Fast täglich werden wir in den Medien mit platter Landwirtschaftspropaganda berieselt. Die Landwirte seien die besten Artenschützer, oder das Grundwasserproblem durch zu viel Nitrat, sprich auch Gülleausbringung, sei gar keins. Aber hin und wieder gibt es Meldungen, die diese Propaganda vom Kopf auf die Füße der Realität stellen. So z.B. beim Artenschutz, für dessen desolaten Zustand die industrielle Landwirtschaft nicht verantwortlich gemacht werden will.
Im „Jeverschen Wochenblatt“ war am 08. Juli 2020 zu lesen, dass Landwirte das niedersächsische Volksbegehren für mehr Artenvielfalt „scharf kritisieren“. Mit der Aktion „Der Niedersächsische Weg“ vom Mai 2020 gebe es bereits einen Zusammenschluss vom Landvolk Niedersachsen, der Landwirtschaftskammer, dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium sowie der Naturschutzverbände NABU und BUND für mehr Artenvielfalt. Nur ist dieser Zusammenschluss ein wirkungsloser Placebo, wie man hier beim Wattenrat nachlesen kann. Das von 170 Bündnispartnern unterstützte „Volksbegehren Artenvielfalt“ will jedoch Nägel mit Köpfen, dass z.B. den Artenschwund bei Wiesenbrütern stoppt, die auch in EU-Vogelschutzgebieten schon ab Mai beim ersten Grassschnitt ausgemäht werden. Arten wie Kiebitz oder Feldlerche haben sich durch die Intensivlandwirtschaft vom Acker gemacht. Darauf weist der Wattenrat seit vielen Jahren mit Texten und Fotos hin. Die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise können aber bereits jetzt anordnen, das die Bewirtschaftungsvorgaben gegen die verursachenden Landwirte (oder auch Forst- oder Fischwirte) so angepasst werden, dass der Erhaltungszustand der lokalen Populationen sichergestellt wird. Nur wird von dieser Vorgabe in § 44, Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes kaum Gebrauch gemacht, dieser Absatz im Gesetz ist zudem kaum bekannt
Auszug § 44 BNatSchG: „Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an.“
„Daher können wir nicht verstehen, warum die Umweltverbände jetzt ausscheren und einen Alleingang vorziehen“, kritisiert Frieslands Kreislandwirt Hartmut Seetzen das Volksbegehren. Auch bei der zunehmenden Nitratbelastung der Böden durch zu viel aufgebrachte Nährstoffe, darunter auch die Gülle, gibt sich der Berufsstand mit der stets offenen EU-Subventionshand kämpferisch. Die Treckerdemos in den Städten gegen die von der EU geforderten notwendige Verschärfung der Düngeauflagen lassen erkennen, dass der Berufsstand die Dramatik seines Tuns gar nicht zur Kenntnis nehmen und keine Änderungen will. In jedem Jahr kann man beobachten, wie Gülle sogar verbotswidrig bei gefrorenen Böden oder gar Schneelagen und bei zu niedrigen Temperaturen, wenn die Pflanzen die Nährstoffe gar nicht aufnehmen können, ausgebracht wird. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV), zuständig für das Gebiet von der ostfriesischen Küste bis zu den Dammer Bergen, äußerte sich am 10. Juli 2020 in der Nordwest Zeitung aus Oldenburg. Er teilte mit, dass im Jahr 2018 an den 441 Messstellen im Zuständigkeitsgebiet in 22 Prozent der Fälle Werte über 50 Milligramm pro Liter gemessen wurden (2017: 22,1 Prozent; 456 Messstellen). Das sei insbesondere da der Fall, wo intensive landwirtschaftliche Nutzung stattfindet, hieß es. Um den Grenzwert nicht mehr zu überschreiten, arbeite der OOWV mit den Landwirten zusammen. Unter anderem würden gemeinsam mit Landwirten Maßnahmen entwickelt, um die Nitratwerte zu senken. Es möge nützen.