Es hat gerauscht und gekracht. Gerauscht hat es in der Presse von dpa bis in die Lokalzeitungen, und gekracht hat es über dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“, das vom Inseltourismus heftig beworben wird. Die Rede ist von der Insel Langeoog. Bereits am 04. Juli 2016 wurde im Informationsblatt der Insel „de Utkieker“ auf S. 153 angekündigt: „Ein Feuerwerk bildet den traditionellen Abschluss des Dörpfestes…“ Und zwar nicht irgendein Feuerwerk, sondern ein Großfeuerwerk der Kategorie 4, und das ließ schließlich am Abend des 24. Juli den Strand- und die ortsnahen Bereiche erzittern. Im Vorfeld des Feuerwerks hatte der Wattenrat Ostfriesland in einer Pressemitteilung daran erinnert, wie weit Höhenfeuerwerke in die Flächen des Großschutzgebietes hineinwirken – egal ob sie innerhalb oder direkt außerhalb an der Grenze des Nationalpark gezündet werden – und bei Brut- oder Zugvögeln, die bereits auf der Insel Station machen, durch die Explosions- und Lichteffekte eine enorme Panik auslösen, die die Tiere orientierungslos macht, in einem EU-Vogelschutzgebiet! Wissenschaftliche Untersuchungen gehen von einer Störwirkung von mehreren Kilometern aus.
Bedenken der Unteren Naturschutzbehörde und der Nationalparkverwaltung ignoriert
Das mutwillige Beunruhigen dieser streng geschützten Tiere ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz auch außerhalb von Schutzgebieten verboten und kann ggf. bestraft werden. Eine nach diesem Gesetz verbotene „erhebliche Störung“ liegt bereits vor, wenn sich dadurch „der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art“ verschlechtert. Davon ist für empfindliche Arten auf der Insel auszugehen.
Der Nationalpark ist zudem europäisches Vogelschutzgebiet. Das Bundesnaturschutzgesetz kann für Veranstaltungen dieser Art („Projekte“) eine vorherige Verträglichkeitsprüfungen vorsehen, auch wenn Einflüsse von außen in das Schutzgebiet hineinwirken und den Erhaltungszustand des Schutzgebietes gefährden können. Diese Prüfung liegt nicht vor und wird auch von der Nationalparkverwaltung für nicht notwendig gehalten. Der Landkreis Wittmund als Untere Naturschutzbehörde und die Nationalparkverwaltung hatten jedoch im Vorfeld ihre Bedenken gegen diese lautstarke Veranstaltung geäußert, sahen sich aber zu keinem Verbot veranlasst, da das Feuerwerk unmittelbar außerhalb der Nationalparkgrenzen am Hauptstrand abgebrannt werden sollte. Und diese Lücke nutzen die Macher des Dörpfestes seit Jahren gnadenlos aus.
Höhenfeuerwerk auch auf Langeoog umstritten, Ratsvorsitzende verbiegt die Wahrheit
Auch auf der Insel ist diese jährliche Veranstaltung inzwischen nicht unumstritten: Bürgermeister und Kurverwaltung (die ist „Nationalparkpartner“ der Nationalparkverwaltung) sprachen sich öffentlich gegen ein Feuerwerk aus, konnten sich aber gegen eine Ratsmehrheit für ein Feuerwerk nicht durchsetzen. Die Ratsvorsitzende des Inselrates, Brigitte Kolb-Binder (parteilos für die FDP) betreibt mehrere Hotels auf der Insel (und ist auch Betreiberin des Restaurants „Strandhalle“, das unweit des Ortes des Feuerwerks steht), verteidigte dieses laut- und lichtstarke Inselevent in der Lokalzeitung „Anzeiger für Harlingerland“ in Wittmund am 22. Juli 2016 u.a. so:
„[…] „Wir sind uns dessen bewusst, dass wir Biosphärenreservat sind. Wir sind uns aber auch bewusst, dass es hier um das Zusammenleben von Natur, Tierwelt und Mensch geht. Entgegen derer, die Biosphärenreservat und Nationalpark mit ,Menschen raus‘ verwechseln“, so Birgit Kolb- Binder. In einem Biosphärenreservat gehe es um den Menschen als Bestandteil dessen, in diesem Fall um Langeooger und Touristen, um die Existenz der Insel. „Wir leben zu 99 Prozent direkt oder indirekt vom Tourismus“, betont die Ratsvorsitzende und erklärt in ihrer Stellungnahme: „Ja, wir sollen mit einem guten Beispiel vorangehen.“ Und weiter: „Genau das tun wir mit unserem Antrag. Wir ziehen den Wunsch nach vielen und kleinen Feuerwerken zurück und wünschen stattdessen ein Feuerwerk, das laut Informationen des ehemaligen Nationalparkwarts Jan Weinbecker sehr wahrscheinlich keine Auswirkung auf den Erhaltungszustand der Populationen hat. Wissenschaftliche Beweise der Gefährdung fehlen gänzlich oder welche Auswirkungen hat dann ein Sommergewitter?“, so Kolb-Binder. Dieses Feuerwerk sei Bestandteil der Tradition des Dorffestes, ein Gruß und ein Dankeschön an alle Gäste, um einen friedlichen und schnellen Abschluss des Dörpfestes zu sichern. […]“
Frau Kolb-Binder ließ es schon im Mai 2013, mitten in der Brutzeit, anlässlich ihres runden Geburtstages vor ihrer „Strandhalle“ mit einem großen Feuerwerk krachen.
