Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) will die Schutzgebietsbetreuung auf 30.000 Hektar Fläche in Ostfriesland übernehmen. Dazu will der Naturschutzverband mit den Landkreisen Aurich, Wittmund und der Stadt Emden „kooperieren“. Das klingt aber nur zunächst gut. Naturschutz ist immer noch staatliche Aufgabe. Die Kontrolle über die Einhaltung der Natura-2000-Richtlinien, des Bundesnaturschutzgesetzes und der jeweiligen Verordnungen der Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete obliegt eigentlich den Landkreisen und dem niedersächsischen Umweltministerium.
Die Mittelbehörde, die Bezirksregierung Weser-Ems und Fachbehörde, das Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ), wurden bereits mit Ablauf des Jahres 2004 von der damaligen CDU/FDP-Regierung aufgelöst, deklariert als „Strukturreform“. Die Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise sind chronisch unterbesetzt, der fachliche Naturschutz ist in Niedersachsen immer noch ein Stiefkind.
Der Woldenhof im Landkreis Aurich
Am 1. Januar 2018 soll die Ökologische Station Ostfriesland des Naturschutzbundes ihre Betreuungsarbeit aufnehmen, die vollständige Förderung dafür übernimmt das Land Niedersachsen für vier Jahre. Die Station wird in einem Nachbargebäude zum NABU-Woldenhof in Wiegboldsbur untergebracht werden. Der Woldenhof im Landkreis Aurich war bisher als Schulbauernhof konzipiert, also mehr als ein „Streichelzoo“ für Schulklassen, was durchaus nichts Negatives ist. In die bundesweiten Negativschlagzeilen geriet der Woldenhof jedoch 2008, als die damaligen NABU-Verantwortlichen die ihnen anvertrauten Wildrinder im Winterhalbjahr 2007/2008 verhungern und im Schlamm verrecken ließen. Der damalige Leiter und NABU-Geschäftsführer, der heute ein Planungsbüro in Aurich betreibt, wurde dafür von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Berichterstattung darüber ist nur noch mit dem Namen des Verantwortlichen abrufbar.
Mit welchem Personal?
Die Frage ist, mit welchem fachlichen Personal der NABU die Betreuung der Schutzgebiete in Ostfriesland übernehmen will. Es gibt zwar hier und da Ortsgruppen des NABU in Ostfriesland mit sehr sachkundigen Mitgliedern, die aber nicht flächendeckend vertreten sind. Mit an der Haustür von gewerblichen Drückerkolonnen geworbenen NABU-Mitgliedern, die kaum einen Feld- von einem Hausspatzen unterscheiden können oder mit Nistkastengruppen wird die Betreuung nicht gelingen können. Naturschutzrechtliche Fragen sind zudem nur selten Gegenstand der Erörterung in den NABU-Gruppen.
Versagen des NABU, zwei Beispiele aus Ostfriesland
* Beispiel 1, Stadt Esens, Landkreis Wittmund, vorgesehene Grundbetreuung des Vogelschutzgebietes V63, Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens: Hier wurde die Umgehungsstraße um Bensersiel/Stadt Esens, illegal im „faktische Vogelschutzgebiet“ gebaut. Unterstützt wurde der Schwarzbau von der NABU-Kreisgruppe in Wittmund. Der amtierende Vorsitzende war auch SPD-Ratsmitglied in der Stadt Esens, der damals, als die Planungen der Umgehungsstraße begannen, die Straße mit durchwinkte, als Vorsitzender des Bau- und Umweltausschusses der Stadt.
Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ aus Wittmund vom 19. März 2003:
„[…] Dass sich Axel Heinze als Vorsitzender des Bauausschusses der Stadt Esens nicht gegen den Bau der Umgehungsstraße Bensersiel ausgesprochen hat, obwohl in seiner Brust zusätzlich das NABU-Herz schlägt, ist für ihn kein Problem und vor allem kein Widerspruch. „Als Vorsitzender des Bauausschusses kann ich auf Dinge Einfluss nehmen, die den Naturschutz berühren.“ Dabei versteht sich der Esenser nicht als der Naturschützer in „Reinform“, der grundsätzlich alle baulichen Vorhaben ablehnt. […] Zwar, so Heinze, sei die Umgehung Bensersiel ein Eingriff in die Natur, doch müsse dabei berücksichtigt werden, dass sie wichtig für den Fremdenverkehr sei, von dem die Menschen hier leben würden. […]“
* Beispiel 2, Samtgemeinde Esens, Landkreis Wittmund: Direkt am Vogelschutzgebiet V63 wurde der Windpark Utgast/Samtgemeinde Esens, repowert und vom Landkreis Wittmund genehmigt. Die vorgeschriebene Datenerfassung von Vögeln und Fledermäusen lag aber nicht vor, die Anlagen stehen nur ca. 300 vom Vogelschutzgebiet entfernt; die fachlichen Vorgaben lauten 1.200 Meter. Reaktion vom NABU: null. Seit 2016 betreibt der NABU in Bensersiel ein kleines Nationalpark-Informationshaus, das „Wattenhuus“. Der Landesverband ging dazu mit der Stadt Esens einen Kooperationsvertrag ein, Esens stellt die Räumlichkeiten. Hier findet nun der Naturschutz konfliktfrei „im Saale“ statt.
Realitätsferne des NABU-Landesvorsitzenden in Hannover
Der Landesvorsitzende des NABU-Niedersachsen, Dr. Buschmann, begrüßte bereits 2010 ausdrücklich das Repowering als „Entlastung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes“ und sah darin „eine gute Möglichkeit Windenergie, Mensch und Natur in Einklang zu bringen und Auseinandersetzungen gerade mit der betroffenen Landbevölkerung zu entschärfen.“
Nichts davon stimmt. Weder haben die wesentlich größeren und lauteren Windkraftanlagen zur einer „Entlastung“ geführt, noch wurde der Konflikt mit den Anwohnern „entschärft“. Das Gegenteil ist der Fall: Mit dem Repowering und den zusätzlichen Windparks wurde die Landschaft weiter entstellt, der Protest und die Klagen gegen die höheren Anlagen nahm zu. Aus der Bürosicht des NABU-Landesvorsitzenden in Hannover erschließt sich das wohl nicht; die Nähe zu den Positionen der Landesregierung ist zudem deutlich sichtbar.
Von der NABU-Webseite, 04. Juni 2010:
„Der NABU Niedersachsen begrüßte die Initiative der Landesregierung zur Erneuerung der Windenergieanlagen und forderte sie auf beim Repowering aktiv zu einer Entlastung des regionalen Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes beizutragen. […] NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann: „Eine gute Möglichkeit Windenergie, Mensch und Natur in Einklang zu bringen und Auseinandersetzungen gerade mit der betroffenen Landbevölkerung zu entschärfen.“ Mit dem Repowering wird die Gesamtleistung von Windenergieanlagen um ein Vielfaches gesteigert. Gleichzeitig lassen sich Entwertungen von Lebensräumen und Landschaftsbild durch Abbau von Einzelanlagen verringern, wenn man sich auf die Bündelung in Windparks konzentriert. […]“
Weitere Beispiele ließen sich anführen.
Zitat NABU im Zeitungsartikel des Ostfriesischen Kuriers vom 15. Dez. 2017: „Der größte Feind der Wiesenbrüter ist der Fuchs“: Nein, der größte Feind der Wiesenbrüter ist die industrialisierte Landwirtschaft! Das zeigt, wie sehr NABU-Funktionäre die Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft und der Freizeitjägerschaft vermeiden.
Mit dieser „Kooperation“ und der Förderung durch das Land verliert der NABU die kritische Distanz eines anerkannten und klagebefugten Naturschutzverbandes zu Entscheidungsträgern der Landkreise und des Landes, die nicht selten Naturschutzvorgaben ignorieren oder sogar torpedieren. Diese „Kooperation“ macht handzahm und sieht nach einer Papier- und PR-Nummer aus, mehr kann es nicht sein.