Der Sommer ist vorbei, Zeit für einen kleinen Foto-Rückblick auf die Saison im und am Wattenmeer. Wie in jedem Jahr war unser Mitarbeiter Eilert Voß wieder mit seinem Segelboot an der ostfriesischen und niederländischen Küste unterwegs und brachte auch Fotos mit, die bestimmt nicht Aufnahme in die Tourismusprospekte dieses „Weltnaturerbes“ gefunden hätten. Papier ist eben geduldig.
Der Tourismus an der Küste „brummt“, trotz oder wegen der Corona-Pandemie. Nur in der Meeresbucht „Dollart“, auf deutscher Seite auch Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, war es deutlich ruhiger als in den touristisch (über)nutzten Teilen dieses Großschutzgebietes. Was auch auffällt: Weite Teile des Nationalparks und „Weltnaturerbes“ sind umstellt mit Windkraftanlagen. Die Fotos aus dem Dollart mit einem Text von Eilert Voß finden Sie am Ende dieses Beitrages.
Nachfolgend seine Fotoserie:
Eilert Voß unternahm im August noch einen Abstecher ins Lauwersmeer/Niederlande. Auch hier: Badefreuden statt Naturschutz.
Der Dollart-Bericht von Eilert Voß, September 2020:
Während meiner diesjährigen Sommertour zu verschiedenen Inseln und durch Teile des deutsch-niederländischen Wattengebietes stelle ich vor allem in den Gebiete starke Rückgänge von Vogelarten fest, in denen der Tourismus brummt. Auffällig ist das vor allem in Strandarealen und an Hochwasserrastplätzen im Wattenbereich. Sogar beim „robusten“ Austernfischer ist der Bestandseinbruch unübersehbar. Auf meiner spätsommerlichen Tour von Delfzijl über Groningen und dem einst vogelreichen Norden des Groningerlandes, dem Lauwersmeer und der Insel Schiermonnikoog bemerkte ich nur einen einzigen Kiebitz! Die Gründe liegen auf der Hand: fast die gesamten Wiesengebiete der Nordsee-Anrainer- Staaten sind mittlerweile zu monotonen landwirtschaftlichen Graswüsten verkommen. Sogar auf Schiermonnikoog wird die Weidewirtschaft intensiv betrieben, d.h. mit mindestens vierfacher Mahd pro Jahr. Wo sollen denn die Limikolen noch herkommen, wenn in den landwirtschaftlich genutzten Agrarflächen alles platt gemacht wird? Das Wattenmeer ist ein Spiegelbild der verfehlten Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte. Es reicht also nicht, Nationalparke seeseitig zwischen den Deichen und den Inseln zu gründen und gleichzeitig das „Hinterland“, (die sturmfutsicheren Habitate des Festlandes), nicht in Schutzkonzepte einzubinden. Bevor ich am 11.Sept. mit meinem Boot nach Emden zurück segelte, beschloss ich spontan, nach einigen Jahren mal wieder in den niederändischen Teil des Dollarts hinein zu segeln. Was ich da erlebte, kann ich immer noch nicht glauben: da segle ich zu touristisch viel gepriesenen angeblichen Naturoasen, wie Borkum-Juist-Norderney-Langeoog-Schiermonnikoog und vor meiner Haustür finde ich all das, was ich an anderen Orten so vermisse. Am Eingang des Dollarts, am Punt van Reide, wurde ich schon mal von einer Alpenstrandläufer-Wolke begrüßt.
Wenige Augenblicke später waren es Ansammlungen von Goldregenpfeifern, Krickenten und Limikolen, wie Grün- und Rotschenkel, Dunkle- Wasserläufer u. Säbelschnäbler. Die Ursache: der Dollart ist an den Rändern für den Tourismus zum Glück nur schwach erschlossen, Fischerei findet kaum statt, der Bootstourismus spielt ebenfalls keine Rolle, Überflüge mit Flugzeugen halten sich in Grenzen und Wattwanderungen gibt es im Dollart ebenfalls nicht. Die Nationalpark-Enklave-Dollart zeigt mir zumindest, welche Potenziale Nationalparke haben könnten, ließe man diese Gebiete in Ruhe und höre endlich damit auf, das „Tafelsilber“ zu vermarkten.- Übrigens ging die einzige Störung, die ich im Dollart bemerkte, von einem Landwirt u. Schafhalter aus, der einen für die Öffentlichkeit gesperrten Deichabschnitt am Seehundruheplatz nutzte: Alle Seehunde verließen den Ruheplatz. Touristen halten sich in diesem Abschnitt des Dollarts in der Regel an die Verbote.
Nachtrag:
Tourismusdaten, erstellt von der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg, Stand 12. Mai 2020 für 2019, „nach Angaben der Kurverwaltungen“ (.pdf hier: IHK_Tourismusdaten_Ostfriesland_2020)_
Küstenbadeorte, Gäste: 993.776, Übernachtungen: 5.765.203
Inseln (einschl. Wangerooge), Gäste: 1.590.210, Übernachtungen: 11.051.310
Das sind nur die Zahlen aus Ostfriesland, ohne das östlich benachbarte Friesland, ohne die Wesermarsch und ohne die Stadt und den Landkreis Cuxhaven und ohne die sog. „Dritte Linie“, deren Urlauber auch an die Küste wollen. Realistisch beträgt also die Übernachtungszahl im und am niedersächsischen Wattenmeer mehr als 30 Millionen jährlich. Nicht erfasst sind die Tagestouristen, die noch dazukommen. Es gibt Touristiker, die diesen Massentourismus als „nachhaltig“ bezeichen…