Miesmuschelfischer beklagen Ertragseinbußen

Betonnte Miesmuschelkultur bei Hooksiel, Juli 2015, Foto (C): Manfred Knake

Betonnte Miesmuschelkultur bei Hooksiel, Juli 2015, Foto (C): Manfred Knake

Die Miesmuschelfischer luden ein zum „Muschelfest“ in Hooksiel und beklagten die Fangrückgänge (Pressemitteilung siehe unten). Die Fischereiwirtschaft ist eine starke Lobbygruppe im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“. In Ostfriesland haben sich 24 Fischer mit 32 Schiffen zusammengefunden und sich zur Erzeugergemeinschaft Küstenfischer Nordsee GmbH zusammengeschlossen. Zur Erhaltung dieses Lebensraumes tragen sie jedoch nichts bei, sie holen nur heraus, von der EU subventioniert: Krabben oder Miesmuscheln. Plattfische werden überwiegend außerhalb des Wattenmeeres gefangen, das Watt ist jedoch die Kinderstube dieser Fischarten. Enorm ist auch die hohe Beifangrate, also die „unerwünschten“ Arten, die mit ins Netz gehen und hinterher tot oder verletzt wieder über Bord gehen.  Die aus Naturschutzgründen und als wissenschaftliche Referenzflächen notwendigen fischereifreien Zonen wurden im Nationalpark Wattenmeer und „Weltnaturerbe“ zusammen mit der Politik bisher verhindert; auch die Grünen, Mit-Regierungspartei in Niedersachsen, unterstützen das nicht.

Die Herzmuschelfischerei, bei der das Wattensediment durchgekämmt wurde, wurde in Niedersachsen bereits 1996 verboten. Ins Gerede kam dann vor allem die Miesmuschelfischereibei der mit speziellen Kuttern sowohl Wildmuschelbänke als auch unter Wasser gelegene Besatzmuschelbänke mit schweren Dredgen und Stahlketten vom Wattenboden abgerissen werden. An der niedersächsischen Küste gibt es derzeit vier Muschelfischereibetriebe mit fünf Muschelkuttern; insgesamt betreiben 18 Beschäftigte ausschließlich den Miesmuschelfang. Diese Betriebe haben sich 1996 zur Niedersächsischen Muschelfischer GbR zusammengeschlossen. Seit 2013 ist die Miesmuschelfischerei als vorgeblich umweltschonend zertifiziert mit dem MSC-Siegel (Marine Stewardship Council). Aber auch dieses Papier macht die Muschelfischerei nicht umweltverträglicher. Die „geernteten“ Miesmuscheln werden bestimmten Vogelarten als Nahrungsgrundlage entzogen, Lebensgemeinschaften in den Bänken vernichtet und das Sediment destabilisiert. Das MSC-Siegel ist zudem sehr umstritten. Gegründet wurde der MSC 1997 vom Unilever-Lebensmittelkonzern, zu dem bis 2006 unter anderem die Marke Iglo gehörte, zusammen mit der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF); das Siegel wird von wissenschaftlicher Seite als „irreführend“ bezeichnet.

Muschelkutter ankert an Muschelbank im Watt, Foto (C): Eilert Voß

Muschelkutter ankert an Muschelbank im Watt, Foto (C): Eilert Voß

Die Miesmuschelfischerei wird seit einigen Jahren durch die Pazifische Auster erschwert, die aber nicht zu Fuß aus dem Pazifik ins Wattenmeer der südlichen Nordsee einwanderte. Diese Muschel wurde in der Scheldemündung und auf Sylt in Kulturen für die Vermarktung kultiviert (“Sylter Royal“); die Larven dieser Muscheln gelangten ins freie Watt und verbreiteten sich als invasive Art explosionsartig. Sie bilden nun sehr feste zusammenhängende Bänke, die sie auch gemeinsam mit Miesmuscheln besiedeln. Die Ursache der Verbreitung dieser bei den Miesmuschelfischern nun ungeliebten asiatischen Art ist also hausgemacht. Die heimische Europäische Auster war schon ca. 1930 im Wattenmeer fast ausgerottet, Ursache war die hohe Nachfrage und die Einführung motorisierter Kutter. Dass diese ehemals verbreitete Art jemals wieder im Wattenmer heimisch werden wird ist wenig wahrscheinlich. Der intensive Garnelenfang mit Grundschleppnetzen, die den Wattenboden umwühlen, wird eine Wiederansiedelung verhindern. Zudem sind die Bänke nun mit der Pazifischen Auster und den Miesmuscheln besetzt.

Pazifische Auster, hier bei Dornumersiel, LK Aurich, Foto (C): Manfred Knake

Pazifische Austern, hier bei Dornumersiel, LK Aurich, im Hintergrund Austernbänke, Foto (C): Manfred Knake

Seit einigen Jahren werden nun schonendere Muschelkulturen an künstlichen Substraten angelegt. Vor Wilhelmshaven liegen mit Tonnen abgegrenzte Flächen, an denen Jungmuscheln auf Kulturflächen herangezogen werden, die dann als Saatmuscheln ins Watt verbracht werden. Aber auch hier sorgt die Natur dafür, dass die Erwartungen der „Bauern des Meeres“ nicht aufgehen. Heftige Stürme z.B. können die später auf Kulturflächen aufs Watt ausgebrachten Jungmuscheln wieder vernichten. 2014 konnten in Niedersachsen nur noch 1.700 Tonnen Muscheln abgefischt werden. 1984, vor Einrichtung des Nationalparks, waren es noch beträchtliche 25.000 Tonnen, die angelandet wurden. Das ist nicht auf die Schutzbemühungen zurückzuführen, sondern auf den Rückgang der Miesmuschelvorkommen, trotz der Einrichtung des Großschutzgebietes!

