Am 28. Juni 2916 wurde der Endbericht der „PROGRESS-Studie“ von überwiegenden Gutachtern der Windenergiewirtschaft zur Ermittlung der Kollisionsraten von Vögeln und für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen veröffentlicht. Eine der Aussagen der Studie: An den Anlagen kollidieren so viele Mäusebussarde, Rotmilane und Kiebitze, dass die Verluste populationsgefährdend sind und es nicht mehr nur um die Frage eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für Einzelindividuen geht. „Direkte Auswirkungen“ auf die Planungs- und Zulassungsverfahren sehen die Gutachter bemerkenswerterweise aber nicht. Zur Studie haben wir weiter unten verlinkt und einen kritischen Kommentar der „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ aus Bad Münstereifel hinzugefügt:
„Was ist PROGRESS?
Das Projekt PROGRESS wurde von BioConsult SH in Zusammenarbeit mit ARSU, IfAÖ und der Universität Bielefeld durchgeführt. Es galt der Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-) Vögeln und der Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen. Kollisionen von Vögeln (und Fledermäusen) gelten als ein zentrales Konfliktfeld zwischen dem Ausbau der Windenergienutzung und dem Naturschutz. Da zahlreiche Vogelarten und alle Greifvogelarten besonderen gesetzlichen Schutz genießen sind Kollisionen ein wichtiger artenschutzrechtlicher Aspekt in den Genehmigungsverfahren. Aus diesem Grund war es Ziel des Projektes, mit einer systematischen Freilandstudie innerhalb von drei Jahren in mehreren norddeutschen Bundesländern repräsentative Daten zur Kollisionsrate von Vögeln mit Windenergieanlagen an Land zu erhalten. Dazu wurden regelmäßige Linientransektsuchen nach Kollisionsopfern durchgeführt. […]“
Mehr zu PROGRESS hier: Progress-Studie
Hier die kritische Bewertung der Studie durch die „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ (EGE):
„Kommentar zur PROGRESS-Studie
Der Schlussbericht der im November 2011 begonnenen und im Juni 2015 abgeschlossenen so genannten PROGRESS-Studie liegt seit Ende Juni 2016 vor.1 Die Studie mit dem Titel „Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen“ liefert einige neue Erkenntnisse. Zu den wenigen beruhigenden Erkenntnissen zählt, dass unter den Kollisionsopfern kaum Arten des nächtlichen Breitfrontenzuges nordischer Singvögel sind und die Verluste bisher für die wenigsten Arten zu einem Rückgang der Populationen geführt haben. Zu den zu tiefst beunruhigenden Erkenntnissen gehören die im Rahmen der Studie festgestellten hohen Kollisionsopferzahlen des Mäusebussards. In der Märzausgabe 2016 des ornithologischen Fachjournals „Der Falke“ hatte der Mitverfasser der PROGRESS-Studie Prof. Dr. Oliver Krüger über dieses überraschende Ergebnis vorab berichtet. Der Studie liegt eine systematische Schlagopfersuche an 46 Windparks in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zugrunde. Gefunden wurden dort 291 Vögel 57 verschiedener Arten.
Im Einzelnen:
– Erneut bestätigte sich, dass in Relation zur Bestandsgröße überproportional häufig Greifvögel an den Anlagen kollidieren. Unter den 15 am häufigsten gefundenen Arten sind Mäusebussard, Kiebitz, Goldregenpfeifer, Rotmilan und Turmfalke. Auf diese Ergebnisse gestützt schätzen die Verfasser die Zahl der in den vier Bundesländern jährlich an Windenergieanlagen getöteten Mäusebussarde auf 7.800; das sind 7 Prozent
des dortigen Brutbestandes der Art.
– Der Studie zufolge kollidieren an den Anlagen so viele Mäusebussarde, Rotmilane und Kiebitze, dass die Verluste populationsgefährdend sind und es nicht mehr nur um die Frage eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für Einzelindividuen geht. Einen solchen folgenschweren Einfluss schließt die Studie für den bereits zurückliegenden Ausbaustandauch für weitere Greifvogelarten nicht aus. Populationsrelevante Verluste
könnten bei fortgesetztem Ausbau aufgrund schwer einzuschätzender kumulativer Wirkungen auch bei weiteren Arten eintreten.
– Auch häufige Arten ohne ein ausgeprägtes Meideverhalten (die Studie nennt ausdrücklich die Feldlerche) könnten betroffen sein, auch wenn die „populationsbiologische Sensitivität“ nicht so groß sein müsse, dass die Verluste bereits zu negativen Auswirkungen auf die Population führten. […]
Angesichts dieser besorgniserregenden Ergebnisse überrascht es, dass die Verfasser zu dem Ergebnis gelangen, aus den gewonnenen Erkenntnissen ergäben sich „keine direkten Auswirkungen“ auf Planungs- und Zulassungsverfahren. Überhaupt kann man den Eindruck gewinnen, dass die Verfasser (fast alle sind als Gutachter der Windenergiewirtschaft tätig) der von Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium finanzierten Studie um eine wirtschaftsfreundliche Darstellung und Bewertung der Befunde bemüht sind. […]
Den vollständigen Beitrag der EGE können Sie hier als .pdf-Datei herunterladen: Fortschritt sieht anders aus