Paketdrohnen über dem „Weltnaturerbe“ Wattenmeer

Screenshot/Bildzitat: DHL-Paketdrohne-http://www.dhl.de/paketkopter_18.Nov.2014

Seit September 2014 testet die DHL zusammen mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) den Einsatz des Paketkopters. Schon wieder eine neue, wenn auch zeitlich begrenzte, Nutzung im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und „Weltnaturerbe“, EU-Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet: Nun wird das Großschutzgebiet zum Versuchslabor für Drohnenflüge zur Inselversorgung, zunächst mit dringend benötigtenMedikamenten, der „gute Zweck“ der PR-Strategen, da kann man doch eigentlich nichts gegen einwenden, oder doch? Zwanzigmal wurde der Transport übers Watt erfolgreich durchgeführt. Allerdings: Konkrete Projekte für den Regelbetrieb von Paketkoptern bei der Paketzustellung plant die DHL vorerst nicht. Die Drohnen der DHL sind mit vier Rotoren (Quadrocopter) ausgestattet und können die 12 km lange Strecke von Norddeich zur Insel Juist über das Watt in 16 Minuten zurücklegen, abhängig von der Windsituation. Dabei muss die Drohne auch Schutzzonen des Nationalparks überfliegen. Wir zitieren aus einer dpa-Meldung vom 18. November 2014:

„Die positiven Erfahrungen seien eine solide Basis für weitere Paketdrohnen-Projekte in unwegsamen Gebieten“

Diese „unwegsamen Gebiet sind ganz nebenbei Schutzgebiete für sehr störungsempfindliche Vogelarten, die die Drohnen als Luftfeinde wahrnehmen.

„Flugsicherung, die Nationalparkverwaltung Wattenmeer und andere Stellen haben den mehrmonatigen Feldversuch genehmigt, aus Sicherheitsgründen muss aber jeder Flug einzeln angemeldet werden.“

Wenn dieser Versuch tatsächlich einmal in die tägliche Praxis umgesetzt werden sollte, werden auch andere Inseln mit Drohnen angeflogen werden, zusätzlich zu dem schon bestehenden Linien- oder Freizeitflugverkehr zu und von den Inseln. Der Inselflugplatz Juist hat bereits eine ähnlich hohe Start- und Landefrequenz wie der Verkehrsflughafen Hannover. Alle Touristen-Inseln sind gut mit dem Schiff zu erreichen. Die Versorgung der Inseln mit Medikamenten dürfte also nicht das größte Problem sein. Hobby-Drohnenflieger werden dann ebenfalls zur Nachahmung animiert werden, für einen Nationalpark und ein „Weltnaturerbe“ mit seinen empfindlichen Brut- oder Rastvogelarten ist das inakzeptabel. Sogar das Steigenlassen von Kinderdrachen in den Schutzzonen ist aus Artenschutzgründen bereits verboten!

Wer hätte auch anderes erwartet, dass auch die Nationalparkverwaltung nach anfänglichen Bedenken die Versuche „genehmigt“ hat, aber wieder ohne die vorgeschriebenen vorherige Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Bundesnaturschutzgesetz?:

„Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Soweit ein Natura 2000-Gebiet ein geschützter Teil von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2 ist, ergeben sich die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden. Der Projektträger hat die zur Prüfung der Verträglichkeit sowie der Voraussetzungen nach den Absätzen 3 bis 5 erforderlichen Unterlagen vorzulegen.“

Wo sind diese Unterlagen? Und die §§ 6 und 12 des Gesetzes über den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sagen unmissverständlich:

„ […] Zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks ist es verboten […] Drachen, auch vom Fahrzeug aus, Modellflugzeuge oder andere Kleinflugkörper fliegen zu lassen, Ballons zu starten oder außerhalb der Wege fernlenkbare Geräte zu betreiben, […]“

Für Versuchsreihen von unerprobten technischen Geräten bieten sich daher z.B.  großräumige Truppenübungsplätze an, nicht aber Schutzgebiete. Wurden überhaupt die „anerkannten“ Naturschutzverbände in Niedersachsen beteiligt? Schon bei der Zulassung von Kitesurfer-Spots in den vergangenen Jahren wurden vorher keine vorgeschriebenen Verträglichkeitsprüfungen von der Nationalparkverwaltung durchgeführt und sich über bestehende Gesetze hinweggesetzt. Daher wäre der Drohneneinsatz wirklich nur in Notsituationen zu tolerieren, nicht aber im Dauereinsatz über Schutzgebieten wie einem „Weltnatuererbe“. Das Etikett „Weltnaturerbe“ ist offensichtlich nur noch von Nutzen, wenn man es touristisch bewerben und vermarkten kann, und das kann die Nationalparkverwaltung hervorragend.

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