Muschelkutter, Foto (C): Eilert Voß

Muschelkutter „Charlotte“ im Watt bei Borkum, Foto (C): Eilert Voß

Presseinformation Muschelfest in Hooksiel am 24. Juli 2015

Auch in diesem Jahr laden die Niedersächsischen Muschelfischer gemeinsam mit dem Ver­band der Kleinen Hochsee- und Küstenfischerei und der Landwirtschaftskammer Nieder­sachsen zum Saisonbeginn der Muschelernte am 24. Juli zahlreiche Gäste zu ihrem Muschelfest in Hooksiel ein. Seit über 20 Jahren wird dieses Fest von den 4 niedersächsischen Muschelfischereibetrie­ben reihum in ihren Heimathäfen ausgerichtet. Dabei werden interessierte Gäste aus Bundes- und Landespolitik, Ministerien und Behörden, Forschung und insbesondere diejeni­gen, die dazu beitragen, dass dieses traditionelle Gewerbe weiterhin ausgeübt werden kann, informiert und persönlich mit dieser Form der Küstenfischerei vertraut gemacht.

David de Leeuw, Muschelfischer aus Hooksiel, lädt die Gäste nach der Begrüßung und dem eher theoretischen Teil der Veranstaltung in Form von drei Fachvorträgen im Fischrestaurant „Brücke“, dann zu der praxisorientierten Ausfahrt mit Probefischen und Probeessen an Bord seines Muschelkutters „Royal Frysk“ ein.

Vormittags wird die Geschäftsführerin der Niedersächsischen Muschelfischer,
Manuela Gubernator, in einem ersten Vortrag eine kurze Einführung in diese besondere Wirtschaftsform geben und den Verlauf der vergangenen Saison skizzieren. Die Muschelfischer nennt man auch die „Bauern des Meeres“, weil ihre Wirtschafts­form dem Ackerbau ähnelt. Sie stellt eine Kombination aus Wildmuschelfischerei und Kulturarbeit dar. Von natürlichen, neubesiedelten Muschelbänken im Wattenmeer oder von, in die Wasser­säule ausgebrachtem künstlichem Anheftungssubstrat – den Langleinen – werden Jungmu­scheln gewonnen. Diese werden dann auf optimal gelegenen Kulturflächen ausgebracht, wo sie in ein bis zwei Jahren zur „Konsumgröße“ heranwachsen und dann für den Verkauf geerntet werden.
Die meisten Kulturen der Firma de Leeuw befinden sich auf der Jade. Auch die o. g. Langlei­nen befinden sich, aufgrund ihres Tiefgangs und des Platzbedarfs, vorwiegend in der Jade­mündung.
2014 war ein frustrierendes Jahr – es konnten nur wenig Muscheln verkauft werden. Hinter­grund ist, dass die Jungmuscheln, die 2013 gefischt und auf den Kulturen ausgebracht wurden, im Herbst desselben Jahres weitestgehend den Stürmen „Xaver“ und „Christian“ zum Opfer fielen.
Mit Anlandungen von 1.700 Tonnen pro Saison kann langfristig der wirtschaftliche Fortbe­stand dieses Fischereizweiges nicht gesichert werden. Die Jungmuschelgewinnung durch Befischung neuer Muschelbänke und Ernte der Langleinen fiel nicht sehr umfangreich aus. Und auch diese Neubelegung der Muschelkulturen wurde dann durch erneute Stürme im Herbst 2014 und Frühjahr 2015 stark dezimiert.
Zu wenig Jungmuscheln zum Belegen der Kulturen, sowie instabile Kulturflächen durch zahl­reiche Bautätigkeiten und umfangreiche Baggerungen und Verklappungen im Küstenbereich bereiten den Fischern Sorgen.

Im Oktober 2013 haben die niedersächsischen Muschelfischer das MSC-Siegel für nachhal­tige Fischerei erhalten. Mit diesem Zertifikat sind zahlreiche Auflagen (u. a. Forschungspro­jekte) verbunden, über deren Umsetzung Manuela Gubernator in einem weiteren Vortrag berichten wird. Anfang des Jahres fand eine erste Überprüfung durch die Zertifizierer statt, welche sehr erfreulich ausfiel: Die Muschelfischer sind auf einem guten Weg und können die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftsweise hinreichend belegen!

Addy Risseeuw, Geschäftsführer der niederländischen Erzeugerorganisation, wird in seinem Vortrag die Muschelfischerei in den Niederlanden vorstellen. Nach jahrelangem Ringen mit Naturschutzverbänden scheint nun ein gemeinsames Strategiebündnis erfolgversprechend. Von Inhalten und Umsetzung dieses „Muschel-Convenants“ wird in seinem Vortrag zu hören sein.

Anschließend können diese Themen dann an Bord der „Royal Frysk vertieft werden. Bei der Ausfahrt werden die Langleinenkulturen im Bereich „Wangerreede“ angefahren und ein erster Blick auf die diesjährigen Jungmuscheln an diesen künstlichen Ansiedlungsnetzen geworfen. Die Fahrt geht entlang des nun fertiggestellten Jade-Weser-Ports zu einer Muschelkultur, auf der konsumfähige Muscheln aufgefischt werden. Dabei soll das Prinzip der Muschelfischerei dargestellt werden.

Die Muschelfischer freuen sich, all die Themen, die sie bewegen, ihren interessierten Gästen darzustellen und sie in diesem fachkundigen Kreis zu diskutieren.

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