Windenergie: Umweltausschussmitglieder des Niedersächsischen Landtages betroffen über Anlagendichte

Umweltausschuss-in-Arle

v.l.: Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU), Sigrid Rakow (SPD), Hans-Joachim Janßen (B90/die Grünen), Dr. Gero Hocker (FDP), Sven Reschke-Luiken, Foto (C): Manfred Knake

Am 03. Juni 2016 kam „hoher Besuch“ nach Arle im Landkreis Aurich: Vier Mitglieder des Umweltausschusses des Niedersächsischen Landtages – die Vorsitzende des Umweltausschusses, Sigrid Rakow, SPD (Edewecht), Hans-Joachim Janßen, B90/Die Grünen (Jade), Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, CDU (Lehrte), Dr. Gero Hocker, FDP (Achim) – informierten sich „vor Ort“ über die Windenergie in Ostfriesland, sahen sich das Windballungsgebiet Arle, Großheide, Dornum mit seinen ca. 200 Anlagen selber an und hörten zu, was ihnen berichtet wurde. Eingeladen hatte die BI „Weitblick Ostfriesland“ und die Initiative „Vernunfkraft-Niedersachsen e.V.“.

Sven-Reschke Luiken, der mit seiner Familie direkt von den Mühlenmonstern mit fast 190 Meter Höhe und nur ca. 800 Meter vor seinem Haus betroffen ist, wies bei einem Spaziergang zum naheliegenden Windpark mit zusammen ca. 200 Anlagen auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Schlafstörungen in seiner Familie hin.

Blick von Arle in die Gemeinde Dornum/LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Blick von Arle in die Gemeinde Dornum/LK Aurich – Foto (C): Manfred Knake

Bei den anschließenden Kurzvorträgen im Arler Gemeindehaus erläuterten Elmar Konieczka, Sven Reschke- Luiken aus Arle und Kerstin Harms aus Roggenstede ihre Eindrücke von den sozialen Verwerfungen in den Gemeinden zwischen Profiteuren und Lärmbetroffenen der Windenergienutzung, die bereits die Dörfer spalteten. Harald Frauenknecht aus Canhusen sprach über die Rechtsverstöße im Landkreis Aurich bei den Genehmigungen der Windparks. Das beinhalte den fehlenden Landschaftsrahmenplan, das Nichterstellen eines Regionalen Raumordnungsprogramms bis hin zum unzulässigen Engagement des Landkreises und der Gemeinde Dornum als Betreiber von eigenen Windparks; das sei nach der Niedersächsischen Kommunalverfassung nicht rechtens, werde aber vom Land Niedersachsen geduldet: „Hier hat der Landkreis einen rechtsfreien Raum geschaffen“. Frauenknecht monierte die fehlende Rechtsaufsicht, die mangelnde Kontrolle der Exekutive durch die Legeslative

Kerstin-Harms-vor-der--unvollständigen--Karte-der-WEA-im-Bereich-Dornum_LK-Aurich

Kerstin Harms vor der -bereits veralteten und unvollständigen- Karte der WEA-Massierung im Bereich Dornum/LK-Aurich

Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland berichtete über die fragwürdige Genehmigungspraxis am Beispiel des Repowering im Windpark Utgast im Landkreis Wittmund. Hier werde ständig gegen natur- und artenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen. Ohne die vorgeschrieben Datenerfassungen von Vogelarten oder Fledermäusen würden Anlagen viel zu dicht am Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ genehmigt und die fachlichen und gerichtlich bestätigten Mindestabstände zu Vogelschutzgebieten missachtet (NLT-Papier und Helgoländer Papier) , auch hier sei ein rechtsfreier Raum im Sinne der Investoren entstanden. Durch die Abschaffung der Bezirksregierungen und des Landesamtes für Ökologie (NLÖ) seien solche Verstöße erleichtert worden. Eine Fachaufsichtsbeschwerde  des Wattenrates beim Niedersächsischen Umweltministerium und der EU-Kommission verlief im Sande: .pdf  WP-Utgast_Repowering_Fachaufsichtsbeschwerde_08Feb2015. Die Fachbehörde „Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz“ (NLWKN) bewertete die  Baumaßnahmen im Windpark Utgast in ihrer Stellungnahme an das Umweltministerium jedoch sehr kritisch: .pdf NLWKN_Wind_Utgast.

Knake wies auf die engen Verflechtungen zwischen Investoren, Verbindungen zum Windkrafthersteller Enercon und Kommunalpolitikern hin, die die Flächennutzungspläne für die Windparks bereitstellen und anschließend als Kommanditisten von den Einnahmen durch die Windenergie profitierten. Das sei aus den vorliegenden Handelsregisterauszügen unschwer zu erkennen und in Niedersachsen sogar legal, habe aber das Geschmäckle der mittelbaren Vorteilsnahme der beteiligten Kommunalpolitiker. Alle neueren Anlagen würden von Enercon von Aurich hergestellt.

Blick in das EU-Vogelschutzgebiet V63 "Ostfriesische Seemarschen nbon Norden bis Esens" direkt angrenzend an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: rechtwidrig gebaute Umgehungstraße Bensersiel und Windpark Utgasst mit Anlagen viel zu dich am Vogelschutzgebiet, Foto (C): Manfred Knake

Blick in das EU-Vogelschutzgebiet V63 „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ direkt angrenzend an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: rechtswidrig gebaute Umgehungsstraße Bensersiel und Windpark Utgast mit Anlagen viel zu dicht am Vogelschutzgebiet – Foto (C): Manfred Knake

Die Mitglieder des Umweltausschusses waren betroffen von der Massierung der Anlagen im Raum Arle und der vorgetragenen Rechtsverstöße. Die Vorsitzende des Umweltausschuss, Sigrid Rakow: „Ich erkenne kein Konzept“, Dr. Hocker sprach von „Rechtsbeugung“. Die Mitglieder des Niedersächsischen Umweltausschusses sicherten zu, sich in Hannover der Sache anzunehmen und kommunalaufsichtlich tätig zu werden.

Matthias Elsner, der Vorsitzende von „Vernunftkraft Niedersachsen“, appellierte zum Schluss an die Landespolitiker, ihre Eindrücke mit nach Hannover zu nehmen und das Gesehene und Gehörte an die Parlamentarier weiterzugeben: „Was sie hier heute gesehen und gehört haben, ist exemplarisch und trifft für andere Windkraftstandorte im Lande ebenfalls zu.“

Nachsatz: Zwei Lokalzeitungen berichteten identisch und sehr knapp  mit einem Redakteur, der die Veranstaltung vorzeitg verließ. Ausführlich berichtete die 100 Kilometer entfernte Nordwest Zeitung aus Oldenburg:

Nordwest Zeitung, Oldenburg/NDS, online
08. Juni 2016

Schlaflos in Roggenstede
Politiker von Windrad-Wald in Ostfriesland geschockt

Marco Seng

Seit der Energiewende werden es immer mehr: In den Kreisen Aurich und Wittmund stehen Hunderte Windmühlen dicht beieinander. Mehr als in vielen Bundesländern. Politiker haben sich nun vor Ort über die Auswirkungen  informiert – und den Frust einer ganzen Region zu spüren bekommen.

Arle/Roggenstede Da verschlägt es selbst den erfahrenen und vielgereisten Landtagsabgeordneten kurz die Sprache. So etwas haben sie wohl noch nicht gesehen, weder in Niedersachsen noch sonst wo. mehr

Bearbeitet und ergänzt am 11. Juni 2016

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