Bei einer Schiffshavarie oder bei verbotenen und „kostengünstigen“ Tankwaschungen auf See können beträchtliche Mengen von Leicht- bis Schweröl ins Meer gelangen. Als sichtbare Opfer werden dann ölkontaminierte See- oder Küstenvögel angespült, die oft noch leben. Der Großteil der Vögel kommt bereits auf dem Meer um. Das Öl zerstört die schützende Fettschicht des Gefieders. Das Öl schädigt auch Wale, Fische oder Krebstiere, gelangt also in die Nahrungskette. Da liegt es aus Tierschutzgründen nahe, lebend aufgefundene verölte Vögel zunächst einzuteilen in „unrettbar“ oder „rettbar“ und letztere zu reinigen, um sie hinterher wieder auszusetzen.
Die nicht rettbaren Tiere werden sofort getötet. Sie müssen, so hart das klingt, als Sondermüll entsorgt werden. Derzeit wird wieder die Einrichtung einer Auffangstation für verletzte Tiere an der Küste, vor allem auch für verölte Vögel, angeregt. Der Vorschlag kommt vom Kreisveterinär des Veterinäramtes Jade-Weser, Dr. Norbert Heising. Unterstützt wird das Projekt vom niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD). Bereits 1984 verfolgte die Stadt Esens im Landkreis Wittmund zusammen mit dem damaligen Tourismuschef die Einrichtung eines „Rehabilitationszentrum für verölte Vögel“ in Bensersiel, „Krüppelzoo“ für zahlende Touristen sagten damals die Kritiker. Die damalige niedersächsische Wirtschaftsministerin Birgit Breuel (CDU) stellte dafür 800.000 DM in Aussicht. Aus dem Projekt wurde nichts. Ein damaliger Fachvortrag in Esens, referiert von einer Fachwissenschaftlerin aus einem Ölopferprojekt und eines WWF- Mitarbeiters zur Vergeblichkeit des Vogelwaschens, war gut besucht, Presse und Rundfunk berichteten. Nur blieben die Rats- und Verwaltungsmitglieder der Veranstaltung fern. 2008 gab es einen neuen Anlauf für eine Waschstation. Im November 2007 havarierte der Bananenfrachter „Duncan Island“, ca. 90t Schweröl flossen in die Nordsee, ungezählte Vögel kamen um.
850 verölte Seevögel wurden an der niedersächsischen Küste angespült, von denen 60 in der kleinen Seevogel-Pflegestation der Seehundaufzuchtsation der Landesjägerschaft in Norden-Norddeich behandelt wurden. Anschließend sollte im „Waloseum“, das der Seehundaufzuchtstation angeschlossen ist, ein „Rehabilitationszentrum“ für Ölopfer eingerichtet werden. Antragsteller war der Trägerverein der Seehundaufzuchtstation. Diesmal war es das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums, das das Projekt vorantrieb. Bereitgestellt werden sollten dafür 500.000 Euro aus Landesmitteln. Kritik kam prompt von drei Hausleitern der Nationalpark-Informationshäuser an der Küste und vom Wattenrat: das sei eine Verschwendung der Geldmittel. Aus der Sache wurde wieder nichts.
Sauber ist nicht rein
Die Technik der Reinigung hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Nur wird dabei übersehen, dass die Haut der Vögel toxische Ölanteile aufnimmt und verölte Vögel sofort mit dem Gefiederputzen beginnen. Dadurch gelangen toxische Ölreste in den Magen-Darmtrakt und führen auch nach der oberflächlichen Gefiederreinigung in einer Auffangstation schleichend zum Tod. Durch das mechanische Waschen wird der Gefiederschluss der Vogelfedern zerstört, die Häkchen und Strahlen der Federn können sich nicht mehr zu einem dichten Federkleid zusammenschließen, der Vogelkörper wird nass und das Tier unterkühlt. Das Handhaben vom Einsammeln über den Transport bis zum Reinigen und der Zwangsfütterung ist enorm stressend und belastend für die Tiere. Auch wenn viele der gereinigten Tiere bei guter Pflege die Reinigung überleben, überlebt anschließend nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der Vögel die spätere Auswilderung. Die „Erfolgsquote“ nach der Auswilderung liegt im unteren einstelligen Bereich, das wurde bereits mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Der Versuch der Reinigung der Tiere ist daher kein Beitrag zum Artenschutz. Fachwissenschaftler lehnen das Waschen und Auswildern ab, die sofortige Tötung sei die bessere Lösung für kontaminierte Vögel. Kritiker weisen darauf hin, dass die Waschstationen als öffentlichkeitswirksame und tieremotionale PR-Projekte mehr dem Image der Helfer und der Auffangsstationen als den Vögel nützen, ein unnötiger und teurer Aktionismus, der anschließend in der Presse als (Schein-)erfolg gefeiert wird.
Umweltminister Olaf Lies (SPD) unterstützt das Projekt
Umweltminister Olaf Lies, der das Projekt unterstützt, agiert sonst als politischer Lobbyist für den weiteren Windkraftausbau an Land und auf See, durch den ungezählte Vögel (und auch Fledermäuse) umkommen. Gerade Windparks auf See erhöhen das Kollisionsrisiko nicht nur für Zugvögel, sondern auch für Schiffe bis zum Großtanker und damit auch die Gefahr einer Ölverpestung der Küste. Dem Vernehmen nach arbeitet man in Olaf Lies Umweltministerium gerade an einem neuen Windenergieerlass, der der Windenergiewirtschaft weitere Ausbauerleichterungen unter Abbau des Artenschutzes ermöglichen soll. Auch die Jagd, also das gezielte Töten von bestimmten Zugvogelarten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, ist für einen begrenzten Zeitraum im Jahr erlaubt. Die hohen Finanzmittel für den Ausbau einer Auffangstation und umgerechnet tausende Euro für einen (!) vorläufig „geretteten“ Vogel sollten daher besser für tatsächlich wirksame Artenschutzprojekte an der Küste verwendet werden, wie z.B. für die Wiedervernässung und Extensivierung von landeseigenen Flächen in den EU-Vogelschutzgebieten, die oft nur auf dem Papier so heißen.
Weiterführende Links:
* D.M. Fleet & B. Reineking: Überlebenschancen verölter Seevögel – sind Rettungsmaßnahmen erfolgreich? Eine Literaturrecherche. Natur und Landschaft, 75. Jg. (2000) Heft 9/10: 364 – 369 pdf: Fleet_Reineking__2000__Rehabilitation_Oel_Seevoegel
* Royal Society for the Protection of Birds (.pdf): Rehabilitation_of_oiled_birds
* Der Spiegel aus 2010: „Ölverschmutzte Vögel – Experten empfehlen Töten statt Putzen“
* Wattenrat, 2007: Ölvögel: Wem hilft die Vogelwäsche?
Nach „Duncan Island“-Havarie laufen die „Rettungs“maßnahmen an – Landesjägerschaft Niedersachsen betreibt Pflegestation