Gänsewacht an der Unterems: mit Licht gegen Gänseschlafplatz im EU-Vogelschutzgebiet

07. Jan. 2022: Traktorfahrer benutzt eigentlich gesperrten Weg im Deichvorland der Ems (Petkumer Deichvorland, EU-Vogelschutzgebiet) und vertreibt mit Scheinwerfern tausende Gänse vom Schlafplatz. Er könnte auch hinter dem Deich auf dem Deichverteidigungsweg fahren. – Foto (C): Eilert Voß

Seit nunmehr dreizehn Jahren steht unser Mitarbeiter Eilert Voß von November bis Januar bei jedem Wetter auf „Gänsewacht“. Er beobachtet mit Fernglas und Teleobjektiv den Vogelzug an der Unterems, insbesondere im Bereich des Schutzgebietes „Petkumer Deichvorland“ östlich von Emden, Teil eines europäischen Vogelschutzgebietes, das an den Dollart, Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ grenzt. Er beobachtet dabei Jagdverstöße (z.B. Jagd auf Gänse bei dichtem Nebel, die keine sichere Artenbestimmung zulassen und bei der auch nicht jagdbare Vögel nur „angebleibt“ werden), Störungen von Rastvögeln auf einem eigentlich gesperrten Weg durch Spaziergänger, Hunde oder Radfahrer, Böller- und Karbidschussexzesse oder auch die Vertreibung von arktischen Gänsen von ihren Schlafplätzen durch Fahrzeugscheinwerfer oder die Scheinwerfer der Emsfähre von Petkum nach Ditzum.

Petkum Sommerpolder, Schlafpatz der Nonnengans, Dezember 2021

Das Schutzgebiet an der Unterems steht eigentlich nur auf dem Papier, die desolaten tatsächlichen Zustände sind der Presse und den Behörden bekannt. Die nachfolgenden Bilder zeigen einen kleinen Ausschnit von Voß´Beobachtungen, diesmal nur die Störungen an den Gänseschlafplätzen mit „erfolgeicher“ Vertreibung durch Licht.

22. Dez. 2021: Fahrzeug des Bau- und Entsorgungsbetriebes Emden (BEE) hat die Gänse aus dem Schutzgebiet vetrieben. Foto (C): Eilert Voß

Januar 2022: Emsfähre Petkum-Ditzum leuchtet mit LED-Scheinwerfern fast täglich  in die Gänserastplätze hinein und vertreibt die Vögel. – Foto (C): Eilert Voß

Januar 2022: Blick aus dem Schutzgebiet „Petkumer Deichvorland“ über den Dollart (Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbes“) nach Delfzjil/Niederlande: Windkraftanlagen mit Positionslichtern – Foto (C): Eilert Voß

Das Gänsewachtprotokoll (aktualisiert am 15. Jan. 2022) können Sie vollständig hier als pdf-Datei nachlesen.

Auszug aus dem Gänsewachtprotokoll:

[…] Fr. 07.01.2022 Petkum- Siel (Massive Störungen)

Wetterdaten: +2,2 Grad C, bedeckt, zeitw. Regen; Wind: SW 5; SoA: 08:41; HW: 03:22  Uhr

07:00 Uhr: Sommerpolder; im äußersten südwestlichen Bereich und 350 m von der Muhde entfernt, rasten 2.200 Nonnengänse. Das schlickige, bevorzugte Rastgebiet ist bis auf einige

Graugänse, vogelleer. Ein weiteres Indiz dafür, dass eine Vertreibung vermutlich vor Beginn der heutigen Gänsewacht stattfand. Beobachtungen der letzten Tage belegen, dass sich die Verteilung von Rastvögeln nach Wiederaufnahme des unterbrochenen Fährverkehrs deutlich unterscheidet und wegen der Regelmäßigkeit der Vogelvertreibungen vor allem mit den Fährpassagen auf der Außenmuhde und den Anlege- und Ablegemanövern in Verbindung gebracht werden kann. – Aktuell liegt die Fähre tief unten an der Rampe; LED-Scheinwerfer sind nicht (mehr) eingeschaltet.

