Stellungnahme der Naturschutzinitiative e.V. (NI) zum Renaturierungsgesetz (Restoration Law) der EU von Dr. Wolfgang Epple.

Foto: Manfred Knake

Dr. Wolfgang Epple betreibt das Blog Ganzheitlicher Naturschutz. Er veröffentlichte seinen nachfolgenden Text auf der WebSeite der „Naturschutzinitiative e.V“ .

Wir übernehmen seinen Text, um zwei Grafiken gekürzt, mit freundlicher Genehmigung:

19.06.2024 – Klartext

Zu Widersprüchen der aktuellen Naturschutzpolitik

Seit Monaten gibt Prof. Dr. Josef Settele, Leiter des UFZ-Departments Naturschutzforschung (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung), engagierte Interviews zum Natur-Wiederherstellungsgesetz der EU, das bekanntlich insbesondere aufgrund des Widerstandes der Konservativen und Rechten auf EU-Ebene im Dienste der Intensiv-Landwirtschaft kurz vor dem Scheitern stand. Herausgehoben sei das Interview Josef Setteles mit dem „Riffreporter“ und Kolumnisten bei Spektrum.de, Thomas Krumenacker, vom 23.02.2024 (1).Das Gesetz hat dieser Tage bekanntlich doch noch die entscheidende Hürde im EU-Umwelt-Rat genommen.
Ist Jubel berechtigt? Restoration-Law ein Durchbruch?
Einige Umweltverbände, etwa der WWF, jubeln. Man erweckt den Anschein eines großen Durchbruchs. In einem weiteren, vom UFZ publizierten Interview vom 17.06.2024 (2) als Reaktion auf die Zustimmung des EU-Umweltrates hört man Prof. Settele nun Sätze wie folgenden sagen:(…) Für den Naturschutz ist das ein großer Erfolg, da wir uns endlich in Richtung einer Betrachtung gesamter Landschaften bewegen und einer Integration von Landnutzung, Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität deutlich näher kommen. (…)“Das grenzt an die Klitterung der Geschichte und der bisherigen Bemühungen des Naturschutzes. Denn: Seit Jahrzehnten war die fachlich konsistente Verwobenheit des Arten- und Naturschutzes mit seiner Grundlage, dem Schutz der Lebensstätten, Zugrouten, Wanderungs- und Überwinterungsgebiete, begleitet von Feldforschung zunehmend faktenbasierte Grundlage aller Bemühungen. Dies gilt nicht zuletzt in den Natur- und Umwelt-Richtlinien der EU (FFH, Vogelschutz, UVP). Konkret sei aber auch erinnert an das Gedeihen des deutschen Naturschutzrechtes, an unterstützende Begleitung aus den NGOs, z.B. die Artenschutzsymposien des damaligen Deutschen Bundes für Vogelschutz (heute NABU) schon vor 40 Jahren, erinnert sei an die fortgesetzt hervorragende Rechtsprechung des EuGH zur Umsetzung der EU-RL, erinnert sei nicht zuletzt an die verschiedenen weitreichenden internationalen Konventionen zum Schutz der Natur und Arten, die Deutschland ratifiziert hat.Ist also das Restoration-Law tatsächlich der entscheidende Durchbruch?
Schwächung im Kern schon in der Entstehung
Das wird die Realität zeigen. In einem sogenannten Trilog wurde das im Entwurfsstadium diese Bezeichnung noch verdienende Restoration-Law nämlich folgenschwer geschwächt. Zentral ist die Aufweichung zu Gunsten der Landwirtschaft: Maßnahmen können ausgesetzt werden, wenn Ertragseinbußen drohen. Viele Köche – insbesondere aus Nutzer-Lobby-Kreisen – verderben traditionell den Naturschutz-Brei.Warum feiert man also diese „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“, ein im Rahmen seiner Entstehung besonders stark gerupftes Gesetz? Gewiss, im Gegensatz zu den Richtlinien ist eine Verordnung zum Naturschutz endlich unmittelbar für die Mitgliedstaaten rechtswirksam. Was aber bringt dieses Gesetz, wenn bestehende Chancen zur Wiedergutmachung an der gebeutelten Natur – übrigens als Ziel sehr wohl im bisherigen Recht verankert – zeitgleich mit System zunichte gemacht werden? Was bringt ein solches Gesetz, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass Deutschland in den letzten zwei Jahren mit gesetzgeberischen Federstrichen den über Jahrzehnte erprobten Landschaftsschutz (immerhin ein Viertel der Fläche des Landes!) zu Gunsten der Energiewende faktisch abgeschafft hat, wenn europaweit durch ebensolche Federstriche die Windkraft durch Beschleunigungsmaßnahmen selbst in Natura-2000-Gebiete eindringen kann
(s. Abb.), wenn der Kontinent-überspannende Biotopverbund im Zuge der Beschleunigung des Ausbaus der EE Makulatur wird, wenn für den „Klimaschutz“ der Individuenschutz streng geschützter Arten durch die EU selbst und im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des EuGH geschleift wird?
Wird hier für das insgesamt im Naturschutz ahnungslose Publikum eine Undurchsichtigkeit erzeugende Nebelkerze gezündet? Bricht jetzt wirklich die gute Zeit und Zukunft für den Naturschutz an?
Das historische Wirken des SRU für die Verschlechterung der Artenschutz-Situation
Der so stark das Restoration-Law bejubelnde Prof. Settele ist derzeit zuständig für die Sparte Biodiversität im deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Was unter der offensichtlichen Dominanz der Windkraft-Lobby im Oktober 2021 und Februar 2022 von diesem Gremium publiziert wurde ((3), (4)), findet sich in den Arten- und Naturschutz historisch schwächenden Gesetzes-Paketen der Ampel-Regierung (sogenannte „Osterpakete“) aus 2022 teilweise 1:1 verwirklicht.Zur Kollision der an diese Empfehlungen des SRU anschließenden Gesetze der derzeitigen Bundesregierung mit dem höherrangigen europäischen Naturschutz-Recht als auch zur verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit einer ganzen Reihe der durch die neue Rechtslage ausgelösten Entwicklungen sind Quellen und Rechtsgutachten zugänglich. Erinnert sei an Gutachten Dr. Rico Fallers im Auftrag der Naturschutzinitiative e.V.
Wir befinden uns mitten in den realen Auswirkungen dieser gezielten Schwächung des Artenschutzes (siehe Abb. am Schluss). Wir erleben die Schleifung der in Jahrzehnten mühsam erreichten Standards des Naturschutzrechtes hautnah.
Die für den Artenschutz gravierend negativen Folgen der politisch durchgesetzten Beschleunigung des Ausbaus („Entfesselung“, wie der seinerzeitige BUND-Chef Hubert Weiger forderte) der Windkraft und anderer EE greift eine das Restoration-Law nun feiernde „Klimaschutz“-Gemeinde offensichtlich ungern auf. Inzwischen müssten auch die mit der EE-Industrie verbandelten Umweltorganisationen erkennen, wo sich Abgründe und Widersprüche auftun:
Eklatante Widersprüche im Handeln der EU

