´Volksbegehren Artenvielfalt´ in Niedersachsen ist tot – Kungelrunde beschreitet ´Niedersächsischen Weg´

Totgespritztes und dann umgebrochendes ehemaliges Dauergrünland, nur die Möwen profitieren kurzzeitig, Gandersum/LK Leer, 2018 -Foto (C): Eilert Voß

Das „Team des Volksbegehrens Artenvielfalt in Niedersachsen“ (Grüne, NABU, BUND) erklärt das Volksbegehren vorzeitig für beendet, die gesammelten 138.118 Unterschriften (Stand 01. November 2020) der mehr als 200 Unterstützer – dabei auch der Wattenrat Ostfriesland – werden dem Landtag mit dem Ziel eines Gesetzes für mehr Artenschutz nicht mehr vorgelegt. Enddatum der Unterschriftensammlung sollte ursprünglich der 13. November 2020 sein. Stattdessen werden die Verhandlungsergebnisse von wenigen Naturschutzfunktionären mit dem Land Niedersachsen und der Landwirtschaftslobby in der Parallelveranstaltung „Der Niedersächsische Weg“ gefeiert, der tatsächlich in einem neuen, mit heißer Nadel gestrickten Gesetzespaket mündete, das am vom Niedersächsischen Landtag am 10. November 2020 beschlossen wurde.

Ziel der Landesregierung war es stets, ein weitreichenderes, verbindlicheres und gewichtigeres Volksbegehren im Interesse der Landwirtschaftslobby zu verhindern, die Bauernverbände bekämpften das Volksbegehren vehement, inklusive Störungen an den Info-Ständen des Volksbegehrens. Nun ist die Verhinderung des Volksbegehrens mit dem  „Niedersächsischen Weg“ gelungen, als sog. „Kompromiss“, wieder einmal. Nur wurden die zahlreichen Unterstützer des Volksbegehrens nie dazu gefragt, Funktionärsnaturschutz der schlimmsten Sorte; Unterschriftensammler und Unterstützer des Volksbegehrens agierten als bloßes politisches Druckmittel von NABU, BUND und den Grünen.

Reste von selten gewordenem artenreichen Feuchtgrünland, Gandersum/LK Leer – Foto (C): Eilert Voß

Der „Niedersächsische Weg“ ist zudem mit Euro-Scheinen gepflastert: Naturschutzverbände (welche?) bekommen 15 neue Naturschutzstationen, die Landwirte erhalten z.B. finanzielle „Erschwernisausgleiche“ bei der Bewirtschaftung der Flächen für mehr (freiwilligen) Wiesenvogelschutz. Zusätzlich zu den schon üppigen EU-Subventionen, die zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität und Artenvielfalt (insbesondere Umsetzung von FFH- und Vogelschutzrichtlinie), sowie zur Erhaltung, Pflege und Gestaltung einer regionaltypischen Kulturlandschaft und eines traditionellen Landschaftsbildes ausgezahlt werden. Dieses Geld vom Steuerzahler wird seit Jahren aus dem Europäischen Landwirtschaftsfond ELER gezahlt. Nur haben die trockengelegten Silagegrasplantagen der Milchbauern nichts mehr mit „regionaltypischen Kulturlandschaften“ oder eines „traditionellen Landschaftsbildes“ zu tun, das zudem noch zusätzlich mit für den Artenschutz abträglichen riesigenWindparks zugestellt wird. Die Kinder von heute kennen die früheren Landschaftsbilder schon nicht mehr und halten die übernutzte, artenarme, ausgeräumte und mit Windparks technisierte Landschaft für den Normalzustand.

Abgerufen von der WebSeite des NABU-Niedersachsen am 14. Nov. 2020

Die Situation der Wiesenvögel von der Feldlerche über die Uferschnepfe bis zum Kiebitz – auch in den europäischen Vogelschutzgebieten, die oft nur auf dem Papier solche sind – müsste also bereits seit Jahren wesentlich besser aussehen. Die Zukunft wird zeigen, wie und ob die Landwirtschaft überhaupt die Vereinbarungen des „Niedersächsischen Wegs“ einhalten wird, Zweifel sind angebracht. In den Medien wurde die Vereinbarung überwiegend wohlwollend aufgenommen.

Wo bleibt das Positive?: „Finanzierung einer zusätzlichen Stelle je Unterer Naturschutzbehörde zum Abbau des Vollzugsdefizits“, so vorgesehen im „Niedersächsischen Weg“. Es möge nützen, Naturschutz ist immer noch staatliche Aufgabe. Die Unteren Naturschutzbehörden sind jedoch Teil der Einheitsverwaltung der Landkreise, nicht unabhängig und daher weisungsgebunden. Das letzte Wort beim „Abbau des Vollzugsdefizits“ hat immer der jeweilige Landrat, und das muss nicht unbedingt der Natur- und Artenschutz sein.

Links:  Vergleich Volksbegehren und Niedersächsischer Weg

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des „Niedersächsischen Weges“

(Mit kritischen Anmerkungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Niedersächsischen Landtags, vom 30.   Okt. 2020. Das 10 Tage später verabschiedete Gesetz enthält nach der Entwurfsfassung noch Änderungen und liegt hier noch nicht vor.)

Information für die Unterstützer des „Volksbegehrens Artenvielfalt“ vom 12. November 2020, einen Tag vor Abgabefrist der Unterschriften

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der niedersächsische Landtag hat am 10. November einstimmig das Gesetzespaket zum sogenannten Niedersächsischen Weg beschlossen. Grünland und artenreiche Wiesen sowie Gewässerrandstreifen werden künftig besser geschützt, der Pestizideinsatz in wichtigen Naturbereichen wird verboten, der Wiesenvogelschutz wird ausgeweitet, heimische Baumarten gefördert und der Anteil des Ökolandbaus gesteigert. Ohne unser Volksbegehren hätte es diese Beschlüsse nie gegeben. Dank des Volksbegehrens gibt es jetzt verbindliche Gesetze und verbindliche Zusagen für wirksame Förderprogramme und Verordnungen. Es ist ein großer Schritt, dass die Landwirtschaft diese verbindlichen rechtlichen Regelungen jetzt ausdrücklich mitträgt, nachdem sie anfänglich ausschließlich auf freiwillige Vereinbarungen gesetzt hat.

Bis zum 1. November wurden 138.118 gültige Unterschriften abgegeben – mehr als fünfmal soviel wie in der ersten Phase eines Volksbegehrens erforderlich. Aufgrund der nun beschlossenen Gesetze hat der Initiatorenkreis entschieden, die Zulassung für die zweite Phase nicht zu beantragen und das Volksbegehren damit einzustellen.

Unser großer Dank gilt allen, die für das Volksbegehren vor Ort engagiert Unterschriften gesammelt haben genauso wie allen, die mit ihrer Unterschrift das Volksbegehren unterstützt haben.

Es wird jetzt auf die Umsetzung der Gesetze, der vereinbarten Förderprogramme und Verordnungen ankommen, denn vor Ort wird sich zeigen, ob der Artenschwund gestoppt werden kann. Wir werden mit unseren Bündnispartnern und Aktionsgruppen den Niedersächsischen Weg weiter intensiv begleiten. Klar ist, dass wir beim Kampf gegen das Artensterben erst ganz am Anfang stehen. Nicht nur auf Landes-, sondern insbesondere auf Bundes- und EU-Ebene müssen jetzt entsprechende Schritte folgen.

Herzliche Grüße Ihr/Euer Team des Volksbegehren Artenvielfalt

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