiner Schopf – Foto: Archiv Eilert Voß/Wattenrat

von Manfred Knake

Ein Leben für den Naturschutz

Der ehemalige Vogelwart der Insel Memmert bei Juist, Reiner Schopf, ist tot. Schopf lebte von 1973 bis 2003 als Angestellter des Bauamtes für Küstenschutz in Norden (später Staatliches Amt für Insel-und Küstenschutz StAIK, heute Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, NLWKN) ganzjährig auf der Insel. Die Voraussetzung für die Stellenbesetzung war, dass er heiratete.

So fungierten 1973 der damalige Behördenchef des Norder Bauamtes , Heie-Focken Erchinger, und der Behördenmitarbeiter Theodor Mennebäck als Trauzeugen. Schopf zog mit seiner Ehefrau Ingrid in das Vogelwärterhaus auf der hoch gelegenen Kreuzdüne der Vogelinsel, die seit 1924 staatliches Vogelschutzgebiet ist, seit 1986 zur strengsten Schutzzone im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehört und nur mit Genehmigung betreten werden darf. Die Ehe hielt nur drei Jahre, Ehefrau Ingrid zog wieder aufs Festland.

Das Vogelwärterhaus (Bildmitte) mit dem Schuppen, rechts unten das Pumpenhaus zur Trinkwasserversorgung – Luftbild (ca. 1995): Manfred Knake

Von da an lebte Reiner Schopf zunächst 15 Jahre lang alleine auf der Insel, bis er seine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Barbara Carp kennenlernte. Mit ihr gemeinsam verbrachte er seine Vogelwärterzeit bis zur Verrentung.

Memmert, das Vogelwärterhaus auf der Kreuzdüne – Foto: Manfred Knake

Nach mehr als 30 Jahren Tätigkeit als Vogelwart und Inselvogt zogen Reiner Schopf und Barbara Carp zunächst auf die kleine Insel Liebitz in der Ostsee westlich von Rügen, wo sie die Aufsicht über die in Privatbesitz befindliche Insel führten. Anschließend zogen sie in die Nähe von Stralsund, wo beide ein größeres Anwesen auf dem Land erworben hatten.

Zwischenstation 2003 im neuen Heim auf der Insel Liebitz im Kubitzer Bodden/Ostsee – Foto: Manfred Knake

Schopf wurde 1938 in der Tschechoslowakei geboren, seine Eltern betrieben dort als Sudetendeutsche eine Gärtnerei. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Familie 1946 in einem Viehwaggon nach Westdeutschland zwangsevakuiert. In Ludwigsburg bauten die Eltern einen neuen Gärtnereibetrieb auf, wo Reiner Schopf eine Gärtnerlehre absolvierte. Es folgte eine vierjährige Dienstzeit in der Bundesmarine, wo Schopf in einem schwimmenden Verband diente.

Danach erhielt er eine Anstellung als Tierpfleger im Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie im bayerischen Seewiesen bei Konrad Lorenz.

Anschließend arbeitet er auf der nordfriesischen Insel Amrum und betreute dort ein Vogelschutzgebiet, bis er 1973 seine Stelle auf Memmert antrat. In den Wintermonaten nahm er seinen Jahresurlaub und bereiste mehrfach die Welt von Afrika bis Australien.

Auf Memmert bereitete er den vermeintlichen Privilegien von Juister Wassersportlern, Anglern und Jägern ein Ende und sorgte für Ruhe auf der Insel. Sein Vorgänger Gerhard Pundt, der seit 1956 als Vogelwart auf der Insel mit seiner Familie lebte, hatte rege Außenkontakte gepflegt und Gäste zur Kaninchenjagd, zum Angeln und zu Partys auf die Insel eingeladen; er befuhr die Insel mit einem alten VW-Käfer, der später nur noch im Rückwärtsgang betrieben werden konnte. Das Auto wurde schließlich irgendwo in den Dünen vergraben.

