Schutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ an der Ems: Ornis missachten Verbotsschilder und vertreiben Rastvögel

19. Nov. 2023: Zwei Vogelbeobachter vertreiben Gänse (nicht nur die fünf abgebildeten)  aus dem Schutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ an der Ems – Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Unser Mitarbeiter Eilert Voß steht auch in diesem Jahr bei Wind und Wetter von November bis Anfang Januar auf „Gänsewacht“ am Petkumer Siel an der Unterems bei Emden. Er dokumentiert dort seit Jahren mit Kamera und Fernglas das Treiben im Schutzgebiet „Petkumer Deichvorland“, Teil des EU-Vogelschutzgebietes „Emsmarsch von Leer bis Emden“.

Das unbefugte Betreten und die damit verbundenen Störungen in diesem herausragenden Rastgebiet für Wat- und Wasservögel (Zugvögel) können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Einige Vogelarten reagieren sofort mit Flucht auf größere Entfernung, auch wenn sich nur ein einziger Zweibeiner nähert. Eilert Voß hat dort über die Jahre zahlreiche Jagdverstöße dokumentiert (Fehlabschüsse, Jagd ohne Hund, Jagd bei Nebel oder Dunkelheit) und angezeigt, die Anzeigen verliefen stets im Sande.

19. Nov. 2023: Zwei optisch hochgerüste Vogelgucker auf dem eigentlich gesperrten Betonweg am Schutzgebiet – Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Am 19. November jedoch waren es keine Jäger, die Voß auf dem gesperrten Betonweg entlang des Schutzgebietes auffielen, es waren mit Kameras und Spektiven hochgerüstete Vogelgucker, die vermutlich optische „Jagd“ auf den in unseren Breiten sehr seltenen Rosenstar (Pastor roseus) machten, der zwei Tage zuvor am 17. November auf der Internetseite ornitho.de vom Oldenburger Vogelbeobachter Jonas U. gemeldet worden war. Rosenstare kommen eigentlich nur von Südosteuropa bis Mittelasien vor und überwintern in Indien. Möglicherweise war dieser Vogel bloß ein ausgebüxter Gefangenschaftsflüchtling aus einer Voliere.

Screenshot/Bildzitat von ornitho.de

Screenshot/Bildzitat von der Internet-Seite „Ornitho.de“ am 17. Nov. 2023 -Roter Punkt: beobachteter Rosenstar

Wie dem auch sei: Diese zwei Vogelbeobachter überkletterten den Absperrzaun zum Schutzgebiet, ignorierten die Verbotsschilder und vertrieben durch ihre bloße Anwesenheit zahlreiche rastende Wat- und Wasservögel aus dem Schutzgebiet.

19. Nov. 2023: Diese zwei Ornis überklettern das Westtor des gesperrten Betonweges und ignorieren dabei die Verbotsschilder – Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Auf Ansprache von Eilert Voß reagierten sie nicht, stiegen anschließend in das Auto und fuhren davon. Voß brachte diesen Vorfall zur Anzeige beim Emder Umweltamt. Merke: Schutzgebietsverordnungen und Rücksichtnahmen auf freilebende Vögel gelten auch für Vogelbeobachter, auch für die, die sich auf Raritäten spezialisiert haben.

19. Nov. 2023, Petkumer Siel-  So geht es auch, ohne zu stören: Hier beobachten die beiden Ornis vom Rande des Schutzgebietes – Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Seinen Bericht können Sie hier lesen:

19. Nov. 2023: So. 19.11.2023 Petkum- Siel

Wetterdaten: +10,7 Grad C; bedeckt, zeitw. Regen; Wind: WSW 4-5; SoA: 07:59; HW: 03:42

08:15 Uhr: Fährparkplatz; zwei Personen mit professionellem Gerät zur Vogelbeobachtung, verlassen ihr Auto mit dem Kennzeichen, LER-***. Das niedrige Pendeltor am westlichen Teekweg-Zugang wird überklettert. Hinweistafeln zur jahreszeitlich verbotenen Nutzung des Teekabfuhrweges werden sichtlich ignoriert.

08:21 Uhr: Sommerpolder/Teekweg; zahlreiche Nonnen- und 30 Graugänse äsen in Nähe vom Teekweg-Korridor. Einige Große Brachvögel stochern in feuchter Vegetationszone und werden wenig später von Vogelbeobachtern vertrieben. Dennoch kehren die Passanten nicht etwa um, sondern setzen ihren Weg durch die Kernzone des Schutzgebietes, in Richtung Widdelswehr und Jarßum fort. Auf der gesamten Wegstrecke werden weitere Vögel gestört und vertrieben (Belegfoto). An anderer Stelle werden die Vogel-Beobachter darum gebeten, den Betonweg sofort zu verlassen. Dies wird ignoriert und der Spaziergang im NSG fortgesetzt (Belegfoto).

08:47 Uhr: Jarßum/Teekweg/Höhe Kirchweg; Spaziergänger überklettern Absperrungen am Westtor. (Belegfoto). Den Rückweg zum Auto treten die Vogel-Beobachter über den Deich-Verteidigungs-Weg binnendeichs an (Ein fragwürdiger Ausflug in eine Rest-Natur-Landschaft mit teuerstem optischem Gerät und leider ignorantem Naturverständnis).

10:46 Uhr: Fähranleger; Halter des Fahrzeugs, LER-*** ist mit Begleiter am geparkten Auto angekommen, beide verstauen ihr Equipment, steigen ein und ab geht`s vermutlich zum nächsten „Hotspot“, wie „geheime Orte der Restnatur“ im Internet genannt werden.

Fazit: In einer schweizerischen „Studie zur signifikanten Häufung extremster Störungen in Naturschutzgebieten“ wurde aufgezeigt, dass vor allem Menschen mit bester Kenntnis von Wildtier- und Pflanzenarten letzte Natur-Refugien gezielt aufsuchen und diesen, bewusst oder unbewusst, Schaden zufügen. Die rasante technische Entwicklung vom Handy bis zur Super-Tele-Kanone oder mit Mini-Drohne für Technikbegeisterte, macht das Fotografieren preiswert und leicht. Internet-Foren unzähliger Hobby-Fotografen belegen diesen Unfug, der zu Lande, Luft und Wasser betrieben wird und über die Ergebnisse der Schweizer-Studie weit hinaus geht. Doch was geschieht, wenn eine selten gewordene Spezies urplötzlich in einem Naturgebiet auftaucht? Eine Auto-Karawane setzt sich grenzüberschreitend in Bewegung, den letzten Vertreter seiner Art vors Spektiv zu bekommen! Immer den veröffentlichten Gelände-Koordinaten folgend, die mittlerweile auf jedem Handy, GPS-gestützt, angezeigt werden. So geschehen im holl. Teil des Dollarts, als ein eifriger „Vogel-Spotter“ einen arktischen Gerfalken als „Erstbeobachtung“ im Internet meldete. Von weit her reisten Fans an, sogar aus Süddeutschland! Beschilderungen des Schutzgebiets wurden ignoriert, Absperrungen und Elektro-Zäune dreist umgangen. Auch das Petkumer-NSG kann ein Lied davon singen! Vor diesem Hintergrund beurteilen die Gänsewacht und der Wattenrat das Forum www.ornitho.de sowie touristisch organisierte Natur-Erlebnis-Reisen u.dgl., durchaus kritisch, da Naturgebiete nur in seltenen Fällen gut abgesichert und behördlich „rund um die Uhr“ betreut werden.

Gänsewacht von 6:35-10:55 Uhr

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