Esens hat gewählt, oder auch nicht: Das offizielle Abstimmungsergebnis der Bürgerbefragung zur Windenergie in der Samtgemeinde liegt vor.
„Esens: 62,8 Prozent plädieren für Ausbau der Windkraft“ titelt der Anzeiger für Harlingerland aus Wittmund am 08. Februar 2024 auf der Titelseite. Wow, gewaltig! Beim näheren Hinsehen und Nachrechnen zeigt diese Meldung jedoch nur das mageres Ergebnis an.
Klingt gewaltig, nur beim Nachrechnen mit der Prozentrechnung stimmten lediglich 2197 Wahlbeteiligte von 12.175 de facto Wahlberechtigten für den weiteren Windkraftausbau!
Diese mageren Zahlen veröffentlichte die „Ostfriesen Zeitung“ als „Trend“ und „Rückenwind für die Windparks“, der aber nichts anderes als ein laues Lüftchen ist und keinesfalls eine qualifizierte Mehrheit abbildet:
Eine Pressemitteilung des Wattenrates zu den redaktionellen Zahlen-Interpretationen wurde weder vom „Anzeiger für Harlingerland“ noch von der „Ostfriesen Zeitung“ übernommen. Auch das ist Pressefreiheit. Wie sagte ein Wattenrat Mitarbeiter: „Diese Zeitungen taugen nur noch als Einlagen für das Katzenklo“…
Das ist die Online-Verlautbarung der Samtgemeindeverwaltung:
„Insgesamt haben sich 3.499 Personen an der Abstimmung beteiligt. Dies entspricht einer Beteiligung von 28,74 %. Im Ergebnis hat sich eine Mehrheit von 62,8 % für weitere Windparks ausgesprochen, davon allerdings nur 12,5 % ohne Einschränkungen. Ein recht großer Anteil (36,5 %) kann sich einen nur Ausbau vorstellen, wenn sich Bürger und Gemeinden finanziell an den Projekten beteiligen können. 37,2 % der Abstimmenden haben sich gegen einen weiteren Ausbau der Windenergie ausgesprochen. Fast die Hälfte der Abstimmenden würden sich selbst an einem Projekt finanziell beteiligen wollen. Die Meinung zum Thema Windenergie fällt in allen Mitgliedsgemeinden grundsätzlich vergleichbar aus, wenngleich mit unterschiedlichen Ausprägungen. Bitte beachten: Es gab teilweise mehrere Antwortmöglichkeiten. Eine reine Addition der Prozentwerte führt daher (bei den blau gekennzeichneten Balken) zu einem Wert von über 100. Die Prozentwerte beziehen sich immer auf die Gesamtzahl der Abstimmenden.“
Dazu ist das Folgende anzumerken: Die Bürgerbefragung von 2016 erlaubte nur ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ bei der Abstimmung, nur mit Stift und Papier, die Wahlbeteiligung damals lag bei 58,76 Prozent, also knapp eine doppelt so hohe Wahlbeteiligung verglichen mit der aus 2024. Von 11.938 Stimmberechtigten nutzten damals 7015 die Möglichkeit, ihre Stimme zur Befragung abzugeben; 6986 Stimmen waren gültig. Von diesen Stimmen hatten 1415 Bürgerinnen und Bürger der Samtgemeinde Esens (20,25 Prozent) mit ,Ja‘ und 5571 (79,75 Prozent) mit ,Nein‘ gestimmt“, ein eindeutiges Ergebnis.
https://www.wattenrat.de/2016/02/04/buergerbefragung-windenergie-samtgemeinde-esens-waterloo-fuer-die-befuerworter/
Acht Jahre später, 2024, wird eine gänzlich andere Bürgerbefragung, digital mit zusätzlichen Fragen, durchgeführt. Für internetungeübte ältere Wahlberechtigte ohne PC stellte die Abstimmung schon eine Hürde dar: Man musste sich zur Abstimmung einloggen und dann einen Freischaltcode eingeben. Durch einen Programmierfehler war auch eine Mehrfachabstimmung möglich, zudem ist nicht auszuschließen, dass aus der Kombination der Empfängeradresse mit dem Freischaltcode im selben Wahlbrief die Identität des Abstimmenden ersichtlich wird. Dazu kommt, dass nicht überprüft werden kann, ob die Abstimmenden ihre Altersgruppe oder ihren Wohnort bei der möglichen Auswahl korrekt markiert haben. Die 2024-Befragung ergab also ein ganz anderes Ergebnis als 2016, ist aber auch nicht vergleichbar.
