Abgesehen von den landwirtschaftlichen Nutzpflanzen entwickeln sich riesige Polderbereiche südlich des Dollarts in den Niederlanden zu lebensfeindlichen Wüsten. Die „süßen, wohlbekannten Düfte“ aus dem Frühlingsgedicht von Eduard Mörike sind beißendem Gülle- und Giftgestank gewichen. Auf fast jedem Quadratkilometer der Poldergebiete südöstlich von Delfzijl waren Anfang April Lohnunternehmer dabei, Gift zu spritzen oder Gülle mit dem Injektionsverfahren an mehrere hundert Meter langen Schläuchen in die Weizenfelder zu drücken. An zwei Stellen des Polders waren Feldrandcontainer aufgestellt, die von Sattelschleppern mit Tankauflieger angefahren und befüllt wurden. Die Tanklastzüge kamen von Mastställen der Umgebung und wurden dort mit Gülle aus der Massentierhaltung betankt. Am Container war ein 20 cm – Schlauch angeschlossen, der zu einer Zwischenpumpe zu einem Traktor mit Güllefass führte. Vom Güllefass führte eine lange Versorgungsleitung zu einem weiteren Traktor auf dem Weizenfeld, der die Gülle ausbrachte.
Bei dieser neuartigen Gülleverteilung (Gülleverschlauchung) mittels einer Verbindung zu einem stationären Container am Feldrand wird zwar die Bodenverdichtung mit einem schweren Güllefass verringert, kein Junghase, kein Nest eines Bodenbrüter kann aber hier noch überleben.
In den Niederlanden gelten für Gülletransporter strenge gesetzliche Auflagen mit vorgeschriebenen GPS-Geräten, die die Orte der Ausbringung überwachen. Alle Daten zum Herkunfts- und Zielort und die transportierten Mengen werden bei einer Behörde zentral erfasst. Es sind aber zahlreiche Fälle bekannt geworden, in denen niederländische Gülletransporter ihre überschüssige Fracht illegal und unkontrolliert ohne Einfuhrgenehmigung nach Deutschland lieferten und dazu die GPS-Geräte abgeschaltet wurden. Auch in Ostfriesland kann man seit einigen Jahren die großen Feldrandcontainer sehen, die von großen Tanklastern befüllt werden.
Entwässert werden die Polder über den sogenannten Boezemkanaal, der direkt an der Schleuse von Nieuwe Statenzijl in die Westerwolsche Aa und in den Dollart mündet. Gifte und Gülle der niederländischen Bauern, wenn sie durch Niederschläge ausgewaschen werden, gelangen so mit Zeitverzug auch direkt in den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer („Weltnaturerbe“) in den Dollart.
Auf den Äckern zwischen Nieuwe Schanz und dem Punt van Reide sah unser Fotograf Eilert Voß keinen einzigen Feldhasen mehr. Außer wenigen Saatkrähen, einigen Möwen, einem Mäusebussard und einem kleinen Gänseschwarm in der Nähe eines Güllecontainers war das gesamte Gebiet vogelleer. Der „stumme Frühling“ auf diesen ausgeräumten und intensivst landwirtschaftlich genutzten Flächen ist nicht mehr allzu weit.
Alle Fotos Eilert Voß, Widdelswehr, 09. April 2015