2002: Im Arbeitszimmer – Foto: Manfred Knake

Reiner Schopf sah seine Aufgabe in der Nachfolge und Tradition des legendären „Vater des Memmerts“, Otto Leege senior. Otto Leege war Lehrer auf der Insel Juist und wurde dort wegen seiner Bemühungen, die Vogeljagd zur touristischen Belustigung und das Eiersammeln zu unterbinden, angefeindet. Leeges Bemühungen, aus der Memmert-Sandbank mit ihren Primärdünen eine „Vogelfreistätte“ zu machen, hatten mit staatlicher Unterstützung Erfolg. Er veranlasste Anpflanzungen, die zum Sandfang dienten und aus der Sandbank schließlich eine Insel machten. Bereits ab 1906 war das Betreten Memmerts von Mai bis Mitte August verboten. Ab 1921 wurde die ganzjährig Überwachung eingeführt, um die rücksichtslose Eiersammelei durch die Juister Bevölkerung und die Schießerei auf Vögel der verschiedensten Arten zu unterbinden.

Auf der Nachbarinsel Juist hielt Schopf Vorträge über den Naturschutz an der Küste, sein Transportmittel war ein stabiles norwegisches Holzboot von 3,50m Länge mit einem 5 PS-Außenborder. Sein Vortragssaal wurde im schließlich gekündigt, da man seine Vorträge als abträglich für den Tourismus ansah.

Reiner Schopf beim Müllsammeln am Strand vor der Möwenkolonie, August 1989 – Foto: Archiv Eilert Voß/Wattenrat

Akribisch sammelt er auf Memmert angespülten Müll auf, in dem sich Brut- oder Rastvögel verfangen konnten, und deponierte ihn flutsicher so, dass er von seiner Behörde abgeholt und entsorgt werden konnte.

Flutsicher gesammelter angespülter Müll, zur Abholung bereit – Foto: Manfred Knake

Er erfasste die Daten der Brut- und Rastvögel und kümmerte sich auch um die Wildkaninchen, die in Wohnhausnähe halbzahm zur abendlichen Fütterung mit Haferflocken kamen. Der inzwischen entfernte Leuchtturm auf Memmert wurde von ihm als „Leuchtturmwärter“ bedient.

Abendliche Fütterung der Wildkaninchen – Foto: Manfred Knake

Als Mitte der 1980-er bekannt wurde, dass das Wattenmeer als Nationalpark ausgewiesen werden sollte, gab es Proteststürme der Wassersportler, die um ihre Reviere fürchteten. Am 17. August 1985 belagerten mehrere Dutzend Sportboote die Insel Memmert und versuchten, die Insel aus Protest gegen die Schutzgebietsausweisung mit der „Aktion Seeigel“ einzukreisen. Das Spektakel der Einkreisung gelang nicht ganz, weil daran zu wenige Boote teilnahmen.

Ab 1986 mit der Gründung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer wurde Schopf auch mit der Aufsicht über die Insel, die in der strengsten Schutzzone liegt, betraut. 2001 wurde er Mitbegründer des Wattenrates Ostfriesland. Er äußerte sich häufig in Leserbriefen, zum Missfallen seiner Küstenschutzbehörde, zu den negativen Auswüchsen im Nationalpark durch den Massentourismus mit allen seinen Begleiterscheinungen. 2002 machte er auf das großflächige Eiderentensterben im Wattenmeer aufmerksam, das ohne ihn nie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erreicht hätte.

Memmert: Eiderentensterben 2002 – Foto: Reiner Schopf

Ohne Reiner Schopf wären auch viele andere Missstände aus dem Nationalpark oder Versäumnisse der Nationalparkverwaltung und die Untätigkeit der „großen“ Naturschutzverbände nie öffentlich bekannt geworden. Er hat nicht den Mund gehalten und stets laut gesagt, was tatsächlich ist, seine Stimme wird fehlen.

2002: Erst erfassen, dann vergraben einer angespülten Kegelrobbe – Foto: Manfred Knake – Viele Seehundkadaver auf den Inseln wurden beim Seehundsterben 2002 ohne Erfassung einfach vergraben, was die Statistik touristenfreundlicher machte.

Damals war die regionale Presselandschaft noch eine andere, über Kritikpunkte wurde ausführlich berichtet, das ist seit einigen Jahren vorbei.

Reiner Schopf starb am 08. August 2024 nach schwerer Krankheit 86-jährig in seinem Haus, wo er von seiner Ehefrau gepflegt worden war. Er wird vor den Kreidefelsen auf Rügen seebestattet.

Links:

* Die achte Insel (2006)

* Memmert: Das letzte Abenteuer in Deutschland (2005)

Dieser Nachruf erschien zuerst beim Wattenrat Ostfriesland am 10. Aug. 2024.

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