Link:
https://www.wattenrat.de/2024/01/31/samtgemeinde-esens-digitale-buergerbefragung-zur-windenergie-programmierfehler-erlaubt-mehrfachabstimmung/
Das Ergebnis dieser Abstimmung verwundert nicht: Zitat: „Fast die Hälfte der Abstimmenden würden sich selbst an einem Projekt finanziell beteiligen wollen.“ Zitat Ende
Dazu kommt vermutlich auch die Resignation oder Frustration vieler windkraftgebeutelten Bürger und das weitgehend erfolglose jahrelange Engagement gegen den Windwahn mit der Kenntnis um die enge Zusammenarbeit zwischen parteipolitischen Windkraftlobbyisten und der mächtigen Windenergiewirtschaft. Diese Bürgerbefragungen werden auch deshalb als wertlos angesehen, weil sie keine Rechtsbindung haben. „De doon doch wat sie wüllt und verdeenen ok noch mit an de Windkraft in den Räten“, hört man häufig. Oder ist es das jahrelange Trommelfeuer der Medien, die dem Zeitungsleser einzutrichtern versuchen, dass Windenergie kostengünstig sei oder damit das Klima gerettet kann, obwohl es nur um die Rendite geht? Man muss nur seine Stromrechnungen ansehen, um zu sehen, wie die staatlich subventionierten „Erneuerbaren“ den Strompreis immer weiter in die Höhe treiben.
Abgestimmt haben mehrheitlich auch die, sich sich eine Rendite bei der Beteiligung an Windkraftprojekten vorstellen können. Das hat ihnen die Politik auch jahrelang über die Medien eingehämmert: Proteste reduzieren durch finanzielle Köderung der Anwohner.
Der Wattenrat hat inzwischen die merkwürdigen Abstimmungsmodalitäten dem Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz zur Kenntnis übersandt, eine Antwort steht noch aus.
Durch die Ampelregierung sind die meisten Planungs- und Genehmigungshemmnisse für die Errichtung von Windparks weggefallen, es darf nun z.B. auch in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden. Das nutzen Ortsräte und Investoren, um z.B. in der Esenser Teilgemeinde Dunum erneut den früher abgelehnten Windpark in einem Landschaftsschutzgebiet zu planen. Daher wehte der Wind bei der erneuten Bürgerbefragung, die aber alleine durch die geringe Wahlbeteiligung, Fragestellung und Möglichkeiten der Manipulation keine Aussagekraft hat. 2014 wurde die Planung in Dunum vom damaligen Wittmunder Landrat aus Naturschutzgründen als „nicht genehmigungsfähig“ verworfen.
Link:
https://www.wattenrat.de/2023/06/01/22623/ und https://www.wattenrat.de/2014/04/13/windkraft-intern-beispiel-eines-kommunalen-netzwerkes-in-esensostfriesland/
Im Esenser Samtgemeindegebiet stehen bereits ca. 70 Windkraftanlagen, das gesetzliche Soll ist bereits weit übererfüllt. In der Vergangenheit gab es erhebliche Anwohnerbeschwerden gegen den gesundheitsschädlichen Lärm der Windkraftanlagen, was Ratsmitglieder, die z.T. enge Verbindungen zu den Investoren haben, nicht daran hindert, gegen die Anwohnerbedenken weiterzuplanen. Wie sagte doch die Bürgermeisterin der Stadt Esens, Karin Emken (SPD, MdL) im Lokalblatt „Anzeiger für Harlingerland“ vom 13. Januar 2023 zu weiteren Windkraftanlagen im Samtgemeindegebiet: „Es geht um richtig, richtig viel Geld“.
Richtig, Frau Emken: Am 1. Januar 2023 trat das Energiefinanzierungsgesetz in Kraft und löste die Zwangsumlage aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), die bis dahin von allen Stromkunden über den Strompreis entrichtet werden musste, ab. Dennoch steigt der Strompreis, auch über die Netzentgelte, ständig weiter an. Die notwendige Finanzierung für die erneuerbaren Energien erfolgt ab 2023 durch den Bund aus dem Klima- und Transformationsfond. Durch den Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken wird bei Starkwind oder hoher Sonneneinstrahlung mehr Strom eingespeist, als benötigt wird. An der Börse sinken dann die Strom-Handelspreise gegen Null, die Windanlagenbetreiber erhalten dennoch 7,35 €ct/ kWh an garantierter Einspeisevergütung, für Solaranlagenbetreiber gibt es 11 bis 13 €ct/kWh Vergütung. Bauern als Landeigentümer bekommen bis zu 400.000 Euro Jahrespacht für den Standort einer Windkraftanlage. Das ist das Geschäftsmodell zu Lasten aller Steuerzahler; auch daher weht der Wind, es geht um den enormen Profit, auch in der Samtgemeinde Esens.
Bearbeitet und korrigiert am 12. Februar 2024