Ehemaliger Nationalparkwart dementiert
Der genannte ehemalige Nationalparkwart und ausgewiesene Vogelkenner Jan Weinbecker dementierte die Darstellung der Ratsvorsitzenden umgehend in einer Mail an die Lokalzeitung:
„[…] Diese Aussage habe ich NIE getätigt und auch nirgends geschrieben. Ich habe mich im Gegensatz dazu eindeutig gegen Feuerwerk auf Langeoog positioniert. Insbesondere in einer Zeit, in der Vogeleltern immer noch Küken führen und die Zugvogelmassen wieder aus der Arktis zurückkehren um bei uns wieder zu Kräften zu kommen.[…] Die Aufregung der Vögel ist weithin zu hören. Bei Gewittern dagegen reagieren Vögel gar nicht alarmiert, wahrscheinlich weil sie es seit Jahrtausenden kennen. Mittlerweile sind Studien veröffentlicht worden [ er verweist auf die entsprechenden Anlagen] in denen die Störung quantifiziert, als erheblich und unvereinbar mit der Zielsetzung von EU Vogelschutzgebieten bezeichnet wird.[…]“
Damit stand die Ortspolitikerin als kreative Wahrheitsverdreherin da!
Lichtblitze und Böller als Geschäftsmodell eines Insulaners?
Der Spruch „Menschen raus“ durch ein nicht stattfindendes Feuerwerk ist zudem der Gipfel der politischen Unverfrorenheit von Frau Kolb-Binder: Langeoog verzeichnet jährlich laut IHK-Statistik ca. 214.000 Urlaubsgäste bei einer Wohnbevölkerung von ca. 1.800. Die Übernachtungsstatistik liegt bei ca. 1,5 Millionen jährlich, erfasst werden aber nur Häuser ab 10 Betten. Dazu kommt das Heer der Tagestouristen. Von „Menschen raus“ kann also gar nicht die Rede sei, es kommen jährlich sehr viele Menschen rein. Und es kommt noch besser: Auf der Insel wohnt ein professioneller Feuerwerker, der für das Abbrennen verantwortlich ist. Ist das etwa sein „traditionelles“ Geschäftsmodell auf der Insel? Seine Ehefrau und ein Sohn sitzen ebenfalls im Inselrat, für die Partei „Bündnis90/Die Grünen“.
Die Grünen mal wieder: „Feuerwerk muss möglich sein“
Getoppt wurde das Langeooger Sommertheater von der Vorsitzenden der niedersächsischen Grünen (die sind in Niedersachsen zusammen mit der SPD Regierungspartei!), dem Landtagsmitglied Meta Janssen-Kucz, die kurz davor die Insel besuchte, um eine Kollegin im Kommunalwahlkampf zu unterstützen, zitiert aus der Online-Zeitung „Langeoog News“ vom 22. Juli:
„[…] Auch das Thema „Feuerwerk zum Dörpfest“ wurde aus aktuellem Anlass thematisiert. Meta Janssen-Kucz wies die Kritik daran zurück, so etwas müsse einmal im Jahr in einem Biosphärenreservat möglich sein. Die Diskussion darum lenke ab von den wirklich wichtigen Herausforderungen zur Erhaltung des Weltnaturerbes. Sie nannte die zunehmende Verschmutzung der Meere, die Verklappung von Baggergut oder die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke. […]“
Kennt sie nur das Biosphärenreservat, das der gesetzlich geschützte Nationalpark auch noch ist? Gleichzeitig ist dieser aber auch EU-Vogelschutzgebiet, geschützt durch europäisches Recht! Der Verweis auf andere Beeinträchtigungen mit der Relativierung mit einer akuten ist mehr als billig. Die Baggergutverklappungen im Nationalpark könnte die Niedersächsische Landesregierung mit Hilfe des Bundes unterbinden, die Verschmutzung „der Meere“ nicht. Durch einen einfachen Erlass, eine Verordnung oder die Änderung des Nationalparkgesetzes könnte man schädigende Einflüsse von außen auf den Nationalpark- wie z.B. Feuerwerke in den Randbereichen- begrenzen. Aber soweit denken die Grünen als mitregierende Partei in Niedersachsen bisher noch nicht.
