Wolf: Landkreis Aurich scheitert mit Ausnahmegenehmigung zum Abschuss vor Gerichten

Archivbild, Februar 2018: Wandernder Wolf  geht über dünnes Eis bei  Kirchborgum/LK Leer – Foto: privat

Ein Wolf mit Rissen vereinzelter „Nutztiere“ machte in Ostfriesland wieder Schlagzeilen. „Am 16.06.2024, 20.06.2024 sowie am 30.06.2024 ereigneten sich an einem Deichabschnitt im Landkreis Aurich mehrere Rissereignisse von Schafen und Lämmern, … Aufgrund der Betroffenheitvon Schafen am Deich besteht neben ernsten wirtschaftlichen Schäden für die Tierhalter die Gefahr,dass die Deichsicherheit beeinträchtigt wird“, heißt es in der Pressemitteilung des Landkreises Aurich.

Am 04. Juli wurde daher vom Landrat des Landkreises Aurich, Olaf Meinen, eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss eines Wolfes erteilt. Nur: Das darf er gar nicht. Dieser „Schnellschuss“ ging für den Landrat gerichtlich nach hinten los.

Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) schreibt dazu am 05. Juli:

Nach uns vorliegenden Informationen sind die genannten Risse aber eben gerade nicht auf den Deichen, sondern nur in der Nähe der Deiche im Landesinneren erfolgt. Dazu nochmal Jörg Zidorn: „Ein Nutztier-Riss ist immer schon schlimm genug. Aber hier wird gezielt mit den Ängsten der Menschen gespielt, die Deichsicherheit wäre in Gefahr. So ein Verhalten von einem Landkreis zuerleben ist erschütternd.“

Kein ausreichender Herdenschutz, keine territorialen Wölfe vor Ort

Alle drei genannten Risse wurden nach unseren Informationen mit „kein Grundschutz vorhanden“ bewertet. Außerdem sind in dem Bereich der Risse auch weder ein Rudel, noch territoriale Einzeltiere bekannt. Es besteht also wieder die Gefahr, dass ein völlig unbeteiligter Wanderwolf abgeschossen wird. Daher haben wir uns entschlossen, gegen diese Ausnahmegenehmigung rechtliche Schritte einzuleiten und haben heute einen Eilantrag gestellt.

Diesem Eilantrag  wurde vom Verwaltungsgericht Oldenburg am 10. Juli stattgegeben:

Verwaltungsgericht Oldenburg gibt Eilantrag gegen die Ausnahmegenehmigung für die Entnahme eines Wolfes im Landkreis Aurich statt

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg hat mit Beschluss vom 10. Juli 2024 (Az. 5 B 1950/24) einem vorläufigen Rechtsschutzantrag des Freundeskreises freilebender Wölfe e.V. stattgegeben.

Hintergrund des Verfahrens waren mehrere Rissereignisse am Hauptdeich von Dornum im Juni 2024, bei denen insgesamt vier Deichschafe durch einen Wolf getötet und vier weitere Schafe verletzt wurden.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2024 erließ der Landkreis Aurich auf Grundlage von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) eine für sofort vollziehbar erklärte Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf (Canis lupus) aus der Natur. […] vollständig hier

Bereits am 11. Juli legte der Landkreis Aurich Beschwerde gegen den Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg ein, vergeblich, wie die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe schreibt:

Niedersachsen scheitert wiederholt mit Schnellabschussverfahren

Mit Beschluss von heute wurde zum wiederholten Mal ein Entnahmeantrag aus Niedersachsen durch ein Oberverwaltungsgericht gestoppt.

So heißt es in dem Beschluss des OVG, „die Rissereignisse vom 16. Juni 2024, 20. Juni 2024 und 30. Juni 2024 rechtfertigten nicht die Prognose, dass es zu weiteren Rissereignissen und damit zueiner Gefährdung der Deichsicherheit oder ernster landwirtschaftlicher Schäden kommen werde.“

Entscheidung des EuGH vom 11. Juli wird richtungsweisend

Das Gericht nimmt in dem Beschluss auch Bezug auf die kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH, in dem der Europäische Gerichtshof den Schutz der Wölfe weiter gestärkt hat und wiederholt betont, dass der Abschuss von Wölfen die absolute Ausnahme bleiben muss. Bevor dem stattgegeben wird, müssen alle Schutzmaßnahmen ausgeschöpft werden, was auch bei der aktuellenAusnahmegenehmigung wieder nicht der Fall war.

GzSdW setzt weiter auf Kooperation beim Herdenschutz

„Nur durch massive Unterstützung der Weidetierhaltenden werden wir das Problem von Wolfsrissenbewältigen können“, sagt Nicole Kronauer, 1. Vorsitzende der GzSdW. Der Verein engagiert sich seitüber zwei Jahrzehnten im Herdenschutz und arbeitet dazu oft eng mit den Tierhaltenden zusammen. Auch Unterstützung bei Nachtwachen oder beim Zaunbau hat es schon gegeben. Ein vergleichbares Engagement würde sich Jörg Zidorn, Ansprechpartner der GzSdW für Niedersachsen, auch aus derPolitik wünschen: „Das Umweltministerium muss endlich eine Kehrtwende machen und Energie, Zeit und Geld in den Herdenschutz und nicht in konstruierte Schnellabschüsse investieren.“

Anmerkung Wattenrat: Bleibt zu hoffen, dass in der Jägerschaft nach den Gerichtsbeschlüssen der Abzugsfinger gerade bleibt. Immer wieder hört man aus der Jägerschaft hinter vorgehaltener Hand, man werde das Wolfsproblem mit „schießen, schaufeln, schweigen“ regeln, eine Straftat. Die Landesjägerschaft in Niedersachsen nennt sich „anerkannter Naturschutzverband“ und ist für das Wolfsmonitoring im Bundesland zuständig. Und zur Berichterstattung in der Regional- und Lokalpresse: Die Sicht des Landkreises Aurich zu den Gerichtsbeschlüssen wurde mehrfach ausführlich abgedruck, nur die Beschwerdeführer der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. wurden nie befragt. Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

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