In jedem Kleinkleckersdorf gibt es einen Bau- und Umweltausschuss im Rat der Gemeinde, der aber oft den Namen nicht verdient. Da ist meistens mehr Bau als Umwelt drin. Und wenn Kommunalpolitiker das Wort „Naturschutz“ in den Mund nehmen, sollte man in der Regel ganz genau hinhören. Beispiele gibt es genug: Windparkeignungsgebiete in wertvollen und damit ungeeigneten Landschaftsteilen, deren Flächen von eben diesen Bau- und Umweltausschüssen vorbereitet wurden und werden. Ostfriesland wurde durch Gemeinderatsbeschlüsse mit der Windkraft entstellt. Oder die berühmt-berüchtigte Umgehungsstraße in Bensersiel/Stadt Esens in einem Europäischen Vogelschutzgebiet, die ebenfalls vom Bau- und Umweltausschuss durchgewunken wurde, trotz vorheriger mahnender Hinweise auf Rechtswidrigkeit der Planungen und des Baus. Und das Schärfste in dieser Sache: Der Vorsitzende des damaligen Ausschusses der Stadt Esens war und ist NABU-Kreisvorsitzender.
Aktuell hat der Bau- und Umweltausschuss auf der Insel Juist, eine Gemeinde im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“, seine „Kompetenz“ bewiesen, eine echte Posse, aber nicht zum Lachen:
Auf Juist wurde eine Seebrücke ins Watt gebaut, ein neues Wahrzeichen der Insel. Die Folgen: Die Verschlickung des Hafens, so Inselkenner, hat in der Folge durch die Veränderung der Strömung zugenommen. Für den Bau der Seebrücke sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle vorgesehen, die Kompensation nach der gesetzlich vorgeschriebenen Eingriffsregelung. Und diese „Kompensation“ soll tatsächlich so aussehen: Diese Juister „Fachleute“ des Bau- und Umweltausschusses, die wohl irgendetwas vom Insektensterben oder dem Rückgang der Streuobstwiesen aufgeschnappt haben, wollen nun „Blüh- und Streuobstwiesen“ (in der Presse gar zu „Fallobstbereichen“ umgeschrieben) als Ersatzmaßnahme für den Bau der Seebrücke auf der Insel einrichten. Auf einer Düneninsel, die aus Sand besteht und allein schon wegen des rauen Nordseeklimas wohl kaum als Standort für großflächige Obstbaumwiesen geeignet ist. Nicht von ungefähr leitet sich der Name der Insel Juist vom niederdeutschen Wort güst ab: „karg, unfruchtbar“.
Nach einem Zeitungsbericht im Ostfriesischen Kurier aus Norden soll die „Wiedervernässung von Wattflächen“ demnach „vermieden“ werden, diese sei auch „bei der Bevölkerung ungeliebt“. Gemeint ist aber die Renaturierung der desolat kaputten Salzwiesenbereiche auf der Insel. Genau die sind aber inseltypisch für die Rückseitenwatten der ostfriesischen Inseln und könnten sinnvoll zu blühenden Salzwiesen mit den entsprechend angepassten Insektenarten renaturiert werden. Diese Kompensation haben echte Fachleute bereits vorgeschlagen. Nur haben sich einige Inselpolitiker offensichtlich mental schon weit von ihrem eigentlichen Naturraum vor der eigenen Haustür entfremdet, dass sie lieber „Fallobstbereiche“ oder „Blühwiesen“ statt der inselttypischen Salzwiesen auf der Insel sehen wollen. Da fragt man sich doch, was einige Juister Kommunalpolitiker im Winter rauchen. Oder ist es der Geist Mirabelle, der den Blick für die Realität vernebelt?
Und eigentlich bedarf es gar keiner Kompensationsmaßnahmen, um die maroden Salzwiesen wieder in einen natürlichen Zustand zu versetzen. Nach dem europäischen Naturschutzrecht, verbindlich für alle Mitgliedstaaten der EU, muss der „günstige Erhaltungszustand“ dieser Habitate ohnehin erhalten oder sogar verbessert werden, ganz ohne Kompensationsmaßnahmen. Nur fehlt es dafür in Niedersachsen an den notwendigen Mitteln.
Ostfriesischer Kurier, Norden, 27. Jan. 2018
Blühwiesen als Kompensationsflächen […]
JUIST/ERD – Der Bau- und Umweltausschuss der Inselgemeinde Juist
befasste sich auf seiner letzten Sitzung im Dorfgemeinschaftshaus Alte Schule unter anderem mit Kompensationsmaßnahmen, die noch im Bereich der Insel nötig sind.
Der Gesetzgeber schreibt entsprechende Kompensationsflächen für bereits erfolgte Baumaßnahmen (Seebrücke), die Festsetzung von Baußächen in den Bebauungsplänen und zukünftige Bauvorhaben vor. Zwischenzeitlich liegen Vorstudien dazu vom Landschaftsplanungsbüro Ecoplan und dem Stadtplanungsbüro Weinert vor. Der Ausschuss empfahl, die in den Studien erarbeiteten Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen. Dabei geht es um ein Flächenvolumen von insgesamt zirka zehn Hektar, die in verschiedenen Maßnahmen an unterschiedlichen Orten in Form von Blühwiesen und Fallobstbereichen entstehen sollen. Ebenso sollen Flächen von den Kartoffelrosen befreit werden. Auch die bei der Bevölkerung und dem Ausschuss ungeliebte Vernässung von Wattflächen stehen noch in den Studien, sollen aber nach Möglichkeit vermieden werden und nur zum Tragen kommen, wenn die anderen Maßnahmen nicht ausreichen sollten. […]
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Manfred Knake