Auf der Nachbarinsel Spiekeroog sind Feuerwerke ganzjährig verboten, im Küstenbadeort Bensersiel entschloss man sich 2015 nach der öffentlichen Wattenrat-Kritik für einen Verzicht des lautstarken Spektakels.
Meldungen aus dem engen Inselsoziotop
Im engen Inselsoziotop tummelt sich auch der Redakteur der Langeoog News, Klaus Kremer, der mit seiner Onlinezeitung „Langeoog News“ den Inseltourismus vermarktet. Er berichtete mindestens „reduziert“ für seine Leserschaft über Naturschutzprobleme auf der Insel, dafür entpuppte er sich als ganz schlauer Schienbeintreter:
Auszug aus einer Langeoog-News-Meldung vom 25. Juli 2016:
„[…] Der selbst ernannte Wattenrat begründete seine Ablehnung damit, dass das Feuerwerk zwar außerhalb der Grenzen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und des „Weltnaturerbes“ gezündet werde, so dass die Verbote des Nationalparkgesetzes nicht greifen, dennoch wirke das Höhenfeuerwerk weit in die Flächen des Großschutzgebietes hinein und löse Panik bei einigen Vögeln aus. Andere Naturschutz-Fachleute gehen davon aus, dass Feuerwerke keinen Einfluss auf die Population und die Entwicklung der Vogelbestände haben. „Wir nehmen unsere Verantwortung im Nationalpark Wattenmeer sehr ernst.“ betonten die Veranstalter. […] Nach der Gründung des Nationalparks und der Anerkennung als Biospährenreservat habe es jährlich bis in den Sommerferien zu acht Feuerwerke alle zwei Wochen gegeben, damit alle Gäste in den Genuss kommen. Davon ist inzwischen nur noch eines zum Dörpfest übrig geblieben. […]“
Ja, Herr Kremer, dass waren noch Zeiten, als man skrupellos und „nachhaltig“ die Brut- und Rastvögel sogar mehrfach im Jahr im EU-Vogelschutzgebiet erschreckte und durch die Nacht treiben konnte, ganz ohne öffentliche Wahrnehmung und ohne Proteste der Nationalparkverwaltung. Ob dieser „Genuss“ immer außerhalb oder gar auch innerhalb der Nationalparkgrenzen gezündet wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Und auf seine Ernennungsurkunde wartet der „selbsternannte“ Wattenrat noch heute, aber von wem? Am 28. Juli 2016 soll auf einer Ratssitzung darüber abgestimmt werden, ob in Zukunft ganzjährig auf Feuerwerke auf der Insel verzichtet werden soll.