07:02 Uhr: Emsdeich/Deichschäferei; lautes Geschnatter von flüchtenden Gänsen aus deichnahem Emsvorland zwischen Petkumer-Münte und Muhde, die kurz zuvor von der Muhde und Teilen des Sommerpolders vertrieben wurden. Die zweite frühmorgendliche Ursache der Vertreibung: ein rundum mit vier Scheinwerfern ausgerüsteter Traktor überquert in Höhe der Deichschäferei den Emsdeich und fährt in Richtung Fähranleger auf dem jahreszeitlich gesperrten Teekabfuhrweg, bis an das Haupttor. Das Tor wird von einem Schlüsselinhaber geöffnet und der Fahrer manövriert einen mit Steinen beladenen Anhänger auf die Fähre. Spontan verlassen 1.600 Nonnengänse den Südwest-Bereich des Polders und fliegen zur Ems. Der gesamte Sielbereich wird mit lichtstarken Zusatzlampen in versch. Richtungen beleuchtet.

07:18 Uhr: Fähranleger/Teekwegtor-Ost; Zugangstor wird nach dem Durchfahren des immer noch rundum beleuchteten Traktors vom Fahrer geschlossen und der Traktor fährt die gesamte Wegstrecke bis zur Deichschäferei, über den Teekweg zurück. Erneut flüchten tausende Gänse aus dem Ostteil des Schutzgebietes in Richtung Emsufer. Dies wird von einem Spaziergänger gehört, der kurz darauf die Gänsewacht anspricht und nach der unerklärlichen Ursache des lauten „Gänsegeschreis“ im Schutzgebiet fragt. Um 7:22 Uhr überquert der Traktor mit dem polizeilichen Kennzeichen, EMD-X XXX, den Emsdeich an der Deichrampe in Höhe der Deichschäferei.

Hinweis: Mutwillig verursachte Gänsevertreibungen unter Einsatz extrem heller Lampen sind in Petkum keine Seltenheit und wurden hin und wieder von der Gänsewacht dokumentiert. Ob der heutige Verstoß gegen die NSG-VO allerdings auch mit einem Traktor der Petkumer-Deichschäferei begangen wurde, ist zur Stunde ungeklärt. Die Gänsewacht wird zuständigen Behörden den heutigen, massiven Lichteinsatz gegen Gänse, nicht vorenthalten, zumal die Identität des Treckerfahrers leicht zu ermitteln wäre und der aktuell im Petkumer Vorland dokumentierte Fall einer massiven Gänsestörung direkt mit den Ermittlungen vergleichbar ist, die gegen einen Pogumer Landwirt angestrengt wurden, der wiederholt Gänse aus den Schlafplätzen des Nationalparks-Dollart vertrieb und bei seinen gezielten Aktionen in der Dunkelheit ebenfalls einen rundum beleuchteten Traktor einsetzte. Bekannt ist ebenfalls und in den Gänsewacht-Protokollen anderer Jahre beschrieben, dass Pogumer Bürger sogar eine Karbid-Kanone einsetzten, und diese am Nationalpark in Richtung Gänseschlafplätze ausrichteten und zum Knall brachten. Ob es bislang zu Verurteilungen oder Bußgeld-Verfahren kam, ist unbekannt. Das Ziel aller bislang beobachteten Gänsestörungen seitens verschiedener Landnutzer ist eindeutig: Gänse sollen aus ihren Schlafgebieten im Dollart und der Unterems vertrieben werden! Offensichtlich schrecken Landwirte, Deichschäfer und andere Nutzerkreise vor keinen Mitteln des „Protestes“ zurück und scheuen sich nicht, den Rechtsstaat und damit die Naturschutz-Gesetzgebung, auf die „Probe“ zu stellen. […]

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