Samtgemeinde Esens/LK Wittmund: „Energiegesellschaft“ für mehr Wind- und Solarenergie – der Lockruf des Geldes

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Nun hat der Lockruf des Geldes auch zu Euro-Zeichen in den Augen von kommunalen „Volksvertretern“ in der Samtgemeinde Esens/LK Wittmund/NDS geführt, die grün-dominierte Ampel-Regierung in Berlin machte den Weg frei für noch mehr Windkraftanlagen und sog. „Solarparks“, lästige Umweltverträglichkeitsprüfungen fallen weg, Naturschutz war gestern – die Gelegenheit wird auf kommunaler Ebene sofort gewinnbringend genutzt. Die Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ berichtet am 21. Februar 2023, dass man in der Samtgemeinde Esens plane, eine Energiegesellschaft zu gründen.

Darin können sich alle Mitgliedsgemeinden gleichmäßig an möglichen Investitionen beteiligen und werden dann am Gewinn beteiligt. Die Samtgemeinde und alle sieben Mitgliedsgemeinden sollen selbst Gesellschafter werden, mit jeweils 15.000 Euro Stammkapital je Gemeinde. Zitiert wird der Samtgemeindebürgermeister und -direktor Harald Hinrichs (parteilos). Laut Harald Hinrichs sei „Zweck der Gesellschaft die Erzeugung regenerativer Energien aller Art mit der größtmöglichen Wertschöpfung vor Ort, vor allem bei Photovoltaikanlagen.“ Auch für die Windenergie ließ er alles offen, obwohl in der Samtgemeinde Esens bereits mehr als 4 Prozent der Fläche mit Windenergieanlagen überbaut sind. Hinrichs: „Sofern sich im Bereich Windenergie tatsächlich noch etwas entwickeln sollte, könnte sich diese Gesellschaft aber auch dort einbringen.“

Kommunale Selbstbedienung bei knappen Kassen statt bürgernahe Selbstverwaltung? Einige der Mitgliedsgemeinden haben bereits zugestimmt, in der Mitgliedsgemeinde Holtgast (Sitz des Wattenrat-Büros) wird am 28. Februar darüber abgestimmt. Holtgasts Bürgermeister Gerhard Frerichs, so die Zeitung „rechnet mit Zustimmung, ohne große Diskussion“, also alles wie gewohnt, durchwinken statt diskutieren.

Die Bürgerbefragung 2016

Von der Bürgerbefragung 2016 in der Samtgemeinde redet niemand mehr, Schnee von gestern, Euro-Erwartungs-Amnesie? Mehr als siebzig Prozent der befragten Bürger der Samtgemeinde lehnten damals weitere Windkraftanlagen ab. In der Einladung zum Screening- und Scopingtermin zur Änderung des Flächennutzungsplanes war am 7. Januar 2016 in Esens das zu lesen: Es soll die maximal zulässige Anzahl der Windenergieanlagen in den vorhandenen Sondergebieten für Windenenergienutzung innerhalb des Samtgemeindegebietes dargestellt (festgeschrieben) werden. Eine Erhöhung der Anlagenzahl soll zukünftig ausgeschlossen werden. Der Abbau von Altanlagen und der Ersatz durch wenige leistungsfähigere Windenergieanlagen sollen weiterhin durchgeführt werden können (Repoweringkonzept).“ Auch hier: Amnesie? Oder wird es wieder eine Bürgerbefragung vor weiteren Schritten geben?

Die „Energiegesellschaft“

Demnächst soll es eine zu gründende Energiegesellschaft wieder möglich machen; nach der Verspargelung der  Gemeinde u.a. mit dem Riesenwindpark Utgast direkt an einem EU-Vogelschutzgebiet (seinerzeit ohne ausreichende Verträglichkeitsprüfungen vom Landkreis genehmigt! ) droht nun auch die Verspiegelung durch „Solarparks“, auch auf Stelzen, unter denen Weidewirtschaft möglich ist.

Für ein Linsengericht

Was sind das für Politiker, die für ein Linsengericht ihre Landschaft noch weiter zerstören wollen und gleichzeitig ihre Gemeinden als Urlaubsparadiese anpreisen? Sie sollten sich schämen. Wie sagte der in den Siebzigern bis in Neunziger bekannte Fernsehjournalist und Buchautor Horst Stern: „Sie kennen den Preis von allem, aber den Wert von nichts.“

Schon in der Vergangeneheit gab es in der Samtgemeinde Esens allerlei Merkwürdigkeiten, die rechtsstaatliches Handeln in Frage stellen:

Blick auf den Windpark Utgast/Gem. Holtgast, vor dem Repowering – Foto: Manfred Knake

Der Windpark Utgast in Holtgast

Der Windpark Utgast in Holtgast entstand ab 1994 durch Einflussnahme des damaligen Anlagenherstellers Tacke, der der Gemeinde Holtgast vertraglich 500.000 DM für den Fall in Aussicht stellte, wenn die Gemeinde die Genehmigung möglich mache. Das nennt sich Korruption, bestraft wurde keiner der verantwortlichen Ratsmitglieder. Der damals vom heutigen Bürgermeister Gerhard Frerichs mit unterzeichnete Vertrag wurde nach einer Strafanzeige und der Einflussnahme des damaligen Oberkreisdirektors von der Bezirksregierung in eine „Schenkung“ umgewandelt, Tacke zahlte dann tatsächlich nur 350.000 DM.