Die Festrede
Und schließlich wird am 11. August 2016 in Cuxhaven das 30-jährige Bestehen des Nationalparks – oder was dafür gehalten wird – gefeiert, ohne ein Feuerwerk selbstverständlich. Eingeladen haben der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Bündnis90/Die Grünen) und der Nationalparkleiter Peter Südbeck. Und wer hält die Festrede? Der Langeooger Inselbürgermeister Uwe Garrels mit dem Thema: „Vom Gegner zum Freund – Rückblick auf die Nationalparkgeschichte aus der Sicht `vor Ort`“…
Nachsatz: In den „sozialen“ Medien wie facebook wurde die Zeitungsberichterstattung über das Langeooger Feuerwerk kommentiert, die Kritik wurde oft geteilt. Es gab aber auch die bekannten „unteridischen“ Kommentare von Leserinnen und Lesern, denen der Spaß über alles geht. Für diejenigen, die zwar eine Meinung haben aber sich von Fakten nicht stören lassen wollen, hier zwei Veröffentlichungen zum Thema, es möge nützen, auch auf der Insel:
Werner 2015 Feuerwerk Wasservogel-Störung
Nachtrag 28. Juli 2016: Es fiel das Wort „Spaßbremse“ im Zusammenhang mit dem Wattenrat, weil das Feuerwerk anlässlich des „Dörpfestes“ heftig öffentlich kritisiert wurde. Mitnichten Spaßbremse! Leute, habt Spaß im Urlaub, sauft Euch die Hucke voll, fresst bis Ihr platzt, kotzt Euch aus oder vergnügt Euch unter den Sanddornbüschen (vorsichtig, es piekt!), aber lasst die wildlebenden Tiere um Euch herum in Ruhe. Ihr seid nicht alleine auf der Insel oder auf der Welt, Ihr seid zahlende Gäste!
Mit freundlicher Genehmigung:
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund/NDS, S. 1und 5, 22. Juli 2016
Pro und Kontra Feuerwerk
LANGEOOG/MH – Das geplante Feuerwerk beim Dorffest am kommenden Sonntag auf Langeoog erhitzt weiter die Gemüter. Auch auf der Insel selbst ist dieser Programmpunkt höchst umstritten. Die Ratsvorsitzende der Gemeinde Langeoog und des Dörpfestvereins, Birgit Kolb-Binder, verteidigte den Beschluss des Rates für das Feuerwerk. Man dürfe das Biosphärenreservat und den Nationalpark nicht verwechseln mit „Mensch raus“. Das Feuerwerk habe Tradition. Dagegen hat sich das Tourismusmanagement (Ex-Kurverwaltung) noch einmal klar gegen das Abbrennen des Feuerwerkes ausgesprochen. Die Störwirkung sei größer als der touristische Nutzen. Die Störung nahe an der Schutzzone wirke weit in den Nationalpark hinein und störe zum Beispiel auf dem Wasser rastende und ziehende Vogelarten, die vom Strand aus schon nicht mehr sichtbar sind. Sie würden durch die Licht- und Geräuschbelästigung empfindlich gestört und sogar vertrieben. Umso mehr, wenn das Abbrennen direkt an der Nationalpark-Grenze erfolgt.
SEITE 5„Störwirkung größer als touristischer Nutzen“
UMWELT Touristiker gegen Feuerwerk
LANGEOOG/MH – Die Kurverwaltung legt Wert auf die Feststellung, dass das Dörpfest nicht vom Tourismusmanagement (Ex-Kurverwaltung), sondern vom Langeooger Dörpfest- Verein organisiert wird. Das Tourismusmanagement hatte in seiner Stellungnahme empfohlen, auf Feuerwerke aufgrund der erheblichen Störwirkung in die Nationalparkzonen hinein zu verzichten. Das Abbrennen eines Feuerwerks passe nicht in das naturtouristische Leitbild einer Insel, deren touristischer Betrieb von der hohen Qualität des Naturraums lebt und aktiv mit dem Standort mitten im Weltnaturerbe wirbt. „Die Gäste Langeoogs kommen im Übrigen wesentlich wegen Ruhe und Entspannung“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Entscheidung zum Feuerwerk liege bei der Gemeinde, soweit es auf ihrem Gebiet stattfindet. Dabei sei wegen der Nähe zum Nationalpark zwischen der Einschätzung der Störwirkung und „den Interessen der ortsansässigen Bevölkerung, der regionalen Entwicklung, der gewerblichen Wirtschaft und des Tourismus (Nationalparkgesetz) abzuwägen. Im konkreten Fall sei aus Sicht des Tourismusmanagements die einzelne Störwirkung eines 15- minütigen Feuerwerks größer als der touristische Nutzen und somit auch verzichtbar.
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dpa/lni, 21. Juli 2016:
„[…] Dabei appelliert die Nationalparkverwaltung in jedem Jahr zu Silvester, auch im Umfeld des Nationalparks mit Rücksicht auf die Tierwelt auf Feuerwerke zu verzichten. „Dieser Appell verhallt auf Langeoog seit Jahren ungehört, obwohl die Insel „Nationalparkpartner“ der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven ist“, kritisierte Knake. Diese Auszeichnung verpflichte eigentlich zum schonenden Umgang mit der Natur. […]“