Der Winter 2018/19 ist noch nicht vorüber, die Stunde der Wintervögel jedoch schon. Die medienwirksame Kampagne des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) brachte nach Zahl und Art beobachteter Wintervögel das vorhersehbare Ergebnis: Auf Platz eins der Mitmachaktion am Futterhaus landete der Haussperling. Platz zwei belegte die Kohlmeise, wer hätte das gedacht! Einen wissenschaftlichen Wert haben diese Zufallsbeobachtungen nicht, aber der NABU gelangt so an die Adressen der einsendenden Personen, die zum Abschluss von Mitgliedschaften aufgefordert werden. Fachleute der Werbebranche nennen das ein „Mailing“ – geschickt eingetütet.
Man muss dem Verein diese Form der Mitgliedergenerierung nicht vorhalten. Möglicherweise nicht einmal, dass die gewonnenen Daten für eine ernsthafte Auswertung für die Sache des Naturschutzes belang- und damit nutzlos sind. Viel befremdlicher indessen ist, dass die Medien am viel beschworenen Wissensstandort Deutschland diese Kampagne als etwas ausgeben, was sie nicht ist: ein Erkenntnisgewinn über den Zustand der Artenvielfalt.
Die fatale Konsequenz lässt nicht auf sich warten: „Die Argumentation der Naturschützer, dass die Landwirtschaft für einen Rückgang der heimischen Vögel verantwortlich sei, kann mit den Ergebnissen der aktuellen Vogelzählung nicht mehr aufrechterhalten werden“, kommentiert die in Bonn erscheinende „Landwirtschaftliche Zeitung Rheinland“ die NABU-Befunde Ende Januar 2019 unter „Wichtiges in Kürze“, ganz im Sinne des Hauptverursachers des deutschen Biodiversitätsdesasters, dem sich das Blatt verpflichtet weiß. Nach der „Stunde der Wintervögel“ schlägt der deutschen Öffentlichkeit im Mai erneut die Stunde: „Die Stunde der Gartenvögel“. Vor 40 Jahren hatte der kürzlich verstorbene Journalist Dr. h. c. Horst Stern den Naturschutz mit „Sterns Stunde“ auf ein anderes Niveau geführt, das offenbar niemand vermisst und der Naturschutz auch nicht mehr anstrebt. Tiefer kann man nicht fallen.