Link zum Vertrag Tacke-Gemeinde Holtgast (1994): Vereinbarung_Tacke_Gemeinde_Holtgast_WKA_1994

Beim Repowering des Windparks Utgast mit leistungsstärkeren Anlagen gab es auch allerhand Merkwürdigkeiten bis hin zu Rechtsverletzungen, die vom Wattenrat in einer Fachaufsichtsbeschwerde beim Land Niedersachsen vorgetragen und dann so beurteilt wurden, Link: https://www.wattenrat.de/wp-content/uploads/2017/01/NLWKN_Stellungnahme_Utgast-1.pdf

Anlieger beklagten sich nun über den unerträglichen Lärm der größeren Anlagen.

Blick in das Vogelschutzgebiet V63 bei Bensersiel: illegal gebaute Umgehungsstraße, fragwürde Genehmigungspraxis des Windparks Utgast/Gemeinde Holtgast, Foto: Manfred Knake

Die „kommunale Entlastungsstraße“ in Bensersiel

Die Stadt Esens plante ab 2000 eine „kommunale Entlastungsstraße“, vulgo Umgehungsstraße, um den Küstenbadeort Bensersiel, verbotenerweise in einem „faktische Vogelschutzgebiet“ der EU. Der Landeigentümer wurde dafür rechtswidrig enteignet, wie ein späteres Urteil ergab. Die Straße wurde 2011 dem Verkehr übergeben, musste dann aber aufgrund von Klagen des Grundeigentümers nach Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg und des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig für den Verkehr gesperrt werden, weil die zugrundeliegenden Bebauungspläne als rechtsunwirksam beurteilt wurden. Die Beschlüsse sorgten bundesweit für Schlagzeilen, das Fernsehen berichtete mehrfach ausführlich (z.B. hier: ZDF Länderspiegel vom 11. Okt. 2014). Die Stadt Esens wurde „mit dem längsten Schwarzbau der Republik“ berühmt.

Die vorgeschriebene Straßensperrung geschah aber nur halbherzig mit Schildern, die Straße wurde nach wie vor befahren. Nach einer erneuten Klage des Landeigentümers musste die Straße dann „wirksam“ mit Absperrbaken abgesperrt werden. Das Verwaltungsgericht in Oldenburg attestierte 2017 der Stadt Esens in diesem Zusammenhang Zitat: „Angesichts des über Jahre andauernden rechtsuntreuen Verhaltens der Beklagten zu 1) [=Stadt Esens] ist nicht auszuschließen, dass sie ihr rechtsuntreues Verhalten fortsetzen bzw. bei nächster Gelegenheit wieder aufnehmen wird.“

Esens machte indes unverdrossen weiter und legte einen neuen Bebauungsplan vor, der die Straße „rechtssicher“ machen sollte, dagegen reichte der Landeigentümer wieder Klage ein.

Der Campingplatz in Bensersiel

Zwischenzeitlich recherchierte ein Journalist der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung die Entstehungsgeschichte des Campingplatzes in Bensersiel, direkt am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und EU-Vogelschutzgebiet. Die Überschrift in der HAZ am 26. August 2020 lautete: „Ist auch der Campingplatz Bensersiel illegal?“ und bekam dazu vom Landkreis „eigentümliche Antworten“, nämlich keine, ob vor dem Ausbau des modernen Campingplatzes die rechtlich vorgeschriebenen Verträglichkeitsprüfungen mit den Auswirkungen auf den Nationalpark durchgeführt wurden.

Die Entschädigung

Auf Druck der Landesregierung, vermutlich um weitere Negativschlagzeilen für Esens und Wittmund zu verhindern, wurde der Landeigentümer schließlich mit einer mehrfachen Millionensumme entschädigt und zog dafür die bereits eingereichte Klage gegen den neuen Bebauungsplan zurück. Am 15. März 2021 wurde die Straße von Samtgemeindedirektor Hinrichs und der ehrenamtlichen Bürgermeisterin Karin Emken (SPD, seit 2022 Landtagsabgeordnete) für den Straßenverkehr freigegeben und wahrheitswidrig für „rechtssicher“ erklärt, obwohl die vorausgegangenen Urteile noch Bestand hatten. Die angebliche „Rechtssicherheit“ hätte ein Gericht feststellen müssen, nur dazu kam es durch den Klageverzicht des Grundeigentümers nicht mehr. Insgesamt entstand für den Steuerzahler durch den Straßenbau ein Schaden von ca. 13 Millionen Euro, der vom Bund der Steuerzahler moniert wurde. Keiner der Verantwortlichen wurde in Amtshaftung genommen.

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