„Naturschutz kaputt“, so kann man die Misere des Naturschutzes, verschärft durch die Entkernungsmaßnahmen der Ampelregierung, kurz charakterisieren. Aber auch die großen Naturschutzverbände sind daran nicht unbeteiligt, sie sind ein Teil des Problems, wie der nachfolgende Beitrag der „Europäischen Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ (EGE) feststellt:
Naturschutzvereinigungen am Scheideweg
1. Mai 2024
Von Kritik gänzlich unbeeindruckt setzen die deutschen Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt, also die von den bündnisgrünen Robert Habeck und Steffi Lemke geführten Häuser, ihren Anti-Naturschutzkurs fort.
Anfang April 2024 legten sie einen samt Begründung 56 Seiten langen Entwurf eines Gesetzes für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land sowie der Solarenergie vor. Das Gesetz soll der Umsetzung der EU-Richtline 2023/2413 dienen. Auch dieses Mal war die Rückäußerungsfrist, wie man es von beiden Ministerien schon kennt, auf wenige Tage beschränkt. Der Bundesverband Beruflicher Naturschutz e. V. (BBN) beklagt, „die für die Stellungnahme gesetzte Frist (sei) für eine ausreichende Auseinandersetzung mit den geplanten, weitreichend in etablierte Umweltprüfungsinstrumente eingreifende Gesetzesänderungen viel zu kurz bemessen“. Der BBN „nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass die Bundesregierung (…) in kurzen Abständen wiederholt unausgereifte Gesetzesentwürfe vorlegt, die in der Folge nachgebessert werden müssen“. Der BBN stellt dem Gesetzesentwurf ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: er vertrete „zu einseitig wirtschaftliche Interessen der Unternehmen der Windenergie- und Solarbranche“.
Im Gesetzesentwurf geht es um nichts weniger als die Zulassung von Wind- und Solarparks in Beschleunigungsgebieten ohne eine ausreichende Prognose und Bewältigung der mit den Anlagen einhergehenden Schäden an Natur und Landschaft. Naturschutzrecht soll dort künftig als eingehalten gelten, wenn nicht innerhalb von 45 Tagen eine behördliche Entscheidung getroffen wird. Damit wird die Prüfpflicht mit einer Umkehr der Beweislast den Schwächsten aufgebürdet: den personell unterbesetzten Naturschutzbehörden. Sie aber sind schon wegen der an sie gerichteten politischen Erwartungen, willfährig durchzuwinken was der „Energiewende“ dient, kaum in der Lage diesem Druck standzuhalten. Vorgesehen sind im Konfliktfall vereinfachend nach Art und Umfang unbestimmte Minderungsmaßnahmen und Zahlungen in geringer Höhe in einen vom Bundesumweltministerium bewirtschafteten Artenschutzfond. Der Gesetzesentwurf schließt Wind- und Solarparks selbst in Natura 2000-Gebieten und anderen streng geschützten Gebieten nicht aus. Für den deutschen Qualitätsjournalismus ist alles dies kein Thema, auch für die mit 8,6 Milliarden Euro Rundfunkbeiträgen finanzierten Sendeanstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht.
Knapp zweieinhalb Jahre ist die Ampelkoalition im Amt – mit einer auf dem Gebiet des Naturschutzes fatalen Bilanz. Einen Eindruck vom Ausmaß der systematischen Entrechtung des Naturschutzes vermitteln die Formulierungen in der Stellungnahme des BBN. Dort ist von Missachtung des Verursacherprinzips, der Verletzung des Vorsorge- und Vermeidungsprinzips und einem Freikaufen durch Zahlungen die Rede. Selbst der NABU beklagt den eingeschlagenen Weg, wenngleich weniger entschieden. Vielleicht deutet sich nun aber eine Wende an im Verhältnis zwischen Naturschutzverbänden und Bundesregierung. NABU und BUND repräsentieren mehr als 1,5 Millionen Mitglieder. Der DNR (Deutscher Naturschutzring) sagt von sich, mit mehr als 100 Mitgliedsverbänden 11 Millionen Menschen zu erreichen. Angesichts dieser Zahlen ist die bisherige Kritik dieser Verbände am Kurs der Regierung ungewöhnlich schwach und zögerlich. Viele im Naturschutz halten Bündnis90/Die Grünen immer noch für genuine Verbündete – trotz gegenteiliger Erfahrungen. Der Deutsche Bauernverband mit nur mehr 260.000 landwirtschaftlichen Betrieben und ohne eine besondere Nähe zu den Grünen findet mehr Gehör. Allerdings auf einem anderen Gebiet. Die der Landwirtschaft regierungsseitig gewährten Zugeständnisse erfolgen überdies zu Lasten des Naturschutzes. Allerdings müssen sich die Naturschutzvereinigungen fragen lassen, was sie selbst zu der teils von ihnen geforderten Entfesselung der Windenergiewirtschaft beigetragen haben.
Der Gesetzesentwurf ist ein neuerlicher Beleg für eine grundlegende Abkehr vom bewährten Naturschutzrecht, die ausgerechnet in bündnisgrüner Regierungsverantwortung ins Werk gesetzt auf einen Konsens aller im Bundestag von rechts bis links vertretenen Parteien stößt. Umso bemerkenswerter ist die Stellungnahme des BBN, der ohne Umschweife den Entwurf ablehnt.
Auf Verbände wie den BBN kommt noch viel Arbeit zu. Anzeichen zufolge arbeiten Wirtschafts- und Umweltministerium an der Schleifung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Bisher hatten beide ihr Hauptaugenmerk mit Erfolg auf die Entkernung des Artenschutzrechts gerichtet. Dass das Bundesnaturschutzgesetz im Eingriffsfall mit einem zweiten Instrument, nämlich der Eingriffsregelung, Arten als Teil und Voraussetzung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu schützen verlangt, hatten die beiden Ministerien offenkundig übersehen, was einen Eindruck von der Unbedarftheit der Akteure vermittelt. Dabei konnten Arten in Deutschland bis ins Jahr 2007 einzig und allein mit der Eingriffsregelung vor Eingriffsvorhaben verteidigt und im Falle eines Eingriffs zumindest mit auf die betroffenen Arten bezogenen Kompensationsmaßnahmen geschützt werden. Immerhin. Zur Anwendung der artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote sah sich Deutschland nämlich erst mit seiner 2006 erfolgten Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof gezwungen. Genau diese Verbote hat der Bundesgesetzgeber jüngst eingeschränkt, weshalb es nun umso mehr auf die Eingriffsregelung ankommt. Aus diesem Grund sind Wirtschafts- und Umweltministerium bemüht, sich partiell oder komplett nun auch der Eingriffsregelung zu entledigen. Auch dies selbstverständlich zur „Rettung des Planeten“. Man darf gespannt sein, ob die anerkannten Naturschutzvereinigungen diese neue Auseinandersetzung mit der Bundesregierung aufnehmen oder in grüner Umklammerung verharren und sich mit Gefälligkeiten den Schneid abkaufen lassen.