Hubschrauber stören Brut- und Rastvögel im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer

Hubschrauber (Bildmitte) von der Offshore-Baustelle „Riffgat“ über Borkum, fliehende Nonnengänse, 06. Jan. 2013, Foto (C): Eilert Voß

Offshore-Windparks sind wegen des enormen Lärms bei der Fundamentrammung und der späteren Unterwasser-Dauerschallbelastung nicht nur abträglich für das Ortungssystem von Meeressäugern, sondern auch für Vögel, die auf ihren Zugrouten bei schlechten Wetterbedingungen mit den Riesenpropellern kollidieren können. Dazu kommen auch bisher weitgehend unbeachtete Sekundärauswirkungen durch die ständigen Hubschrauber-Versorgungs- und Wartungsflüge. Von den Flugplätzen in Emden, Norddeich und Norderney gibt es häufige ohrenbetäubende Starts- und Landungen mit unvermeidlichen niedrigen Überflügen über die direkt angrenzenden Schutzzonen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, vermarktet als „Weltnaturerbe“. Diese Schutzzonen sind Brut- oder Rastgebiete von besonders- oder gar streng geschützten Vogelarten, die durch den Rotorenlärm und die Hubschraubersilhouette ebenfalls in der Luft gehalten werden: der bekannte Fluchtreflex.

Eigentlich hätten diese mit diesen Überflügen auch die Auswirkungen auf das angrenzenden Schutzgebiet mit einer Verträglichkeitsprüfung (§34 Bundesnaturschutzgesetz) untersucht werden müssen. So sehen es jedenfalls die Natura-2000-Richtlinien (FFH- und Vogelschutzgebiete) der Europäischen Union und das Bundesnaturschutzgesetz vor. Das niedersächsische Nationalparkgesetz verbietet lärmintensive Veranstaltungen, die zu Störungen führen können. Die Erhaltungsziele sind zu beachten und der Erhaltungszustand für die wildlebenden Tiere in diesen Gebieten darf sich nach der europäischen Naturschutzgesetzgebung nicht verschlechtern.
Nicht nur der Massentourismus mit seinen Bespaßungsevents wie Höhenfeuerwerken, Kitesurfern in Schutzgebieten, Jagd auf Gänse und nun auch regelmäßige Hubschrauberflüge von Norddeich, Norderney und Emden zu den Offshore-Windparks lassen die Brut- und Rastvögel in diesem Großschutzgebiet nicht zur Ruhe kommen. So entpuppen sich der hochgelobte Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und das „Weltnaturerbe“ einmal mehr als bloße Etiketten-Schutzgebiete, als Makulatur.
Der Ostfriesische Kurier vom 23. August 2017 (Hubschrauber_NP_OK_23Aug2017) berichtete ausführlich über das Problem. Der darin erwähnte Wattenrat wurde zu diesem Thema aber gar nicht von der Redaktion befragt. Ein NABU-Mitarbeiter philosophiert, statt sich eindeutig zu positionieren und ggf. Rechtsmittel einzulegen.
Eine Anfrage des Wattenrates bei der zuständigen Genehmigungsbehörde für Hubschrauberflüge, Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hannover, verlief schließlich auch im Sande. Wie reagieren 15 „anerkannte“ und damit klagebefugte Naturschutzverbände in Niedersachsen oder die Nationalparkverwaltung auf diese erheblichen Eingriffe, sitzen sie das einfach aus?
Der NABU-Vorsitzende der Ortsgruppe Norderney sieht es philosophisch, Zitat aus dem „Ostfriesischen Kurier“ aus Norden am 23. August 2017:

Den Umweltschützern geht es ums Grundsätzliche. Jeder menschliche Eingriff hat Folgen auf den so wertvollen, sensiblen Nationalpark Wattenmeer“, so die Meinung von Bernd Geismann, Vorsitzender de Ortsgruppe Norderney des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Es stelle sich immer die Frage, wie weit der Mensch in einen Nationalpark eingreifen dürfe. An sich sei es per Gesetz festgelegt. Für manche, wie die Wirtschaft, werde zuviel reglementiert, für die anderen zu wenig, wie beispielsweise den Watten-Rat. Auch bei den Umweltverbänden würden manche Entscheidungen nur zähneknirschend hingenommen, so Geismann.“

Gleich zwei Vogelscheuchen: Helikopter und Kitesurfer an der Knock bei Emden, Aug. 2017, Foto (C): Eilert Voß

Antwort auf die Anfrage des Wattenrates: Email der Mitarbeiterin der zuständigen Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, zentraler Geschäftsbereich 3, Dezernatsleiterin 33 – Luftverkehr, Göttinger Chaussee 76 A, 30453 Hannover vom 11. Sept. 2017:

[…] der Verkehrslandeplatz Norderney (EDWY) ist u. A. zugelassen für Hubschrauber mit einem Gewicht von max. 10.000 kg, der Sonderlandeplatz Norden-Norddeich (EDWS) für Hubschrauber bis 5.700 kg. Etwaige Beschränkungen zur Anzahl der Flugbewegungen auf den o.a. Landeplätzen enthalten die schon seit vielen Jahren gültigen Flugplatzgenehmigungen nicht. FFH-Verträglichkeitsprüfungen nach § 34 Bundesnaturschutzgesetz wurden von hier nicht durchgeführt. Zusätzliche Genehmigungen, etwa für Norderney jährlich 100 Starts und Landungen für Hubschrauber zu den Nordsee-Offshore-Windparks wurden von hier nicht erteilt. Diese sind auf Grund der allgemeinen Zulassung der Flugplätze aber auch nicht erforderlich. […]

Emailergänzunng der selben Absenderin vom 14. Sept. 2017:
[…] es wurden von hier keine Genehmigungen für 100 Offshore-Flüge ausgestellt. Die Flugplatzgenehmigungen bestehen seit Jahrzehnten und sind bestandskräftig. […]

Thema damit erledigt? Wäre es für die Landesbhörde möglich, wegen der Schutzgebiete die störintensiven Starts und Landungen zu begrenzen? Kein Politiker, keine Verwaltung und kein Umweltverband nehmen sich des Themas „nachhaltig“ an, aber das „Weltnaturerbe“ wird vermarktet wie ein Waschmittel. Die EU-Vogelschutzrichtlinie gilt seit 1979, der Nationalpark Wattenmeer wurde 1986 eingerichtet. Eine Alternative wäre die Versorgung der Offshore-Windparks mit schnellen Katamaranen.

Der Wattenrat hatte das Thema schon 2013 auf dem Schirm: * Offshore-Windpark „Riffgat“: Mit dem Hubschrauber über die Schutzgebiete

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