Naturschutz findet nicht im rechtsfreien Raum statt: Eine gleichlautende Mail des Wattenrates an die Staatsanwaltschaft in Aurich und den Landkreis Aurich zur geplanten Silvestersause am Strand von Dornumersiel/LK Aurich im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sowie ein sehr hartnäckiges Telefongespräch mit einem im Naturschutzrecht wenig bewanderten Polizeibeamten in Aurich brachten ein bisschen Bewegung in die sonst naturschutzignoranten Dornumersieler Tourismusköpfe. Die Dornumer Tourismus GmbH entwickelte am 29. Dezember 2014 eine spürbare hektische Betriebsamkeit, sie wandelte sich innerhalb weniger Stunden vom Saulus zum Paulus. Statt, wie noch bis zum 28.12. nachmittags auf der Webseite zum Böllern am Strand im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer aufzurufen, wurde der Web-Seiten-Text abgeändert und auch in der Presse bat die Gemeinde Dornum nun darum, „auf das Zünden von Silvester-Feuerwerk am Strand von Dornumersiel zu verzichten und so dazu beizutragen, den einzigartigen Lebensraum für Millionen von Rast- und Zugvögeln zu erhalten“. Am 31.12. berichtetet der Weser-Kurier aus Bremen über diese Posse „man habe versehentlich einen Text aus dem Jahre 2012 veröffentlicht“, so die Touristiker, obwohl das Böllern auch da schon verboten war. Diese ausführliche Berichterstattung hätte sich der Wattenrat auch durch die Lokalzeitungen vom Ort des Geschehens gewünscht….
Die Zeitung berichtete weiter über ein Schreiben des Landkreises Aurich an die Tourismus GmbH, das unmissverständlich darauf hinweise, dass Feuerwerke auch in den Erholungszonen des Nationalparks unzulässig sind und Verstöße dagegen mit bis zu 25.000 Euro geahndet werden können. Geht doch, so viel zum nicht vorhandenen rechtsfreien Raum. Das hat sich nun endlich auch in Dornumersiel herumgesprochen. Der Ortsbürgermeister von Langeoog schloss sich dem Appell an, das „Feuerwerk allenfalls in der Ortsmitte abzubrennen und Rücksicht auf die Mitmenschen zu nehmen“. Allerdings: Die Rücksicht auf die Rastvögel im direkt angrenzenden Nationalparks müsste ebenfalls dazugehören, denn auch das Abbrennen des Feuerwerks direkt am Nationalpark ist verboten, weil es für die wildlebenden Tiere keinen Unterschied macht, ob das Feuerwerk im oder am Nationalpark gezündet wird. Der Inselbürgermeister von Norderney schoss dagegen am 30.12. in der Ostfriesen Zeitung quer: „Böllern gehört Silvester dazu. Das ist es, was die Leute wollen, Lärm hat man immer. Den gibt es bei uns bei jedem Bauprojekt“. Der kommunale Selbstverwalter vergaß, dass das Nationalpark- und das Bundesnaturschutzgesetz keine Wunschkonzerte sind.
So ist denn auch der konzentrierte Vorstoß des Wattenrates an der Wattenmeerfront für weniger Silvesterlärm im Großschutzgebiet Nationalpark mehr Schall und Rauch als tatsächliche „nachhaltige“ Lärmverhinderung geblieben. Es blieb bei unverbindlichen Appellen, die nun aber bis in die Küstenkommunen gelangt sind. Eine wirksame Kontrolle des Feuerwerksverbots wird weiterhin nicht stattfinden und die tatsächliche Verhinderung der Feuerwerke im und am Nationalpark ist damit nicht erreicht worden, noch nicht einmal eine „nachhaltige“ Bewusstseinsänderung der Weltnaturerbevermarkter nach immerhin 29 Jahren des Bestehens des Nationalparks und nach 6 Jahren „Weltnaturerbe“. Wie hoch die immer wieder herbeigeschwätzte „Akzeptanz“ des Wattenmeer-Nationalparks tatsächlich ist, zeigte der Tag danach: Der Strand von Dornumersiel war trotz der öffentlichen Appelle mit Böllermüll übersät, einige Mülltonnen quollen mit Böllerverpackungen über. Ein Beobachter berichtete dem Wattenrat von ca. 400 Personen, die am Strand direkt am Wattenmeer die Silvestersau rausließen. Und das war nur Dornumersiel! Auch in anderen Küstenorten am und im Nationalpark und auf einigen Inseln wurde stark geböllert, auf Spiekeroog dagegen war es weitgehend ruhig. Für die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven ist das eine Ohrfeige; ihre Appelle sind wirkungslos, die öffentlich verkündeten „Kooperationen“ mit einigen Küstenkommunen oder Inseln sind völlig wertlos. Fürs gute Image und die Presse setzt sich der smarte Nationalparkleiter Peter Südbeck gerne in Szene. Für den tatsächlichen Schutz „seines“ Nationalparks kommt dabei leider nur sehr wenig heraus. Dornumersiel ist beispielhaft der Offenbarungseid des behördlichen Naturschutzes im Wattenmeer, das weithin sicht- und hörbare Vollzugsdefizit in einem Großschutzgebiet!
Rechtsgrundlagen:
§15, Gesetz über den Nationalpark Nds. Wattenmeer, Erholungszone
§§ 33 und 44 Bundesnaturschutzgesetz, Schutz wildlebender Pflanzen- und Tierarten
§§ 69-73 Bundesnaturschutzgesetz, Bußgeld- und Strafvorschriften