Norderney: „Besucherlenkung“ mit neuer Holzbrücke im Brutgebiet

Norderney: Infoschild „Dynamische Landschaft“ mit neuer Brücke, aber keine Brutvögel mehr – dafür eine „dynamische“ Stellungnahme des Landkreises Aurich- Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Norderney: „Besucherlenkung“ mit neuer Holzbrücke ins Brutgebiet

Eineinhalb Monate nach der Wattenrat- Eingabe wegen des Neubaus einer Holzbrücke im Südwesten der Insel Norderney gab es diese bemerkenswerte Antwort (vollständig hier als .pdf-Datei: Nney_Steg_2023) vom Landrat des Landkreises Aurich, Olaf Meinen (parteilos): „Ergänzend wird darauf verwiesen, dass die Fauna [Frage: welche, die Möwen?]  im Vorhabenbereich aufgrund des Besucherdrucks [sic!] durch Touristen und Wassersportler bereits vergleichsweise störungsumempfindlich bzw. an die gegebene Situation adapiert war.“

Und: „Antragsgegenstand war eine FFH-VerträglichkeitsVORprüfung [Hervorhebung Wattenrat], die die von Ihnen angesprochenen Belange berücksichtigt mit dem Ergebnis, dass Beeinträchtigungen der betroffenenen FFH- und Vogelschutzgebiete u.a. durch die bauseitigen Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen [Frage: welche?] ausgeschlossen werden.“

Norderney: vor dem Brückenbau zur „Besucherlenkung“: Seekajaks im Sandregenpfeifer-Brutgebiet (Hinweisschild siehe gelber Pfeil). Plastiksack am umgekippten Pfahl zur Brutvogelvergrämung – Foto: Eilert Voß/Wattenrat

Fazit: Eine ordentliche, eigentlich nach dem Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung und artenschutzrechtliche Prüfung mit den notwendigen Kompensationsmaßnahmen hat nicht stattgefunden und wurde offensichtlich und bequemerweise nur hausintern abgesprochen. So wurden auch die „anerkannten“ und damit beteiligungspflichtigen Naturschutzverbände wie BUND oder NABU nicht am Verfahren beteiligt.

Nun wird der Besucherdruck durch die Holzbrücke zusätzlich noch weiter in Richtung Wasserkante und die angrenzenden Bereiche verlagert. Die empfindlicheren, bereits durch den „Besucherdruck“ vergrämten Vogelarten werden gar nicht erwähnt, nur die sog. „adaptierten“. Hier brüteten z.B. die hochgradig bedrohten Sandregenpfeifer, eine „streng geschützte“ Vogelart nach der Bundesartenschutzverordnung, die in der Vergangenheit mit flatternden Plastiksäcken gezielt vertrieben wurden.

Sandregenpfeifer: Einer der letzten seiner Art – von den Stränden im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ vertrieben – Foto (C): Archiv Wattenrat

Die Fläche liegt zwischen zwei Nationalparkbereichen außerhalb des Nationalparks, hat aber dennoch eine hohe Wertigkeit. Mit dem Scheinargument der Gewöhnung an Störungen kann man alle abträglichen Maßnahmen für den Artenschutz durchsetzen. Bleibt festzuhalten, dass der „Nationalpark“ (Weltnaturerbe!) längst gezielt zu einem Freizeitpark mit sehr hohem Tourismusdruck umgebaut und so zur Beute der Tourimusindustrie wurde.

Bezugsmail Wattenrat vom 29. Juni 2023:

An den Landrat des Landkreises Aurich
Herrn Olaf Meinen
Fischteichweg 7-13
Aurich

(nur per eMail: info@landkreis-aurich.de)

Naturschutz: Insel Norderney, Bau eines Stegs im Südwesten der Insel,
artenschutzechtliche Prüfungen?

Sehr geehrter Herr Meinen,

im Südwesten der Insel Norderney wurde in diesem Jahr ein massiver Steg von einem oberen Weg über Salzwiesen- bis an die Strandbereiche gebaut. Ein beigefügtes Foto zeigt dieses Bauwerk, beschildert von der Nationalparkverwaltung.  Die Fläche war vorher von dem Weg oberhalb des Fläche barrierefrei einzusehen.

Mit der Errichtung des Stegs und der Benutzung insbesondere durch Spaziergänger und Wassersportler sind negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft verbunden. Auch landen dort hin und wieder Paddler mit Seekajaks an und verweilen zwischen brütenden Vögeln in einer hochwassersicheren Strandzone. Um diese Vögel erfolgreich zu vertreiben, wurden in der Vergangenheit sogar Vogelscheuchen mit blauen Plastiksäcken an Pfählen aufgestellt. Diese  Störwirkung betreffen sehr störungsempfindliche Brut- und Gastvogelarten, wie z.B. den streng geschützten Sandregenpfeifer. Durch die Begehung des Stegs werden Brut- oder Rastvögel durch den Scheucheffekt (Fluchtdistanz) vertrieben. Vor dem Bau des Stegs gab es für Rastvögel die Möglichkeit, sich ungehindert zwischen dem Sandstrand östlich der Surfschule und der Salzwiese hin- und her zu bewegen. Der Steg ist sehr niedrig angelegt und eine Barriere, die vermutlich auch verhindern wird, dass seltene Brutvögel wie Sandregenpfeifer den Sandbereich als Brutgebiet weiterhin nutzen.

Die NP-Verwaltung teilte mir auf meine Anfrage hin mit, an der Genehmigung des Bauwerks unbeteiligt gewesen zu sein. Die Grundfläche, auf der der Steg errichtet worden sei, läge außerhalb des Nationalparks. Ich gehe daher davon aus, dass der Steg vom Landkreis Aurich unter Beteiligung der Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt worden ist.

Falls es sich so verhalten sollte, verbinden sich mit diesem Umstand die Fragen, ob, wie und mit welchem Ergebnis die naturschutzrechtlichen Vorschriften in dem Genehmigungsverfahren angewandt wurden. Das gilt hinsichtlich der Prüfung der FFH-Verträglichkeit des Vorhabens, der Prüfung der artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG sowie der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Hinsichtlich der FFH-Verträglichkeitsprüfung erlaube ich mir den Hinweis, dass diese auch für außerhalb eines Natura 2000-Gebietes gelegene Projekte verpflichtend durchzuführen sind, sofern diese geeignet sind, in das Gebiet beeinträchtigend hineinzuwirken, wovon vermutlich vorliegend auszugehen ist.

Ich bitte daher um Ihre weitere Veranlassung.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake

(Anhang: 2 Fotos, Bildautor Eilert Voß, Wattenrat Ostfriesland)

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