Es ist mal wieder soweit: Im und am „Weltnaturerbe“ Wattenmeer – der ganz nebenbei ein Nationalpark und EU-Vogelschutzgebiet ist – wird es zu Silvester wieder rund gehen. Böller und Raketen werden die hier rastenden Zugvögel in Panik versetzen und weiträumig vertreiben. Das ist eigentlich verboten, wird aber von der Tourismusindustrie gefördert. In Norddeich z.B. ruft die Kurverwaltung zusammen mit dem aus öffentlichen Geldern finanzierten NDR (Radiosender NDR2) zu einer „Silvesterparty am Strand“ auf. Zitat: „Wie schon im Vorjahr bitten der Tourismus-Service Norden-Norddeich und der Veranstalter iventos die Besucher, auf das Mitbringen von Feuerwerk zum Schutz von Mensch und Tier im Deichvorland zu verzichten und weisen darauf hin, dass im Veranstaltungsbereich Feuerwerk untersagt ist.“
Es möge nützen, aber das klappte schon im letzten Jahr nicht und wird auch in diesem Jahr mangels ausreichender Kontrollen nicht funktionieren. Es ist doch mindestens naiv anzunehmen, die Besucher des Spektakels, angetrunken oder nüchtern, würden ausgerechnet zu Silvester keine Feuerwerkskörper zünden.
Verantwortlich für das Spektakel ist u.a. der erst seit 2015 amtierende und „zugereiste“ Kurdirektor Armin Korok, der offensichtlich wenig vertraut ist mit dem angrenzenden Großschutzgebiet Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, das er vermarktet. Aber der innovative Tourismusmacher wurde von der Nationalparkverwaltung schon geadelt: Am 07. März 2016 wurde der Kurbetrieb Norddeich mit dem Kurdirektor Armin Korok mit dem gerahmten Papierorden „Nationalparkpartner“ bedacht („besonders umweltfreundlich und nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen“), eine Realsatire! Die Strafanzeige des Wattenrates gegen diese lautstarke Veranstaltung direkt am Nationalpark verlief im Sande, der Auricher Staatsanwalt und Kommunalpolitiker Johann Boelsen (SPD) stellte das Verfahren ein, Begründung: Es sei nicht möglich festzustellen, dass sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung streng geschützte Tiere dort aufgehalten hätten. Sicher ist das leicht festzustellen, ein Blick durch das Fernglas reicht aus. Alle Vögel des Wattenmeers gehören zu den besonders- oder streng geschützten Arten. Wofür wurde denn u.a. dieser Nationalpark eingerichtet?
Auch der Landkreis Aurich als Untere Naturschutzbehörde konnte keine Verstöße erkennen. Neben dem Blick in das Fernglas ist der zusätzliche Blick in das Bundesnaturschutzgesetz hilfreich: Für solche lärmintensiven Veranstaltungen ist eigentlich eine vorherige Verträglichkeitsprüfung vorzunehmen, die aber selbstverständlich nicht vorliegt. Dem Landkreis Aurich und der Staatsanwaltschaft liegen umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu dem enormen Stress und den panikauslösenden Auswirkungen von Böllern und Raketen auf wildlebende Vögel vor, sie werden ignoriert in diesen „postfaktischen“ Zeiten. Man kann davon ausgehen, dass auch hier der ostfriesische Klüngel prächtig funktioniert. Demnächst wird diese Veranstaltung wohl unter „Tradition“ angemeldet werden. Dann war da noch die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, die auch in diesem Jahr in der Presse – wieder einmal vergeblich – appelliert, auf Feuerwerke und Böller im und am Nationalpark zu verzichten.
Silvester 2016 wird das Hochwasser (landläufig „Flut“) an der Küste nachts auflaufen und seinen Höchststand in Norddeich um 00.22 Uhr erreichen. Dann werden die Rastvögel des Wattenmeeres mit dem auflaufenden Wasser ihre Rastplätze auch in der Nähe des Strandspektakels aufsuchen, genau zu der Zeit, wo die Böller und Raketen gezündet und so von dort vertrieben werden, wie an anderen Küstenbadeorten auch.
Viel weiter ist man schon auf der Insel Spiekeroog, dort ist das Böllern laut Ortssatzung ganzjährig untersagt. Noch ist dies der einzige Ort an der ostfriesischen Küste mit einem Böllerverbot…
Link: http://www.wattenrat.de/tag/norddeich/ (bitte scrollen)