Von den bestehenden Widersprüchlichkeiten in der Naturschutz-, Umwelt- und Energiepolitik der EU seien exemplarisch zwei herausgegriffen:

  • Die „Notfall-VO“ der EU
  • Die Richtlinie 2023/2413 im Bereich Windenergie an Land und Solarenergie, RED III. Für die Umsetzung in Deutschland existiert ein Referentenentwurf 05.04.2024.

Dass in ganz Europa durch den Ausbau der EE gerade auch das Natura-2000-Netz geschwächt wird (siehe Abb.), sollte selbst der nun jubelnden Klimaschutz-Gemeinde und bei „Riffreportern“ bekannt sein und doch zu denken geben. Hierzu sei ein sehr eindrucksvoll recherchierter Bericht über Griechenland, empfohlen (5).

Das entscheidende Defizit bleibt und könnte bleiben: Nicht-Anwendung höherrangigen EU-Rechts
Die Nicht-Anwendung bzw. gezielte Schwächung der Naturschutz-RL der EU ist seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, das entscheidende Defizit des Schutzes der Lebensgrundlage Biodiversität und bei weitem das nachweislich inzwischen größte Problem für den Artenschutz in ganz Europa. Sehr viele der Schwächungen gingen und gehen von Deutschland im Rahmen des „Klimaschutzes“, der fragwürdigen Aushebelung des Naturschutzes zu Gunsten der EE aus.Das ohnehin stark verwässerte Natur-Wiederherstellungs-Gesetz als Durchbruch zu feiern, gleichzeitig über Jahre an der Aushöhlung des bestehenden Rechtes über ein oder mehrere „Impulspapiere“ mitzuwirken, markiert im Verein mit dem politischen Wirken der CDU/CSU/EVP und der fast schon naiven medialen Aufarbeitung des verwässerten Restoration-Law eindrucksvoll im Allgemeinen die bestehenden Ungereimtheiten des deutschen und europäischen Natur-und Artenschutzes, und im Speziellen das schillernde Wirken deutscher Naturschutz- und Umweltbehörden einschließlich Sachverständiger wie des SRU. Es sei erinnert, dass bis in die letzten Tage in Deutschland an weiteren Beschleunigungen für die Genehmigung von Windkraftanlagen und Freiflächen-PV in selbst sensibelsten Habitaten und Landschaften gearbeitet wurde. Hier tut sich das wahre, steinige Handlungsfeld für den durch Energiewende und „Klimaschutz“ an den Abgrund gedrängten Schutz der Natur auf.

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Quellen in der Reihenfolge des Textes:

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